Erstellt am: 24. 4. 2010 - 14:12 Uhr
Das Ende der Konzertkrise
Das Ständig-zu-Konzerten-Gehen kann ja zu einer Abstumpfung und dem berühmten "Musikjournalistensyndrom" führen: Überall umsonst reinkommen, nur an der Bar stehen, gar nicht zuhören und hinterher alles scheiße finden! Umso schöner, wenn mal wieder Euphorie und Vorfreude aufkommen, wenn es drei Konzerte hintereinander mit drei Generationen des Genres "Popmusik mit deutschen Texten" gibt.

Buback
Den Anfang machte Kristof Schreuf im Monarch, er stellte seine Soloplatte "Bourgeois with Guitar" vor, die hauptsächlich auf Texten und Musik des kollektiven Popgedächtnisses beruht, welche aber nicht schnöde gecovert, sondern ordentlich durcheinander gewirbelt werden. Mit seiner Band Kolossale Jugend (1988) hatte Schreuf Musiker wie Blumfeld und Sterne nachhaltig beeinflusst, er gilt als Vordenker der Hamburger Schule, hatte sich in den letzten 20 Jahren aber recht rar gemacht. Von seiner Band Brüllen hörte man nach dem Debut "Schatzitude" (1997) nicht mehr viel und der Suhrkamp Verlag wartet seit über 10 Jahren auf seinen immer wieder angekündigten Roman "Anfänger im Rocken".
- Das Video zu "Search & Destroy" von Kristof Schreuf
Zu seinem "Comeback" waren alle erschienen, ein großes Hallo, das Trinken blieb nicht aus und am nächsten Tag musste man büßen. Auch der Samstag diente der Rekonvaleszens.

Christiane Rösinger
Zum Glück waren am Sonntag alle wieder einigermaßen beieinander, denn da ging es ja zu den Tocos, die nach sechs Wochen Tour nach Hause kamen, sie sind ja inzwischen zur Hälfte eine Berliner Band. Das Astra, zweimal hintereinander ausverkauft, war brechend voll. Während auch im Freundesumkreis der Band die aktuelle CD nicht unbedingt die allerliebste ist, so freute man sich doch am Erfolg der Band, auf die älteren Songs und die Aftershowparty, die schön, aber auch anstrengend war.

Christiane Rösinger

Christiane Rösinger
Am Montag wär' man dann gerne mal daheim geblieben, aber da ging es zur Albumspräsentation von Hans Unstern und Schätzmeister im Jüdischen Theater im Stadtteil Neukölln, ein Veranstaltungsort, den selbst die alteingesessenen Berliner nicht kannten. Schätzmeister, sonst Bassist der Band Ja, Panik, stellte in dem alten Theater sein Soloprojekt, das sich zwischen Dada, Country-Persiflage und Ritterlied bewegt, vor.
- Das Video zu "Paris" von Hans Unstern
Die Überraschung des Abends, des ganzen Wochenendes, war aber Hans Unstern, der zur Albumpräsentation von "Kratz dich raus" ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Licht, Film, Hör- und Schattenspiel aufführte.

Staatsakt
Hinter einem durchsichtigen Vorhang agierte die sechsköpfige Band an Schlagzeug, Akkordeon , Saxofon, Vibraphon und präpariertem Klavier mit viel Geklöpfel und Klick-Klack- und Holzgeräuschen. Es klang nach Weird Folk, Arcade Fire und dem Free-Jazz-Getobe der Goldenen Zitronen, und gerade wenn einen die verschrobene Lyrik kurz ungut an die späten Blumfeld denken ließ, kam wieder ein Satz in einer so mitreißenden Rhythmik , Bedeutung und Wahrheit , dass man alle Manierismen verzieh. Und so ging das Konzertwochenende mit dem großartigen Gefühl etwas Tolles, Neues entdeckt haben zu Ende.