Erstellt am: 27. 6. 2010 - 16:00 Uhr
Open Air St. Gallen 2010
Wir lassen den Bodensee hinter uns, überqueren die Schweizer Grenze und fahren gut 30 Kilometer nach St. Gallen. Und die Vorfreude ist groß: The Strokes, LCD Soundsystem, The Drums, Tocotronic, White Lies, Jamie Lidell, Kasabian und noch einige mehr lassen auf schöne musikalische Eindrücke hoffen. Das kesselartige Festivalgelände ist überschaubar - eingebettet im Naturschutzgebiet, mitten im Wald und direkt neben dem Fluss feiert es sich entspannt. Und irgendwie scheint sich hier auch jeder zu kennen - gefühlte zwei Drittel der Gäste kommen aus der Region. Das Open Air St. Gallen gleicht fast einem eigenen Dorf, mit eigenen Regeln und einem eher eigensinnigen Charakter. Alles sehr gemütlich und sympathisch. Oder wie es die SchweizerInnen formulieren würden: Hurageil.
Freitag: The Drums, The Strokes und LCD Soundsystem
Am Freitag starten wir schon leicht verschwitzt und guter Dinge in den Festivalnachmittag - gemeinsam mit Biffy Clyro aus Schottland. Die drei rockigen Herren sind anscheinend bekannt für ihre energetischen Live-Shows. Und sie geben sich auch wirklich Mühe - trotzdem, so richtig mitreißend ist das nicht.
Darko Todorovic
Wir kehren der leuchtorangen Hose also den Rücken und machen uns auf den Weg zur Sternenbühne - also eigentlich zum Sternenzelt. Und dieses Zelt kommt uns bei 30 Grad im Schatten sehr recht. Genauso wie die vier Buben aus Brooklyn: The Drums. Vor kurzem noch Album der Woche avancieren sie sich hier auf der kleinen Bühne binnen Minuten zu einem richtigen Highlight und das - wie auch ihre Musik - sehr minimalistisch. Die grazil-apathischen Bewegungen von Sänger Jonathan Pierce bringen mich immer wieder zum Lachen und die Musik zum Tanzen. Eine gute Kombination. Während Jonathan in kleinen Schritten über die Bühne tänzelt, führt Gitarrist Adam Kessler wieder eine seiner Pirouetten vor. Ein schönes Konzert.
Darko Todorovic
Während die Pop-Punks von NOFX auf der Hauptbühne mit Soundproblemen kämpfen, kümmern wir uns motiviert um unsere Olma mit Buerli und Senf: Eine weiße Bratwurst mit Brot, ähnlich einem Vintschgerl. Gleichzeitig wird auch die weitere Abendgestaltung diskutiert:
Fußball oder Jared Leto?
Wir entscheiden uns für beides und drücken eine Halbzeit lang der Schweizer Nationalmannschaft die Daumen. Das nutzt aber nichts und in der Pause schauen wir zur Hauptbühne.
Darko Todorovic
30 Seconds to Mars. Ein blonder Jared Leto steht mit Irokesen auf der Bühne und spielt das Konzert seines Lebens. Zumindest behauptet er das alle fünf Minuten: "This is the best festival I've ever been to. You are fucking awesome."
Darko Todorovic
Eine schlechte Mischung aus Freddie Mercury und Billy Idol kommentiert der junge Mann neben mir die Geschehnisse auf der Bühne. Oder Tokio Hotel in zehn Jahren, denke ich mir. Fotografen dürfen übrigens nicht vor die Bühne, so eitel ist er dann doch. Irgendwie tut mir Jared fast schon leid. Ständig muss er mitten im Lied seine Band abwürgen um das Publikum anzuschreien: "Make some fucking noise!" Er will einer von uns sein und deswegen holt er sich am Ende noch zwanzig Leute aus dem Publikum auf die Bühne: "We wanna do some fucking great crowdsurfing". Nur blöd, dass das hier verboten ist. Der Haufen junger Menschen auf der Bühne wirkt dann irgendwie wie ein Kinderchor für einen karitativen Zweck. 30 Seconds to Mars. 30 Sekunden hätten eigentlich auch gereicht.
Darko Todorovic
Eine halbe Stunde später betreten dann schon die Strokes die Hauptbühne. Das möchte sich auch Jared nicht entgehen lassen. Zusammen mit seiner Freundin mischt er sich unter das Publikum. Beim Versuch die Rollstuhl-Bühne zu besteigen, wird er vom Security aber hart abgewiesen. Er ist also tatsächlich einer von uns. Und er sieht die Strokes vermutlich auch aus der selben Perspektive, das schaut so aus:
Darko Todorovic
Die New Yorker Herren liefern eine gute Show ab, musikalisch ist hier alles perfekt einstudiert. Die Musik passt, sie ist nur etwas zu leise. Julian Casablancas wirkt etwas abgespannt, das ist auch wenig verwunderlich. Neben all seinen Neben- und Soloprojekten ist er ja vor kurzem Papa geworden. Da kann man Switzerland auch mal mit Germany verwechseln - die Schweizer tragen es mit Fassung, schmunzeln und wippen in schöner Strokes-Manier im Takt.
Darko Todorovic
Danach betritt James Murphy die Bühne. Nach den Strokes haut das LCD Soundsystem richtig gut rein. Was soundtechnisch vorher vielleicht nicht ganz gepasst hat, scheint jetzt wieder in Ordnung zu sein. Und das sieht man auch: Alle tanzen, James Murphy weckt das Publikum richtig auf. Eine großartige Liveband.
Samstag: Kutti MC, Fettes Brot, Bonaparte und White Lies
Nicht weniger sonnig, nicht weniger heiß, nicht weniger gut. Dafür aber viel mehr Leute. Das ist der Samstag. Richtig gut los geht es mit einem lustigen Konzert von dem Schweizer Dichter und Rapper Kutti MC. Kurz vor seinem Auftritt schaut er noch kurz zum Interview vorbei und performed eine fetzige Freestyle-Performance exklusiv für FM4. Und das alles natürlich auf Schwizerdütsch.
Darko Todorovic
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Dann geht's weiter zum nächsten Interview. Nämlich mit den Balkan-Beat-Propheten aus dem schönen Bayern: Labrassbanda. Eben noch im Fluss, dann stehen sie leicht bekleidet in der Unterhose Rede und Antwort.
Im Backstage-Bereich der Sternenbühne huschen einige Bands herum. Während Labrassbanda sich langsam auf ihren Auftritt vorbereiten, steigen die blutverschmierten Bandmitglieder von der Berliner Punk-Trash-Band Bonaparte gerade von der Bühne. "In Österreich sind die Häuser so klein und fein" erzählt mir Mastermind Tobias Jundt. "Deshalb fühle ich mich bei euch so wohl."
Darko Todorovic

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Und schon geht es von der kleinen wieder hinüber zur großen Bühne. Dort geben gerade die Hamburger von Fettes Brot ihr Bestes und es funktioniert: Tausende begeisterte Hände schwingen in die Höhe und die Zeilen von "Jein" treiben Pubertätsschweiß auf meine Stirn.
Darko Todorovic
Charles Cave von den White Lies sammelt Socken
Darko Todorovic
Während die fetten Brote über die Hauptbühne hüpfen, treffe ich mich mit dem Bassisten der britischen White Lies: Charles Cave. Im Interview erklärt er mir, dass er einen Fetisch für interessante Socken hat. Seine Lieblingssocken sind pink. Heute steht er aber barfuß in den Schuhen, er war nämlich gerade in der Sitter und hat sich im Fluss abgekühlt. Beim FM4 Blinddate muss Charles dann verschiedene Songs kommentieren - allesamt von Bands, die mit den White Lies am diesjährigen FM4 Frequency Festival auf der Bühne stehen werden. Das findet Charles recht lustig.
Außerdem erzählt Charles, dass er Festivals als Besucher eigentlich nie so richtig gemocht hat. "Why would you camp with thousands of other people in the middle of a muddy field?" Als Musiker schaut das dann natürlich anders aus. Und überhaupt: Es scheint schließlich die Sonne - kein Schlamm weit und breit.
Darko Todorovic
Das Open Air St. Gallen ist in seiner Weise wirklich einzigartig. Ein Festival mitten im Wald, tausende lustige Schweizer und eine ganz spezielle Atmosphäre. Es ist übrigens das erste Festival, das ich damals als Teenager besucht habe. Inzwischen sind zwölf Jahre vergangen und bis auf ein paar von Spiritousen- oder Tabakkonzernen gesponserten Partyzelten hat sich hier eigentlich nichts verändert. Was gut ist, denn dieses Open Air ist mit Abstand eines der gemütlichsten und lustigsten Festivals das es gibt. Da bin ich mir relativ sicher.
Darko Todorovic
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Auf & Davon

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