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18. 5. 2010 - 17:32

Finanztransaktionssteuer

Die Diskussion zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer kommt in Schwung. Als "Tobin Tax" fordert die globalisierungskritische Initiative Attac schon lange so eine Steuer. Was hält attac nun von den aktuellen Entwicklungen?

Christian Felber, der Sprecher von attac Österreich, war dazu Gast bei Esther Csapo in FM4 Connected.

Man möchte meinen, das sind gute Tage für die GlobalisierungskritikerInnen von Attac. Seit elf Jahren gibt es dieses Netzwerk und eine der Gründungsforderungen, die Finanztransaktionssteuer, könnte bald umgesetzt werden. Christian Felber, du bist von Attac, bist du jetzt im Freudentaumel?

Christian Felber

attac

Also das wäre ein bisschen vermessen. Die große Zustimmung zur Finanztransaktionssteuer erfolgt ja jetzt nicht, weil wir so gute Überzeugungsarbeit geleistet haben, sondern weil jetzt gar keine andere Möglichkeit mehr für die Regierungen besteht, der Schuldenkrise Herr zu werden. Sie beschließen das in höchster Not und selbst jetzt gibt es noch heftigste Widerstände. Der Internationale Währungsfonds ist immer noch dagegen, die Europäische Kommission ist immer noch dagegen, der europäische Bankenverband ist immer noch dagegen.

Der Anlass jetzt ist vermutlich Griechenland?

Griechenland, und weil die Staatsschulden aus dem Ruder laufen. Die Regierungen merken, sie müssen irgendwie die explodierenden Schulden zurückzahlen und die Massen können das nicht machen. Selbst wenn Griechenland die 120 Milliarden bekäme: Ich bin mir ganz sicher, dass sie die nicht zurückzahlen könnten. Weil ja gleichzeitig die alten, katastrophalen, neoliberalen Konzepte gefordert werden. Nämlich sparen. Bei den Einkommen, bei den Pensionen, beim öffentlichen Dienst. Das heißt, ich fürchte, dass Griechenland in die Rezension gehen wird und damit noch viel weniger in der Lage ist, diese neuerlichen Kredite zurückzuzahlen. Das bedeutet, dass alle anderen EU-Staaten dann mehr Schulden haben werden. Und auch wir werden nicht unendlich die Massen mit neuen Steuern oder Kürzungen bei öffentlichen Leistungen belasten können. Deshalb ist da jetzt die rettende Perspektive am Horizont die Finanztransaktionssteuer.

Es gibt ja die Kritik, dass diese Steuer von den Banken schlussendlich dann doch auf den einzelnen Konsumenten oder die einzelne Konsumentin abgewälzt wird.

Das halte ich für eine schwere Irreführung. Weil sie wirklich nur denjenigen Bereich der Finanzmärkte betreffen würde, mit dem die meisten Menschen überhaupt nichts zu tun haben, nämlich die harte Spekulation. Das würde vielleicht 1-5 Prozent der Wirtschaftsakteure treffen und alle anderen, der tägliche Einkauf, der Zahlungsverkehr bei den Banken, der Tourismus im Ausland, wären davon nicht berührt.

Was werden denn wir, also so Mittel- und Kleinverdiener, jetzt davon haben, dass diese Steuer kommt?

Zum einen haben wir stabilere Finanzmärkte und die Hoffnung, dass die Krise nicht aus dem Ruder läuft. Und zum anderen muss die breite Mehrheit der Bevölkerung nicht für die Finanzierung der Staatsschulden aufkommen. Das machen dann die, die sich das wirklich leisten können und das ist diese Minderheit von den Akteuren auf den Finanzmärkten.

Was soll denn mit dem doch beträchtlichen Brocken Geld passieren?

Das Institut für höhere Studien progrnostiziert die Einnahmen aus einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer auf 270 Milliarden Euro. Man könnte davon die EU finanzieren, mit 135 Milliarden, und dann alle Staaten, die jetzt in einer Schuldenkrise sind, unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent bringen. Also zuerst Griechenland, dann Irland, Italien, Spanien, Portugal. Und dann, in den Folgejahren, müsste man die globale Armutsbekämpfung als oberste Priorität der EU-Politik in Angriff nehmen.

Wie schätzt du jetzt die Diskussion ein? Wie lang wird das dauern, bis das tatsächlich kommt?

Also wir haben gesehen, je mehr der Hut brennt, desto schneller agieren die Regierungen, zum Teil auch an den Parlamenten vorbei. Die Bankenrettungen wurden zum Teil ohne Parlamentsbeschlüsse beschlossen. Das heißt, es hängt von der weiteren Entwicklung auf den Finanzmärkten ab. Wenn das Feuer groß ausbricht in den nächsten Tagen, dann gibt es auch in den nächsten Tagen einen Beschluss. Wenn die Finanzmärkte jetzt vorläufig ein bisschen beruhigt sind durch den 750 Milliarden Euro Rettungsschirm, dann kann das noch Monate dauern. Aber genau weiß das natürlich keiner.