Erstellt am: 20. 3. 2010 - 16:53 Uhr
Die Sterne "24/7"
Ganz neu ist das alles ja nicht, auch wenn es in dieser Kompaktheit und Klarheit doch überraschend kommt. Dass sich die Hamburger Band Die Sterne aktualisiert hat. Ein Album aka Diskussionsgrundlage geschaffen hat. Den Anlass muss man am Schopf packen, um den Überraschungseffekt zu minimalisieren, in dem man sich nochmal die letzten Alben zu Gemüte führt und entdeckt: So eine 360° Umdrehung von ihren Band-Wurzeln ist das doch gar nicht. Aufatmen. Erleichterung. Die Sterne - wir haben sie wieder.

sterne
Biestbeat
Aus dem "Schrammelrockkosmos" im "Grooverockbereich" ankommen, die Indie-Kids von ihren "Büchern aus der Ecke wegholen" und sie auf die Tanzfläche zu führen: das haben die Sterne 1997 mit der Compilation "Themenläden und alle Remixe" bewiesen und auch1999 auf "Wo Ist Hier" weitergetragen: Mit "Big In Berlin", "Ich Variiere meinen Rhythmus", "Dingeling" und nicht zu letzt: "Biestbeat" – ein fast schon gelangweilt vorgetragenes Mantra das aus dem einzigen Satz "Wir brauchen einen Beat um dieses Biest zu zerstören" besteht. Mit dem 2006 erschienenem "Räuber & Gedärm" Album war erst mal Schluss. Frank Spilker hat für sein erstes Soloalbum als "Frank Spilker Gruppe" nochmal geschrammelt und alte Texte revitalisiert. Als es an der Zeit war, mit den Bandkollegen die "Wo kommen wir her/Wo gehen wir hin?"-Fragen zu beantworten, landete man beim Münchener Neo-Disco-Label Gomma. Die Sterne haben mit Labelchef und Munk-Musiker Mathias Modica eine ersten blueprint der "neuen/alten" Sterne erarbeitet: Man trennte sich allerdings von Keyboarder Richard von der Schulenburg, der diesen Weg nicht mitgehen wollte. "Dein Pläne" und "Nach Fest Kommt Lose" wurden auf "Der Riss"-EP veröffentlicht, die sanften Geburtsvorbereitungen waren getroffen.
Sprich mit meiner Hand
Der Wiederholungstäter Frank Spilker ("Ich zähl nur was mir so einfällt...") besingt im ersten Song von "24/7" das Dilemma eines auf "unverbindlich" geschulten Du und Ichs: "Depressionen aus der Hölle" behandelt das Dilemma einer Ausgeh-Generation, die im Inneren einer Szene-Utopie gefangen ist: freiwillig oder unfreiwillig geht es um Eskapismus, Exzess. Gefangen sein zwischen Über- und Unterforderung, sich am Fluchtweg an den flexibel verschiebenden Grenzen des Erwachsenen-Seins die Knie aufschürfen. Tanzen ist erlaubt. Fluch und Segen zugleich, denn "Nach Fest Kommt Lose".
In "Die Stadt Der Reichen" kommt dann das offiziell beglaubigte Tanzbein-Instrument im Disco-Land zum Einsatz: Die Kuhglocke.
pamela Russman
FM4 präsentiert: Die Sterne Live:
21.04. Wuk/Wien
22.04. Graz/PPC
23.04. Salzburg/Arge
13.05. Dornbirn/Conrad Sohm
14.05. Innsbruck/ Weekender
Tanzt und nickt man sich dann durch all die Echogerät-Vocals, Keyboardtricks, Synthflächen und Basslinien, wird mit Track Nummer acht eine Art Katerfrühstücks-Song für den Tag danach präsentiert: "Ein Glück" Spilker an der Gitarre, die Ernsthaftigkeit wird von der Orgel unterstrichen, ein "Whiter Shade Of Pale" Moment, während Spilker singt: "Mal wieder in den Spiegel schauen und dabei nicht erschrecken, wie beim Anblick des Kontoauszugs ein Morgen ohne Wecken, in einer riesengroßen wunderschönen Wohnung wohnen und ficken - ohne Kondom." Der Rückzug ins gemachte, vertraute Bett – ein Glück.
Als letztes noch der Ruf nach dem Passwort, bevor dieses aber weitergegeben werden kann, wird noch nach Kraft verlangt. Man weiß zwar noch immer nicht, ob man im Aktiv/Passiv-Verhältnis des "24/7"-Lebens Täter oder Opfer ist, aber man fängt endlich darüber nachzudenken an. Das Album ist die Diskussionsvorlage dazu.