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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

21. 3. 2010 - 06:00

Be My Surfer

Eine FM4 Soundparknacht mit den Sofa Surfers, Zeebee, Klaus Waldecks 90iger Jahre Mix und vielen Neuveröffentlichungen.

Es ist schon seltsam, wie sich Dinge manchmal erst im Nachhinein zusammenfügen. Wo vorher noch Chaos zu herrschen schien (wie in dem Plattenfach der österreichischen Neuerscheinungen, das mittlerweile wirklich überzuquellen beginnt), ergibt sich plötzlich ein stringentes Bild. Diese FM4 Soundparknacht ist ein Puzzle aus düsteren, rockigen Loops, kontrastiert von jazzigen Chansonklängen, erweitert durch eine elektronische Reise in die Vergangenheit und kommende Neuerscheinungen, wobei all diese Elemente gegenseitige Referenzen aufweisen.

Klar kann man jetzt sagen, Österreich sei in Dorf und in einer derartig kleinen Musikszene kann man sich ja fast nicht verpassen, selbst wenn man es darauf anlegt. Und doch ergeben die Wege und hinterlassenen Spuren vieler Künstlerinnen und Künstler eine spannende musikhistorische Landkarte. Dort wo früher nur ein weißer Fleck zu sehen war, verästeln sich bunte und wild gemischte Strömungen, die über geographische und genregeprägte Grenzen schon lange hinausfließen. Also besteigen wir für fünf Stunden unseren seetüchtigen Musikdampfer und schippern durch die heftig sprudelnden Gewässer Österreichs.

Be My Surfer

Ich weiß nicht, ob die Metaphorik es zulässt zu sagen, dass man auf loopartigen Samples, krachendem Schlagzeug, verzerrten Basslinien und hart zupackenden Gitarren dahin surfen kann.

Sofa Surfers Bandportrait

Ingo Pertramer

Wenn ja, dann können das auf alle Fälle Markus Kienzl, Wolfgang Schlögl, Wolfgang Frisch und Michael Holzgruber. Gemeinsam sind sie seit mehr als dreizehn Jahren fixer Bestandteil der heimischen Szene und haben als Sofa Surfers mit ihrem eigenen Sound sowohl die elektronische als auch die gitarrige Musikwelt Österreichs maßgeblich beeinflusst. Man erinnere sich an die wie eine Dampfwalze alles platt machenden Samples und den dahingroovenden Beat von "The Plan" oder das wundervolle "Sofa Rockers", an dem später auch Dr. Dorfmeister Hand anlegte. Ihr letztes Album, ganz in Rot gehalten, hat auch schon fünf Jahre auf dem Buckel. Selbst wenn die vier Sofa Surfers inzwischen alle ihre musikalischen Soloprojekte und/oder Filmmusikproduktionen vorweisen können, schlummerte in diesem Vierergespann anscheinend immer wieder das Verlangen, sich weiterzuentwickeln und etwas Neues auszuprobieren.

Sofa Surfers Cover "Blind Side"

Sofa Surfers

Sonst würde wohl nicht das sechste Werk "Blind Side" kommende Woche in den Plattenläden stehen. "Wie aus heiterem Himmel" bedeudet die Übersetzung des Titels. Doch so spontan das auch klingen mag, das Wiener Musikerkollektiv hat sich viel Zeit genommen, um auf die Suche nach einem frischen Sound zu gehen. Viele Jamsessions und intensive Samplearbeit lassen die Sofa Surfers heute roher und loopbasierter klingen, was unweigerlich an ihre früheren Werke denken lässt. Auch Sänger Mani Obeya ist wieder mit an Bord, der seine warme, soulige Stimme über die sehr rauhen, dunklen und sogar bös klingenden Songs legt.

Mit "Blind Side" haben es die Sofa Surfers geschafft, ihre Liveenergie ins Studio zu transferieren. So treffen harte Riffs auf dubbige Bässe, während das ganze Werk mit unaufhaltsamen Groove dahin brettert, gespickt mit allerhand atmosphärische Sampleflächen.

Markus Kienzel und Wolgang Schlögel werden sich mit Clemens Fantur durch "Blind Side" hören und über stundenlange Jamsessions, abenteuerliche Touren durch Bulgarien und ihre neue Situation als Labelinhaber berichten.

Be My Sailor

Portrait Eva Engel alias Zeebee

Eva Engel

Durch ganz anderes Gewässer segelt die Sängerin und Produzentin Eva Engel alias Zeebee. Die in Deutschland geborene und in Vorarlberg aufgewachsene Musikerin hat schon im zarten Alter von fünf Jahren begonnen, zu singen. So erzählt man sich. Eva hat alte instrumentale Jazzstandards auf Kassette aufgenommen und mit ihrer Stimme darüber improvisiert. Als Teenagerin tourt sie mit Band durch England, veröffentlicht auf einem Schweizer Label und landet in den Neunzigern durch das World Wide Web und die neuen Produktionsmittel bei der Elektronik. Sie kollaboriert nicht nur mit vielen Musikern, sondern produziert auch mit Gerhard Potuznik ihre ersten beiden Alben via Internet. Files werden hin und her geschickt, wobei Zeebee nur die Tracks wirklich macht, zu denen sie etwas zu sagen hat, beziehungsweise mit denen sie sofort etwas anfangen kann. Dabei schafft Eva immer eine gekonnte Gratwanderung zwischen experimentellen Arrangements und poppigem Songformat.

Zeebee Albumcover "Be My Sailor"

Zeebee

Auf ihrem dritten Studioalbum "Be My Sailor" scheint die Wahlvorarlbergerin zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt zu sein. Federleicht tänzelt sie auf flockigen und poppigen Jazzsongs, wobei Zeebe in dem Up-Tempo Stück "Jealous" fast schon wie eine Diva klingt, die stolz darauf ist, richtig eifersüchtig sein zu können. Aber keine Angst, viele der Geschichten auf "Be My Sailor" spiegeln nicht die Gemütsverfassungen oder gar charakterliche Seiten von Eva Engel wider, sondern sind meist sehr aufmerksame Beobachtung ihrer unmittelbaren und weiteren Umgebung. Vom Freundeskeis bis zum globalen Weltgeschehen reicht das Forschungsfeld, das sich mit Poesie umgesetzt in den Songs wiederfindet und mit dem Zeebee durchaus politisch Stellung bezieht. Produziert wurde das schöne Stück diesmal übrigens mit Klaus Waldeck, mit dem Zeebee für sein letztes Album "Ballroom Stories" und dessen Live-Präsentation eng zusammengearbeitet hat.

Für die kommende Soundparknacht haben wir eine Leitung in den Westen gelegt, um uns mit Eva Engel alias Zeebee durch ihr neues Album zu hören. Vielleicht klären wir dann auch die Frage, warum bei dem neuen Werk das Meer und ein Schiffsanker eine Rolle spielen.

Be My Memory

Bei der Idee, die Metaphern der Schifffahrt und des Meeres durch die Sendung zu ziehen, kam mir dann unweigerlich "Be My Sailor" Co-Produzenten Klaus Waldeck in den Sinn.

Klaus Waldeck

Klaus Waldeck

Als "Steuermann" des Zeebee-Albums hat auch er selbst in der stürmischen Elektroniksee der neunziger Jahre seine ersten Schwimmversuche unternommen. Es war eine Zeit voller Umwälzungen, nicht nur durch den Einzug der Sampler und Computer in die Schlafzimmer aller autodidaktischen Produzenten. Klaus Waldeck hat zu dieser Zeit seinen Anwaltsberuf niedergelegt, um sich ausschließlich der Musik zu widmen, gefolgt von der Labelgründung

Be My Future

Aber auch die schon erwähnten Zukunfsklänge gibt es in dieser Soundparkausgabe zu hören. Wie zum Beispiel neues von Lonely Drifter Karen, die mit ihrem gefühlvollen und abwechslungsreichen Folk-Pop-Werk "Fall To Spring" den perfekten Soundtrack für den anstehenden Frühling liefert. Oder das neue Remix-Album aus dem Hause G-Stone. "Poney - No Hassle Versions" liefert uns entspannt groovende Neubearbeitungen vom letzten Tosca Album, passend für die ersten, warmen Abende im Freien.

Außerdem präsentiern Charmant Rouge ihr kommendes Noise-Rock-Experimental-Gesamtkunstwerk "Dark Water" bei der formidablen Karate Joe Label Night am Donnerstag 25. März im brut im Künstlerhaus. Unterstützt werden sie dabei von den nicht minder großartigen Pendler. Und Apropos Live-Konzerte und Plattenpräsentationen: Das neue Album von Bunny Lake wird am Mittwoch 23. März im Wiener Flex dargeboten, weshalb diese schöne Soundparknacht auch von einer gelungenen Coverversion aus der Feder eines großen Österreichers eröffnet wird, an dem sich die Disco-Pop Amadeus Award Gewinner versucht haben. Also Anker lichten und in die Nacht segeln...

Das alles und Eure Tracks aus dem FM4 Soundpark könnt ihr in der Nacht von von Sonntag, 21. März 01:00 Uhr bis Montag, 22. März, 06:00 früh hören!

Und alle, die keine Nachteulen sind, können ab Montagmittag hier die Sendung vollständig nachhören.