Erstellt am: 30. 9. 2009 - 17:10 Uhr
Welcome to Epcot Starfields
Matthew Thomas Dillon alias Windmill kann sich noch genau erinnern.

Dagmar Brugger
An unser Gespräch vor über zwei Jahren, anlässlich seines Debüts Puddle City Racing Lights, in dem er mich am Ende eingeladen hat, bei seinem Live-Auftritt mitzusingen. Getraut habe ich mich, als es so weit war, leider nicht. Ebenso in seiner Erinnerung geblieben ist unser weihnachtlicher Rundgang durch Wien im selben Jahr, bei dem der smell of horse shit in seine Nase stieg, während er und sein Bassist Tommy auf einer Ukulele japanischen Touristen vor dem Steffl "Tokyo Moon" vorspielten.
Um Erinnerungen dreht sich auch das zweiten Windmill Album "Epcot Starfields". Darauf wird ein Familienausflug zur großen, philosophischen Sinnfrage und zum Plädoyer für Humanität.
Das kleine Keyboard
Matt Dillon hat zwölf Jahre lang für sich allein in seinem Kämmerchen Songs geschrieben, bis er sich endlich getraut hat, sie jemanden vorzuspielen. Man könnte dem jungen Engländer also einen gewissen Hang zum Selbstzweifel attestieren, der gepaart mit seiner melancholischen Ader durchaus ins Pathologische rutschen könnte. Doch genau in diesen Momenten schlägt bei Matt die humoristische Ader durch. Deshalb ist es schwer, ihn im Verlauf des Interviews auf die ernsteren Themen hinzuführen.
"Lass uns einfach nur herumblödeln", meint Matt. Sein schelmisches Lachen wird durch die schlechte Telefonleitung digital zerhackt. So muss ich ihn nicht nur immer wieder bitten, ernster über seine Platte zu reden, sondern auch weiter nach draußen zu gehen, denn in seinem kleinen Domizil ist kein guter Empfang. Genau in diesem winzigen Zimmer, in das kein Sendemast Londons Eintritt erhält, hat Matt Dillon sein zweites Album komponiert.

Helen Page
Matt: "Die Art und Weise, wie ich das Album aufgenommen habe, war schwierig. Wir leben in einer sehr kleinen Wohnung. Mein Equipment war ein einzelnes kleines Keyboard. Und das ist nicht mal ein gutes. Schwierig war auch das Cello aufzunehmen. Denn meine Wohnungskollegen haben nebenan in der Küche Tee gekocht und durch den Lärm unsere Aufnahmesession immer wieder unterbrochen. Es war auch schwierig Geld für Essen aufzutreiben, während ich in den Aufnahmen steckte. Ich kann mich also an nichts Einfaches erinnern, wenn es darum geht, dieses Album aufzunehmen."
Und trotzdem klingen die Songs von "Epcot Starfields" leicht und luftig. Fast so, als würden all die Klavierlinien, die synthetischen Streicher und Keyboardsounds, sowie die zerbrechlich kindliche Stimme von Matt im luftleeren Raum schweben. Windmill legt mit dem Eröffnungsstück auch gleich seinen "Airsuit" an und stößt sich zu den gewaltigen Beckenschägen kräftig ab, um im Weltraum spatzieren zu gehen.
Walt Disney, Weltraumstationen und Tron
Das Weltall ist auf "Epcot Starfields" allgegenwärtig. Schließlich ist es ein Konzeptalbum, dass sich aus Matts Kindheitserinnerungen speist, als er mit seiner gesamten Familie einen Ausflug zum Epcot Themenpark nach Florida gemacht hat. Besonders die Weltraumstationen der glitzernden Welt Walt Disneys hatten es dem Jungen angetan. Doch die funkelnden Sterne und die unschuldige Naivität dieser Zeit sind nur die Oberfläche. Darunter liegen hoch emotionale Themen wie Sterblichkeit und Verlust, Abschied und Trauer. So zum Beispiel, wenn Matt bei dem zentralen Song "Epcotman" davon singt, dass wir alle uns irgendwann einmal von unseren Eltern verabschieden müssen.
We want parents to live for always, they won’t /
they don’t want us to be sad when they’re gone.
("Epcotman")

Windmill
Darüber hinaus geht es um die erfüllte Liebe deines Lebens und auch darum, diese gehen zu lassen. Passend dazu hat Mat ein Cover entworfen, das von dem Künstler Jonah Buckley umgesetzt wurde, auf einen Jungen im after live space suit zeigt. Angelehnt an den Disney Klassiker Tron, der auf dem Weg ins Jenseits ein Mädchen umarmt, um sich von ihr zu verabschieden.
Trotz dieser recht düsteren Themen ist "Epcot Starfields" kein deprimierendes oder schweres Album geworden. Immer wieder wird mit der Traurigkeit gebrochen, wie in dem Uptempo Popsong "Ellen Save Our Energy" oder auch dem ökologisch ausgerichtetem Astronom Carl Sagan gewidmetem Swingstück "Photo Hemispheres". Außerdem versucht Matt des Öfteren die positiven Seiten der Menschen zu sehen und herauszustreichen.

Stuart Leech
Matt: "Ich denke mir oft, dass unsere ganze Existenz schon sehr bizarr ist. Obwohl wir wissen, das wir alle sterben werden, haben wir trotz all unserer Probleme immer wieder Ideen und Visionen und versuchen sie umzusetzen. Selbst wenn manche dieser Dinge sehr oberflächlich wirken, das ist glaube ich das Testament des menschlichen Geistes und unserer Humanität. Ich finde das oft überwältigend, wenn Menschen kreativ sind."
Der große Knall
Mittlerweile ist die Telefonleitung einige Male zusammengebrochen und Matt hat sich schon komplett aus seiner kleinen Londoner Wohnung begeben müssen.
Matt: "Ich stehe jetzt am Dach des Hauses! Ganz nackt!" (lacht)

Rupert Nobel
Genau solche spaßigen Bilder schaffen es, dem Windmill-schen Soundkosmos die thematische Schwere zu nehmen und das sehr intime, menschliche Werk mit all seinen Glöckchen, Pianolinien, spacigen Akkordteppichen, flirrenden Synthiesounds und epischen Harmonien als tröstliches und auch witziges Stück zu begreifen, das Matt aus der Seele spricht.
Welchen Effekt Windmill auf andere Menschen haben kann, beweist der Dreh zu dem Video von "Big Boom", in dem Matt im Astronautenanzug durch London marschiert und damit die kalte Distanziertheit der Londoner aushebelt. Was anfänglich als Tortur begann, wurde zu einer schönen Erinnerung, die auch zu den letzten Zeilen des Songs passt.
Matt: "Ach, es war furchtbar. Mühsam, beschämend, ungemütlich, aber schlussendlich hat es sich doch ausgezahlt. Denn etwas Gutes hatte es schon. Du weißt ja, wie zurückweisend, überheblich und garstig Großstädter oft sein können. Sobald ich aber diesen Raumanzug an hatte, verschwanden all diese Barrieren. Menschen kamen zu mir, redeten und wollten sich mit mir sogar fotografieren lassen. Es ist verrückt, das so etwas Einfaches wie ein Kostüm das alles bewirken kann."
Big Boom Boom Boom Boom ... The universe made us great / and there's still good in us ("Big Boom")
Nicht verpassen! Windmill live in Österreich:
- Montag, 05. Oktober im Chelsea Wien im Rahmen der INK Music Week
- Dienstag, 06. Oktober im PPC Graz
- Mittwoch, 07. Oktober in den PMK Bögen in Innsbruck