Erstellt am: 19. 9. 2009 - 11:00 Uhr
Die Nächte des Ramadan
Berlin, so sagt man gern, ist nach Istanbul und Ankara die drittgrößte türkische Stadt. Ein weit verbreiteter populärer Irrtum - denn mit 200.000 Personen lebt in Berlin zwar die weltweit größte türkische Gemeinde außerhalb der Türkei, aber in es gibt ja auch Izmir und Bursa und andere türkische Millionenstädte.
Die Migranten machen das Leben in Kreuzberg ein bisschen freundlicher, mediterraner, interessanter und das nicht nur durch die Liebe zum zu ausschweifenden Autokorsi nach gewonnenen Fußballspielen und den Oriental-Pop, der aus den wummernden Boxen der Dreier - BMWs auf die Straßen dringt. Türkischstämmige Filmemacher, Literaten, Politiker, Djs, Rapper und Clubbetreiber gehören zur Kulturszene, trotzdem ist das vielbeschworene Kreuzberger Mulitkulti eher ein freundlich - desinteressiertes Nebeneinander-Her-Leben.
Von den Festen der islamischen Bevölkerung weiß man nicht viel, und vom Fastenmonat Ramadan, der heute endet, kennt man nur die ernährungswissenschaftlich umstrittene Fastenregel, die besagt, dass Gläubige von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang keine Speisen und Getränke zu sich nehmen sollen.

Natalie Brunner
Dabei ist der Ramadan eine Zeit des Feierns, der Geselligkeit und kulinarischen Genüsse, es gibt Ramadan-Kochrezepte, Ramadan-Fernsehserien, und nach dem abendlichen Fastenbrechen ist man ausgiebig in Gesellschaft, bleibt lange auf und feiert bis in die Nacht. Diese sinnliche Seite einer Religion, der ansonsten ein eher puritanischer Ruf anhaftet bekannter zu machen, hat sich das Festival „Die Nächte des Ramadan“ zur Aufgabe gemacht. Jeden Abend vor Sonnenuntergang finden seit vier Wochen in Berlins Mitte vor der Nationalgalerie und im Museum für islamische Kunst Konzerte und Lesungen statt. So freuten sich im Lustgarten Touristen an dem Auftritt der senegalesischen Rapperin Sister Fa, und Trash –Liebhaber kamen zur Einstürzenden-Neubauten Neuvertonung des türkischen B- Movies „Kilink Istanbul’da", in dem ein Süperbösewicht im Skelettkostüm die Weltherrschaft erringen will.

Natalie Brunner

Natalie Brunner
So kulturell offen geht es allerdings nicht überall in Berlin zu: Im Gefängnis Tegel fasten während des Ramadans etwa 400 von 1500 Insassen. Aus „organisatorischen Gründen“ kann ihnen das Essen nach Sonnenuntergang nicht aufgewärmt werden, so bleibt dem gläubigen Strafgefangenen in Tegel das sprichwörtliche Wasser und Brot.

Alexander Hacke