Erstellt am: 6. 10. 2009 - 11:14 Uhr
Neues Album: "Threadbare"
Welch gelungener Abend das FM4-Überraschungskonzert mit Port O´Brien im Oktober letzten Jahres in Ost-Club in Wien war. Knackevoll war der Konzertraum, den Cambria Goodwin, Van Pierszalowski und Co damals bespielten. Mir blieb nur übrig, mich auf die Zehenspitzen zu stellen und von ganz hinten einen Blick auf die herrlich scheppernde Indierock-Partie aus den USA zu erhaschen. Port O´Brien waren in good spirits - ihr Album "All We Could Do Was Sing" war gerade in aller Alternative-Pop-Munde.

Band
"Threadbare" von Port O´Brien ist bei City Slang erschienen. Die Band spielt am 5. Dezember im Flex in Wien.
Tausende Interviews mussten gegeben werden, wie es zur Band kam, zu diesem Sound, der mal ramshackle war und mal das Musicianship von Neil Young und seiner Begleitband Crazy Horse zeigte. Wie das nun genau war mit der dreimonatigen Arbeit pro Jahr auf einem Lachsfangschiff nahe der Kodiak-Insel in Alaska. Van musste sie immer und immer wiederholen, die Story von der harten Arbeit auf dem Fischfangschiff seines Vaters, auf dem er für ein paar Monate Arbeit im Jahr soviel Geld verdiente, dass er sich den Rest des Jahres zuhause nahe San Francisco erlauben konnte, an seinen Songs zu werken und Konzerte zu spielen.
Wir konnten sie nicht oft genug lesen, die Geschichten dieses toughen jungen fisherman mit dem blonden Haar und den kleinen Wind- und Wetter-Fältchen im Gesicht. Wir konnten sie nicht oft genug hören, die Geschichten seiner Freundin Cambria, die nach dem kalifornischen Ort Cambria benannt wurde, von schneewittchenhafter Schönheit ist und ihrem Mann hinauf in die nordamerikanische Wildnis folgte: während er auf dem Fangschiff einer nicht ungefährlichen Tätigkeit nachging, war sie Chef-Bäckerin in der Fabrik, die sich der frischen Meerestiere annahm und sie für den Export herrichtete.

Band
All die Arbeiter und Arbeiterinnen mussten schließlich mit frischen Backwaren versorgt werden. Dieses Mädchen namens Cambria buk sie, jede Nacht. Es war die Story von zwei jungen Leuten namens Cambria und Van, eine romantische Liebesgeschichte unter den hellen Sternen der Arktis. Das Album "All We Could Do Was Sing" handelte von den Lebensumständen der beiden, und sie trugen dieses Album hinaus in die Welt, zuerst zu uns nach Europa, wo wir begierig ihrer Geschichte lauschten, die sensible Seite ihrer Musik liebten und die das Leben umarmende Facette ihrer Songs so mochten.
Was für ein Abend dieses FM4-Überraschungskonzert also war, und dann kam die komplette Band nach der Show zum DJ-Pult, an dem meine Wenigkeit stand, und tanzte sich die Seele aus dem Leib. "Do you have some Motown?" Ja, ich hatte, oder das, was ich als das empfand, was "some Motown" am nächsten kommen könnte: "Valerie" von Amy Winehouse und Mark Ronson. Ich spielte es a thousand times, and they partied like there was no morning. Port O´Brien waren genau in dieser Phase, die jede erfolgreiche Band durchläuft: Dieses "Hey, we´re starting to make it. Es gibt ein Publikum für uns, jemanden, der unsere Songs hören möchte." Eine Art High, einen Zustand der Hochstimmung, wie ihn eine Band so nur einmal erleben kann.
Dass ein Jahr später aber nichts mehr so sein würde bei Port O´Brien, wie es einmal war, damit hätte ich damals nicht gerechnet. Es war Anfang Jänner 2009, ein Sonntagmorgen in Cambria, der nordkalifornischen Kleinstadt: Ein Auto fährt bei roter Ampel über die Kreuzung, Highway 1 und Burton Road, stößt mit einem von der Seite kommenden Lastwagen zusammen. Der Fahrer des Lastwagens ist nur leicht verletzt, die beiden Insassen des Autos aber sind tot. Der Schüler Darac Goodwin, 17, war bei dem Zusammenprall auf dem Beifahrersitz des Autos gestorben. Später wird gemeldet, der ebenfalls getötete Fahrer, ein 19jähriger Freund von Darac, war alkoholisiert und hatte Marijuana geraucht. Dass in Goodwin viel "underage drinking" praktiziert und viel "pot" geraucht würde von den Kids, hätten alle gewusst, hieß es in Internetforen zum Tod der beiden jungen Männer. Streitigkeiten, dass einer der beiden, der Beifahrer, nun das Opfer sei, und der andere, der Fahrer, der Täter, wurde diskutiert. Cambria Goodwin, die ältere Schwester des tödlich verunglückten jungen Darac Goodwin, war zu dieser Zeit im Studio mit Van Pierszalowski und anderen von Port O´Brien, um das zweite Album einzuspielen, den Nachfolger zu "All We Could Do Was Sing", das der Band soviel Glück gebracht hatte. Sie waren im Studio von Jason Quever von der Indierockband Band Papercuts, in San Francisco. Zu Jason geht man, wenn man in der kalifornischen Bay Area einen guten Studiomann sucht. Was nun weiter tun, in this moment of devastation?
Port O´Brien machten schließlich mit Jason Quever im eher intimen Studio-Rahmen weiter und gingen erst später, als sie sich dazu bereit(er) fühlten, hinunter nach L.A. in ein
Aufnahmestudio, um weitere Songs einzuspielen. Das neue Album "Threadbare" kann also in zwei Arten von Songs aufgeteilt werden, zuerst den tiefmelancholischen, traurigen, und dann den im Angesicht der Tragik erst recht das Leben-packen-wollenden. Insgesamt sind Port O´Brien auf dem neuen Album grundsätzlich noch immer Port O´Brien, der Tod von Cambrias Bruder ist aber klarerweise nicht spurlos an ihnen und "Threadbare" vorbeigegangen: "(Darkness) - von Cambria gesungen - ist etwa so düster wie der Songtitel selbst, oder der Titelsong ebenfalls von Cambria gesungen, verarbeitet den Tod von Darac Goodwin direkt: "I will sit and wait for you to turn up…"
Threadbare
"Threadbare" heiß so viel wie "zerschlissen", "abgetragen". Waren zuerst nur die Arbeits-Kleider von Van und Cambria abgetragen, die Arbeitskleider von Schiff und Bäckerei, und dann die Band-Arbeitskleider vom vielen Touren, nach dem Tod von Darac Goodwin fühlte man sich mehr als ein wenig zerschlissen. Die Kleider sowieso, die Seele noch viel mehr. Die Alaska-Fischfang-Salzwasser-Themen sind nun in den Hintergrund getreten, einzig auf "Next Season" heißt es: "You will sleep through the snow, wake to find...a plane flew down south." California coming, finally.
In einem Interview sagte Van Pierszalowski einmal, er wolle nicht, dass sich Port O´Brien eventuell langsam den Sound einer Pubrock Band aneignen oder zu einer Neil Young/Crazy Horse Tribute Band werden. Nein, allein schon Cambrias Parts auf dem neuen Album stehen dieser "Gefahr" im Weg. Dass es aber gerade der Tod von Cambrias kleinem Bruder sein musste, der diese potentielle "Gefahr" bannte, war ein Preis, den zu zahlen allerdings Bitterkeit hervorruft - und einen hadern lässt: God, it´s me, Eva: Why did you do that? Um Port O´Brien zu zwingen, ihr volles künstlerisches Potential zu entfalten?
Port O´Brien befinden sich gerade auf US-Tour und spielten im August auch beim FM4-Frequency in St Pölten. Wie die neuen Songs zusammen mit den alten ein Ganzes ergeben, und wie die Band mit ihrem Schicksalsschlag weiter umgeht, wird sich langsam herauskristallisieren. Vom letzten Band-Lineup sind nur noch Cambria, Van und Ryan übrig, dafür sitzt jetzt Tyson Vogel, eine Hälfte der - pausierenden - Two Gallants aus San Francisco, am Schlagzeug.