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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 2. 2010 - 23:42

Olympia-Log: Vancouver 2010, noch 1 Tag.

Feuer am Dach. Wie das ÖOC Österreich im Vorfeld der Spiele bewusst auf der Achse des Bösen platziert.

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Die Doping-Infos zur ARD-Doku, die Infos zur ZDF-Doku.

Es ist ja nicht so, dass die deutschen Sportverbände in Bezug auf flächendeckendes Doping Unschuldslämmer wären. Auch ganz ohne die üble DDR-Vergangenheit. Im Gegenteil.

Aber: wenn drüben in diesem Zusammenhang etwas funktioniert, dann die Kontrollgewalt der 4. Macht, einer funktionierenden Medienlandschaft. Im konkreten die öffentlich-rechtlichen Anstalten.

Und so wird seit etlicher Zeit alles, was anrüchig ist (oder gar schon stinkt) thematisiert, selbst wenn es riskant/grenzwertig ist. In Fall der Eisschnell-Läuferin Pechstein, die nur aufgrund eines Indizien-Belegs gesperrt wird (verdächtige Blutwerte) ohne jemals echt erwischt worden zu sein, dröselten die Doping-Experten der Anstalten den Fall aus jeder möglichen Perspektive auf.

Allesamt Gepflogenheiten, die in Österreich nur in Ansätzen (wer außerhalb der Kurier-Redaktion würde uns da einfallen? Niemand ist die richtige Antwort) vorhanden sind. Wer sich hierzulande mit Themen wie der Blutzentrifuge von Bernhard Kohl und Christian Hoffmann nähert, wird schon schief angeschaut und muss sich für die Unerhörtheit der Beschäftigung mit diesen Fragen schon xfach entschuldigen.

Affentanz um die Humanplasma

Nun hat sich im Vorfeld von Olympia zunächst die ARD am Montag mit der Doku Geheimsache Doping (von Star-Experten Hajo Seppelt) auseinandergesetzt und die Schwachstellen im System aufgezeigt, Mittwoch legte das ZDF mit dem dritten Teil der Doku Mission Gold nach.

Dass vor allem in der Mittwoch-Doku Österreichs Probleme mit dem Doping sich wie ein roter Faden durch die Sendung zogen, hat mit der einschlägig auffällligen Blutbank "Humanplasma" in der Wiener Alserbachstraße (ein düsterer Neubau, in dem sich auch das Institut der Jugendkulturforschung befindet - nur falls mich dort auch schon jemand einmal rausgehen gesehen hat...) zu tun.

Das ist Hauptangelpunkt in den Untersuchungen der Wiener Staatsanwaltschaft, die allerdings das Problem hat erst seit heuer Doping als strafbar betrachten zu dürfen. Weshalb man sich dort wie das FBI im Fall Al Capone bewegt und die Böeswichte über Steuerbetrug einkassieren will.

Hauptangeklagte im Prozeß, den die Turiner Staatsanwaltschaft seit 2006 vorbereitet, sind im übrigen 5 ÖSV-Verantwortliche (neben den suspendierten Coaches Mayer und Hoch sind das der ehemalige Langlauf-Verantwortliche Gandler, der Teamarzt Baumgartl und auch der Präsident Schröcksnadel). Ihnen wird vorgeworfen die Vorkommnisse in Turin (hier eine Chronologie der Ereignisse) zu verantworten und die Umgehungen ermöglicht zu haben.

Die präsidialen Onkels und das gebrochene Versprechen

Dass man dies aus deutschen Medien-Berichten erfährt, ist symptomatisch: in Österreich druckst man sich damit unter einem Mantel des Schweigens herum.

Österreichs internationales Bild vervollständigte sich durch eine peinliche Flucht des ÖSV-Präsidenten vor den deutschen TV-Kameras und durch einen Sager des ÖOC-Präsidenten, der seinesgleichen sucht. Karl Stoss nämlich wich der Frage nach der Problematik um Blutbanken und das Turiner Erbe mit dem Hinweis aus, dass doch wohl auch deutsche Sportler bei der Humanplasma ein- und ausgegangen wären. Namen wollte er allerdings keine nennen - was ihm jetzt eine offizielle Anfrage des IOC und jede Menge Beef einbringt.

Das alles ist ganz interessant.
Denn einerseits sind die Österreicher, die dort gesehen wurden, allesamt eigentlich unschuldig (und wer Gegenteiliges annimmt, bekommt die strengen Blicke der präsidialen Onkels) - die Deutschen allerdings, eieiei!

Da paßt auch das unsensible Vorgehen der österreichischen Delegation ins Bild.
Nach dem Turiner Skandal versprach das ÖOC hoch und heilig bei den nächsten Spielen so wie alle anderen im olympischen Dorf zu nächtigen. Weil ja die abseits der offiziellen Stätten angemieteten Extra-Häuser (wie das in dem 2006 die Razzia stattfand) automatisch den Ruch der Geheimniskrämerei der Marke Doping-Höhle nach sich zieht. Das IOC hörte das gern.

Flucht ins Horst

Und nun ignoriert das ÖOC sein altes Versprechen und läßt etwa die Springer in einem eigenen Quartier unterschlüpfen, das man dann auch noch medienwirksam als süßes "Horst" verkauft. Nicht dass die ansatzweise verdächtig wären, im Gegenteil - aber diese unsensible Vorgangsweise zeigt, dass die Verantwortlichen nichts gelernt haben. Dass unter Österreichs Sport-Verantwortlichen (samt den eingebetteten Medienvertretern) niemand begriffen hat, wie sehr da Feuer am Dach ist.

Wer sich so gar nicht um das kümmert, was rüberkommt, wenn einer, der einmal erwischt wurde, sich wieder verdächtig absondert, der wird zurecht auf der Achse des Bösen geführt, gleich neben Russland und China, den anderen Unbelehrbaren.

Im übrigen werden ARD und ZDF ihre Doping-Berichterstattung auch in Vancouver fortführen.
Österreichische Konsumenten müssen sich - und das auch nur dann, wenn sonst nix los ist - alle paar Tage mit einem entsprechenden Kurier-Kommentar zufriedengeben.