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Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

8. 1. 2010 - 15:41

Geschlossene Abteilung

Ein Jugendzimmer über Erfahrungen mit/in der Psychiatrie. Heute, 8. Jänner, ab 19 Uhr.

Vorgestern ruft mich Jasmin an. Sie hat einen dreiwöchigen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie in Graz hinter sich. Gestern ist sie vor die Tür gesetzt worden. Sie habe eine Ärztin bei der Polizei angezeigt, erzählt Jasmin. Wegen ungenügender Hilfeleistung bei einem Mädchen, das sich die Pulsadern aufgeschnitten hat. Die Klinik habe befunden, dass es unter diesen Umständen besser sei, sich von Jasmin als Patientin zu trennen. Ich kenne Jasmin. Wir haben vor einigen Jahren schon einmal eine Jugendzimmersendung gemeinsam gemacht. Jasmin kam 2002 von einer langen Reise durch Südamerika zurück. Seither leidet sie an einer bipolaren Störung, sie ist manisch-depressiv.

Das Telefonat gestern war kurz und klar. Wie steht es um die Zustände in den geschlossenen psychiatrischen Abteilungen unseres Landes? Darüber muss öffentlich diskutiert werden. Jasmin will erzählen. Sie will nicht anklagen. Sie will, dass sich die Umstände ändern. Deshalb kommt sie heute in die Sendung.

Kritische Aussagen

Im März 2009 kommen ein isländischer und ein französischer Psychiater, sowie zwei Juristinnen, ein Jurist und zwei Dolmetscher unangemeldet zu Besuch an die Sigmund-Freud-Klinik in Graz. Die Gäste sind ein Team der Folterkommission des Europarates. Drei Tage lang überprüfen die ExpertInnen die geschlossenen Bereiche der Klinik, unter großem Aufsehen der Ärzteschaft. Es handelt sich um eine periodische Begutachtung, wie sie europaweit in Psychiatrien durchgeführt wird, heißt es. Die Beurteilung fällt positiv aus, was die medikamentösen Therapien und die Kooperationsbereitschaft der Verantwortlichen bei der laufenden Untersuchung betrifft. Kritische Aussagen erfolgen vor allem zur Unterbringung in sogenannten Schutzbetten.
Das Fixieren von Patienten ist nach wie vor Alltag in der stationären Psychiatrie.

Misstände in Wiener Psychiatrie

Die anonymen Vorwürfe einer Pflegerin, die über die Vernachlässigung von hilfsbedürftigen Patienten erzählte, die wie Tiere in Käfigen gehalten würden und stundenlang in ihren Exkrementen liegen müssen, hat im letzten Jahr zu einem Untersuchungsausschuss geführt, der die Missstände in der Wiener Psychiatrie zum Thema hatte. Ein Jahr lang wurde untersucht, die Horrormeldungen wurden nicht bestätigt, die Probleme gibt es trotzdem. Aber sie finden hinter verschlossenen Türen statt und betreffen Menschen, die sich entweder in einer Ausnahmesituation befinden oder deren Meinung immer weniger zählen wird, als die eines Arztes oder einer Ärztin.

Ein Jugendzimmer über Erfahrungen mit/in der Psychiatrie, heute, 8. Jänner 2010 um 19 Uhr.