Erstellt am: 31. 1. 2010 - 13:21 Uhr
Trockeneisnebel vs. Lagerfeuer

Sekuler & Blake
Assoziationen sind etwas Wunderbares und überaus Menschliches. Ich erinnere mich immer wieder an ein Buch, das mir einer meiner Sprachwissenschaftsprofessoren mit Augenzwinkern in die Hände gedrück hat. "Star Trek On The Brain: Alien Minds, Human Minds" von Robert Sekuler und Randolph Blake. Darin werden grundlegende Funktionen des menschlichen Gehirns erklärt und mit Szenen aus Star Trek verquickt. Der menschliche Geist wird sozusagen durch Abgrenzung gegenüber dem außerirdischen definiert. Im Gegensatz zum Androiden Data kann zum Beispiel ein Mensch in die Nebel jeglicher Universen blicken und sein Verstand wird im Laufe der Zeit glauben, darin ein Muster oder Bild zu erkennen. Ebenso ist die Bildung von Assoziationen, zwei ursprünglich nicht miteinander verbundene, psychische Werte, die von uns kombiniert werden, eine spannende Sache des menschlichen Gehirns.
Was Musik betrifft, so scheint sie eine große Benzinlache zu sein, die durch ein einzelnes, glimmendes Streichholz entzunden werden kann, um in einem Feuerwerk der Assoziationen aufzugehen. In den fünf Stunden der heutigen Ausgabe der FM4 Soundparknach gibt es viele dieser hochentzündbaren, musikalischen Seen.
Musik als Herzschrittmacher
Als ich vor einigen Wochen das neue Madita Album gehört habe, kamen mir sofort unzählige Assoziationen, die sich meist im Science Fiction Bereich verorten ließen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass die erste Single des Albums "E.T." mein Hirn schon auf die Fährte von extraterrestrischem Leben schickt hat. Andererseits lassen sich die im Kopf entstandenen Zukunftsbilder auch durch den neuen Sound erklären.

Madita
Denn diesmal haben die Wiener Schauspielerin und Sängerin und ihr Produzent Vlado dZihan voll und ganz ihrer Liebe zu den achtziger Jahren freien Lauf gelassen. Die synthetische Snare, die dumpfen Schläge einer Drummachine, die schrillen, zischelnden Synthieklänge, das alles wirkt im Gegensatz zu den jazzigen, loungigen Songs der Vorgängeralben sehr unterkühlt und frönt den Zeiten, als Discos noch ausschließlich von Trockeneisnebel und synthetischen Melodien heimgesucht wurden. Die organischen Soundlandschaften sind gewichen, die Maschinen scheinen die Klangmacht übernommen zu haben. Da wundert es mich eigentlich nicht, dass bei einem langsamen, düsteren und trotzdem berührenden Track wie "Til' I" mir Snake Plissken alias "Die Klapperschlange" in den Kopf schießt, der begleitet von den 80iger Jahre Sounds des Regisseurs und Filmmusikkomponist John Carpenter versucht, den amerikanischen Präsidenten vor wüsten, zombieartigen, verseuchten Lebewesen zu retten.

Madita/Couch Records
Allerdings ist es zu kurzsichtig, würde man das dritte Studioalbum "Pacemaker" allein auf diese Soundreferenzen und Assoziationen reduzieren. Es erfordert nämlich Mut, als auch eine gewisse Freiheit im Kopf, um so einen neuen Weg zu gehen. Sich zu bewahren, kantig, provokant und durchaus spaltend zu sein, ist eine Anstrengung, die nicht unbedingt alle MusikerInnen gehen möchten. Vor allem in einer kleinen Szene wie Österreich, der aufgrund von Genrepolizisten immer noch ein bisschen der Ruf des "voreiligen Gehorsams" anhaftet. Man kann von den Songs halten, was man will, man kann auch den Sound verstörend oder unpassend finden, aber man kann Madita auf keinen Fall vorhalten, sich nicht weiter entwickelt und Neues ausprobiert zu haben. Vielleicht wird das Album auch verständlicher, wenn sich Madita trotz grippalem Infekt und geschwächtem Immunsystem bereitwillig tiefschürfenden Fragen in einer ausführlichen Listening Session stellt.
Arbeitsethik am Lagerfreuer
Ich weiß, es ist ein überholtes und dummes Klischee, akustische Musik gleich mit knacksendem, knisterndem Feuer in Verbindung zu brigen, egal ob es im Kamin oder von der Pfadfindergruppe auf einer Waldlichtung des Nächtens entzunden wird. Aber so verhält es sich leider mit ungewollten, neuralen Verknüpfungen, die sich durch premanente Wiederholung unentwegt stabilisieren. Insofern ruft auch die Bezeichnung Folk Music einige klassische Bilder hervor, die ich hier jetzt nicht ausführen möchte, um den reproduzierenden Kreislauf zu unterbrechen. Trotzdem ist die Nennung dieses Genres unausweichlich, wenn man sich mit der Band Protestant Work Ethic auseinandersetzt.

Protestant Work Ethik
Eigentlich ist es das Soloprojekt von Simon Usaty, das mit der Zeit zu einem gut eingespielten Kollektiv angewachsen ist. Die mittlerweile zweite Platte "The Jar and Shock" ist somit zu einer Hälfte Band- und zur anderen Hälfte Singer/Songwriter-Album. Die wundervollen, swingenden, melancholischen, hoffnungsvollen und balladesken Songs hat Simon alleine geschrieben, getextet und anschließend mit befreundeten Musikern umgesetzt. Das Ergebnis ist ein höchst professionelles und gelungenes Werk, das zwar sofort an die Bright Eyes erinnert, ihnen aber um nichts nachsteht. Geschickt verstrickt Simon akustisches Gitarrenpicking mit Banjo und Ukulele, wobei manche Songs sogar nur mit einer Slide-Guitar, Stimme und einem Tambourine auskommen. Vor allem der Gesang überzeugt vom ersten Ton des Openers "Softer Waves" an und zieht sich ohne Schwächen bis zum Ende von "The Jar and Shock". Erschienen ist das Album übrigens auf dem Label Valeot Records., aber mehr darüber soll uns Simon Usaty selbst erzählen.
Musikgeschichtliche Zeitreise

Christopher Müller
Auch in diesem Jahr setzte ich die Mixserie "Back To My 90ies" fort, in der FM4 Mitarbeiter, Musiker, Produzenten und DJs aus Österreich ihre Lieblingsplatten der neunziger Jahre vorstellen. Diesmal ist Produzent, Musiker bei dZihan&Kamien und Couch Records Gründer Vlado dZihan an der Reihe. Seit mehr als zwanzig Jahren gestaltet der in Sarajevo aufgewachsene Musikliebhaber die heimische Szene mit. So sind auch seine ausgesuchten Tracks jene, die ihn Anfang der Neunziger fasziniert und inspiriert haben, mit denen er einen starken Konnex zur österreichischen Musik entwickeln konnte. Vlado dZihan ist ein scharfer Analytiker, der sich nicht nur um die eigene, engere Szene gedanken macht, sondern vor allem in den letzten Jahren vermehrt das Bedürfniss hat, in Österreich etwas zu bewegen. Darüberhinaus ist er ein spannender und gewitzter Erzähler, wenn es um die historischen Anfänge des Vienna Sounds geht. Auch ohne Musik hätten wir wohl eine ganze Stunde mit diesen Themen füllen können. Übrigens gab es auch bei diesem Gespräch interessante Assoziationen, wie eine Straßenbahn auf der Mariahilferstrasse oder Twin Peaks.
artist | song | |
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Count Basic | Donau Experience (dZihan Remix) | |
MC Sultan | Der Bauch | |
Kruder & Dorfmeister | Original Bedroom Rockers | |
MC Sultan | Josiane | |
Count Basic | Licence To Kill (dZihan Remix) | |
Eden | Mavis | |
Count Basic | Speechless (K&D Remix) | |
Aromabar | Where Is My Moon | |
dZihan & Kamien | Homebase |
Liebesbeweis auf der Bühne

christian stipkovits
In den beginnenden Morgenstunden werden wir eine weitere Zeitreise unternehmen, jedoch reicht diese nur acht Tage zurück, als bei rund minus 12 Grad tausende Menschen froren. Allerdings aus freien Stücken. Schließlich feierte FM4 sein Geburtstagsfest wie immer Open Air in der Wiener Arena. Aber es gab auch Plätzchen der Wärme, nicht nur im physischen, sondern auch im musikalischen Sinn. Die burgenländischen Indielyriker Garish präsentierten Auszüge aus ihrem neuen Album "Wenn dir das meine Liebe nicht beweist", das Mitte Februar auf Schönwetter Schallplatten erscheinen wird. Leider habe ich aufgrund von Arbeit bis ein Uhr nachts so ziemlich alle Konzerte versäumt, allerdings haben mich allein schon die Worte von Susi Ondrusova davon überzeugt, dass es ein großartiges Konzert gewesen sein muss. Alle, die den Garish Gig auch verpasst haben, können das Live-Set mit mir entspannt in der warmen Stube nachhören.
artist | song | |
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Garish | Den Idioten Zum Beweis | |
Garish | Im Ãrmel Meiner Linken Hand | |
Garish | Spuk | |
Garish | Die Perspektive | |
Garish | Draussen Fischt Im Eis | |
Garish | Wir Warten | |
Garish | Eisenherz | |
Garish | Dann Fass Ich Mir Ein Herz |
Monatslorbeeren

Dust Covered Carpet
Schon im November hatte ich das Gefühl, 2010 wird ein gutes Jahr für österreichsiche Musik. Und bereits jetzt gibt es genug Bands, die gefeiert werden wollen. Im Jänner haben wir unsere Auszeichnung Soundpark Band des Monats an die charmanten Over at the Stars vergeben. Im Februar geht der musikalische Lorbeerkranz an das "Action Folk Kollektiv" mit Namen Dust Covered Carpet. Ohne jetzt schon zuviel vorwegnhemen zu wollen, ist eines der markantesten Merkmale der Band der euphorische Chorgesang, der den Songs viel Energie liefert. Vertrakte Arrangements mit zuckersüßen Xylophonmelodien und tragisch-epischen Gefühlsausbrüchen machen diese Band zu einem spannenden Hörerlebnis. Ihr neues Album "A Cloud, Pushed & Squeezed" wird am 03. Febuar auf Beat Is Murder veröffentlicht und am selben Tag live im Chelsea Wien präesntiert. Alexandra Augustin hat die Band vorab ins FM4 Soundparkstudio zu einer Listening Session eingeladen.
Also: Nicht veräumen!
Der FM4 Soundpark startet in der Nacht von Sonntag 31.01. auf Montag 01.02. um 01:00 Uhr und läuft bis 06:00 Uhr früh und kann hier eine Woche lang nachgehört werden.
Fahrplan durch die Sendung:
- 01:00 bis ca. 01:30 Uhr: Neue Songs aus Österreich
- 01:30 bis ca. 02:20 Uhr: Madita Album Listening Session
- 02:20 bis ca. 02:40 Uhr: Neues aus dem FM4 Soundpark
- 02:40 bis ca. 03:15 Uhr: Listening Session mit Protestant Work Ethic
- 03:15 bis ca. 04:25 Uhr: Der "Back To My 90ies Mix" von Vlado dZihan
- 04:25 bis ca. 05:05 Uhr: Garish Live @ FM4 Geburtstagsfest Arena Wien
- 05:05 bis ca. 06:00 Uhr: Soundpark Band des Monats Dust Covered Carpet im Interview mit Alexandra Augustin