Erstellt am: 6. 10. 2009 - 17:45 Uhr
Freiraum statt Leere
Wenn man beim Online-Stadtplan der Stadt Wien 'Triesterstraße 114" eingibt, dann wird diese Adresse als Schule und Kindergarten ausgewiesen. Tatsächlich steht das vierstöckige Backsteingebäude am Stadtrand von Wien seit zwei Jahren leer (abgesehen von der Zeit zur EM 08 als es als Polizeistandort diente). Das hat an die 40 HausbesetzerInnen auf den Plan gerufen, die dort letzten Freitag eingezogen sind, um ein Exempel zu statuieren.
"In Wien stehen über 80.000 Wohnungen leer. Und die Stadt Wien kümmert sich überhaupt nicht darum, dass es Raum gibt, wo etwas entstehen kann und deshalb nehmen wir uns den Raum, um unsere Projekte umzusetzen"‚ erklärt eine der HausbesetzerInnen. Die AktivistInnen – sie nennen sich selbst "Gruppe Hausprojekt" - wollen das ungenutzte Gebäude der Stadt Wien als offenen Wohn- und Veranstaltungsraum beleben. Zurzeit bieten die BesetzerInnen eine Aktionswoche im Haus, wo jede/r willkommen ist: Workshops, Filmvorführungen, Diskussionen, Feiern, Essen, eine Ausstellung und vieles mehr. Man zeigt, was langfristig möglich wäre. Die AktivistInnen wollen es als ein selbstverwaltetes Haus ohne Subvention herrichten und mit offenen Werkstätten, Bibliothek, Kindergarten, Workshops, Kostnixladen, Cafe, Frauenraum, Wohngruppen und mehr versehen. Ein herrschaftsfreier oder herrschaftskritischer, nichkommerzieller Raum als Alternative zur kapitalistischen Ordnung ist das Ziel.

Radio FM4 / Claus Pirschner
Luxus für alle?
Wie ist das an der Hausfassade angebrachte Transparent "Luxus für Alle" zu verstehen? Eine Hausbesetzerin: "Mit Luxus sind nicht Riesenjachten oder ähnliches gemeint, sondern es ist eine Anspielung darauf, dass Reichtum sehr ungleich verteilt ist." Eine andere Aktivistin ergänzt: "Alles mögliche, was mit Musik und Kunst und vielem anderen zu tun hat, ist für viele eine Sache, die sie sich nicht leisten können. Oder wer kann sich in Wien einen Garten leisten? Auch Kinderbetreuung ist eine Sache, wo wir versuchen, uns hier gemeinsam darum zu kümmern – das ist ja auch ein Luxus für viele!"

Radio FM4 / Claus Pirschner

Radio FM4 / Claus Pirschner
Schulbesuch
Diese Woche haben SchülerInnen und Leiterin der alternativen Gesamtschule aus dem Wiener WUK das besetzte Haus besucht. Das Werkstätten und Kulturhaus ist in der Hochblüte der Besetzerzeit - Anfang der 80er Jahre - entstanden. Das WUK hatte auch bis 2007 in den Räumlichkeiten der Triesterstraße 114 Schulungen abgehalten. Diese wurden aber vom AMS einem günstigeren Anbieter übertragen und nun steht das Gebäude leer. WUK-Schulleiterin Claudia Gerhartl: "Wir fühlen uns mit dem Haus und den Gruppen hier solidarisch. Wir haben selber überlegt, das Haus zu besetzen und die Schule hierher zu übersiedeln. Wir haben uns aber nicht getraut. Wir waren zuwenige. Eine gute Idee, dass das nun andere machen."
Politische Kontroverse und Duldung bis Freitag

Radio FM4 / Claus Pirschner
Während die ÖVP Favoriten eine schnelle Räumung fordert, vor einem zweiten EKH – das sich auch in Favoriten befindet - warnt und die Aktion als einen Affront gegenüber Mietezahlern in der Stadt sieht, duldet die rote Stadtregierung die aktuelle Aktionswoche im Haus - mehr aber auch nicht. Für 2010 ist der Umbau in eine Polizeidienststelle geplant, die Hausbesetzung werde nicht zum Dauerzustand, heißt es aus dem Büro des Wohnbaustadtrates. Die letzte erfolgreiche Hausbesetzung gab es vor zwei Jahren, als eine Gruppe von Punks nach mehreren Besetzungen von der Stadt Wien ein Haus zur Verfügung gestellt bekam.