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Martin Pieper

radio FM4

Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

3. 12. 2009 - 16:41

Die Pet Shop Boys in der Pixel-Disco

Weihnachten feiern mit den Pet Shop Boy: Die Pandemonium-Tour hat im Gasometer Halt gemacht.

Das Eckige musste am Mittwoch ausnahmsweise ins Runde. Verkehrte Welt, aber die Pet Shop Boys, haben ihre aktuelle Tour optisch ganz dem Würfel, dem Raster, dem Pixel gewidmet. Der rundlichen Gasometer-Halle hat das offenbar nicht ganz so getaugt, und vielleicht war es der Geist dieser verunglückten Architektur, der versucht hat, die bunte Feierlaune mittels grottenschlechten Sound zu sabotieren. Vielleicht war es auch die konsequente Verweigerung alles "echten", "handgemachten" und dem was man gemeinhin als "Rock-Konzert" bezeichnet, dass die Halle so geärgert hat. Den zahlreich erschienen Pet-Heads war's egal, die hatten ihren Spaß und die Singles der Pet Shop Boys sind mit ihren schneidigen Euro-Dance Hooks selbst dann noch zu erkennen, wenn Neil Tennant mit einem Wattebausch im Mund singen würde.

Pet Shop Boys

APA/HERBERT P. OCZERET

Neil Tennant als Elton John. Die Sonnenbrille hat er später noch abgenommen.

Chris Lowe, "Keyboarder" der Pet Shop Boys, stand auch bei diesem Konzert die meiste Zeit schweigend hinter seiner unsichtbaren Gerätschaft, zeigte aber, dass man auch eine gewagte Kreuzung aus Bomberjacke und Discokugel oder einen selten dämlichen Federhut mit Würde tragen kann. Neil Tennant gibt den Master of Ceremony gewohnt souverän und lässt sich auch von den vier ständig herumwuselnden Tänzerinnen und Tänzern nicht beunruhigen. Ja, die beiden sind ältere Herren, mit Hang zum Haarproblem, aber sie haben immer noch ein untrügliches Gespür für die Grenze zwischen Pop und Leben, Geschmacklosigkeit und Camp-Sensibilty.

Aus der Wikipedia: "Doozers actually want the Fraggles to eat their constructions because "architecture's supposed to be enjoyed". Ein Motto, das, auf Musik angewandt, auch gut zu den Pet Shop Boys passen würde.

Das Bühnenbild besteht aus weißen Würfeln, böse Zungen würden auch Umzugskartons dazu sagen, die in ständig neuen Formationen als Podeste und Projektionsflächen dienen. Ab und zu kommen Männer in weißen Mänteln mit Bauarbeiterhelmen auf die Bühne um Umbauten vorzunehmen. Die erinnern mich ein bisschen an die Doozers, die kleinen Baumeister bei den Fraggles.

Ästhetik und Leben

Die bunten aber schlichten Kostüme (rot/grün/gelb/blau) nebst würfeligen Kopfumhüllungen sind zwischen den Bauhausvisionen von geometrischen Körpern, Andy Warhols Brilloboxen und brilliantem Unsinn angesiedelt. Die Assoziationen springen von Daft Punks Around The World Video zu den Bildern von Gilbert und George, von Gerhard Richters Farbtafeln zu etwas altbackenen "modern dance"-Choreografien. Die Pandemonium Tour bietet jedenfalls ästhetische Überspanntheit auf höchstem Niveau, selbst wenn man an manchem Detail erkennen kann, dass - für PSB Verhältnisse - hie und da mit dem Sparstift in der Hand konzipiert wurde. Mit den Cyber-Soul-Identitätskonstruktionen aktueller R'n'B Revuen Marke Rihanna können sie im Sinne des Futurismus und der Geldverschwendung nicht mehr ganz mithalten. Und im Gegensatz zu den Altersgenossen von Depeche Mode sind ihnen Jesusposen fremd, den Sprung zu Stadion-Rock-Ikonen haben die PSB nie angestrebt.

Pet Shop Boys

APA/HERBERT P. OCZERET

Neil Tennant fühlt den He-He-Heartbeat, einen Song, den Madonna anno dazumal abgelehnt hat. Zur Strafe muss sie bis ins hohe Alter ins Fitness-Center

Greatest Hits

Würden die Pet Shop Boys alle ihre Singles spielen, würde das Konzert wohl mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Und das aktuelle Album "Yes" will ja auch gespielt werden, denn die pure 80er Jahre Nostalgie ist ihre Sache nicht. Allerdings: das Mainstream-Publikum, dass ihnen immerhin den Konfetti-Regen, die Schneekanonen und die Karl Lagerfeld Sonnenbrillen finanziert hat, will unterhalten werden. Die Lösung des Problems: das Medley. Pandemonium geht über in Can You Forgive Her. Domino Dancing wird textlich angeteast und mit "Viva La Vida" (ja, das von Coldplay) zusammen gespannt. Sogar "Closer To Heaven", der Song aus ihrem missglückten Versuch eines echtes West-End Musicals wird kurz zitiert. Dazwischen natürlich die Pracht von "It´s a Sin", "Suburbia", "New York City Boy" oder "What Have I Done To Deserve This". Dem puren Populismus wird auch mit einem "Balladenblock" Einhalt geboten. Mit "Do I Have To?" "King's Cross" "The way it used to be" konnten wohl nur die Hardcore-Fans so wirklich viel anfangen. Spätestens bei der ersten Zugabe "Being Boring", dem melancholischen Abgesang auf die Versprechungen der Jugend samt subtextlichen Anspielungen auf die Aids-Krise der 80er Jahre, fließt die eine oder andere Träne. Und ganz zum Schluss wird noch einmal groß aufgedreht: Künstlicher Schnee rieselt von der Bühnendecke, Christbäume tanzen über die Bühne, und Neil Tennant singt "It doesn’t often snow at Christmas", eine fiktive Christmas Number One, die wohl maximal auf Platz 49 der Charts landen wird.