Erstellt am: 7. 9. 2009 - 18:52 Uhr
Zoot Woman Won't Break
Es ist ungefähr so lange, wie von der Geburt bis zum Eintritt in die Schule.
Sechs Jahre sind eine lange Zeit, vor allem gemessen an den kurzlebigen Kriterien der von Veröffentlichungsdurck und Verkaufszahlen dominierten Popindustrie. Denn wer hier nicht stetig einen Hit nach dem anderen rausschießt, der gerät in Vergessenheit und versinkt damit im massiv überquellenden Musiksumpf.
So wurde auch von den englischen Synhtie-Poppern Zoot Woman seit geraumer Zeit gemunkelt, sie hätten sich aufgelöst. Erst mit ihrer Single "We Won't Break" vor zwei Jahren, die ganze vier Jahre nach ihrem zweiten, selbstbetitelten Album online veröffentlicht wurde, durfte man wieder hoffen.
Mit diesem Song nahmen Produzent Stuart Price und die Brüder Adam und Johnny Blake ein für alle Mal den Gerüchtetopf vom Herd. Doch es sollte nochmals eine Single ("Live In My Head") und weitere vierundzwanzig Monate dauern, bis das dritte Studiowerk vollendet war.
Are they what they used to be?
So wie die erste Vorabsingle könnte auch der Albumtitel "Things Are What They Used To Be" darauf hinweisen, bei dem Projekt wäre alles beim Alten geblieben. Und das mag vielleicht auch der erste Höreindruck bestätigen, der sich nicht ganz so tief in den Temporallappen eingräbt, wie bei den zwei Vorgängeralben. Jedoch gehen die Engländer mit dem Sound ihrer neuen Tracks einige Schritte abseits ihrer bereits ausgetretenen Elektropfade.

Zoot Woman
So setzt bei dem Eröffnungsstück "Just A Friend Of Mine" schon nach zwei Sekunden plötzlich der markante, schüchtern wirkende Gesang von Johnny Blake ein und spätestens dann, wenn der erste Refrain folgt, wird klar, dass hier mit der sonst üblicherweise extrem unterkühlten Stimmung gebrochen wird. Assoziationen wie Kylie Minogue oder Madonna kommen in den Sinn, wobei zweitere ja einen realen Referenzpunkt zu Zoot Woman hat. Stuart Price hat nämlich 2005 mit dem Album "Confession On A Dancefloor" den Sound der Popqueen einer Frischzellenkur unterzogen.
Das darauffolgende "Lonely By Your Side" reiht sich ebenso in jene Indie-Kommerzüberschneidungen wie "Human" ein, mit dem die Killers große Erfolge feiern. Nicht von ungefähr passt diese Parallele, denn auch bei "Day & Age" hatte Stuart Price seine Finger im Spiel. Wobei der gewohnte Coolness-Faktor von Zoot Woman in Form einer Basslinie, die von New Order stammen könnte, dem akustische Bild des Songs einen gewissen undergroundigen Anstrich verleiht.

Zoot Woman
Zoot Woman drücken ihren Songs nicht nur den Glam-Stempel und das dreiminütige Ohrwurmprädikat auf, auch mit der Clubästhetik wird experimentiert. Das beste Beispiel hierfür und zugleich unbestrittenes Highlight der Platte ist "Saturation". Ein tranciger Tanzbodenfeger zwischen resignierender Melancholie und emotionalem Ausbruch, düsterer Verzweiflung und freudiger Ekstase. Dabei werden nicht nur die für Zoot Woman mittlerweile schon zum Markenzeichen gewordenen 1980er Klänge in ein neues, glitzerndes Soundgewand gepackt. Anleihen an die technoiden Neunziger werden wach, wenn Price gegen Ende des Tracks mit Trommelwirbel, gesampelten Gesangsfetzen, gefiltertem Analogsynth und grandiosem Break dem Klimax der Nummer entgegensteuert.
Breaking the chain of command
Die Produktionserfahrungen von Stuart Price, die neben oben genannten Projekten auch eine Zusammenarbeit mit New Order und das Comeback von Seal umfassen, beeinflussten zwangsweise auch die Arbeitsweise von Zoot Woman. Bisher bestand eine recht strikte Bearbeitungsabfolge, die Stuart, Adam und Johnny durchliefen, wenn an neuem Material gearbeitet wurde.

Zoot Woman
Johnny Blake: "Adam beginnt mit einer Songidee, kommt damit zu mir und ich suche dann Gesangslinien dazu. Wenn es anschließend darum geht, eine Vision davon zu haben, wie der Song klingen soll, dann kommt Stuart ins Spiel. Es ist fast schon eine Kommandokette, wenn man so will, wobei wir am Ende alle zusammen arbeiten."
Doch das Price'sche Engagement ließ nicht nur kaum Zeit, um an neuen Tracks zu arbeiten, auch mit der Suche nach einer neuen Ausrichtung waren Adam und Johnny Blake lange auf sich alleine gestellt. Sie verlagerten ihren Fokus auf die Live-Umsetzung und darauf, möglichst viele Gigs zu spielen. Schließlich mussten sich die Brüder um ihren finanziellen Unterhalt kümmern, da sie nicht annähernd so viel verdienten, wie Price, der inzwischen am großen Popkuchen mitnaschte. So entstanden viele Tracks - untypisch für Zoot Woman - zuerst auf der Bühne.
Johnny Blake: "Für unsere ersten zwei Alben haben wir uns nur auf die Arbeit im Studio konzentriert ohne darüber nachzudenken, wie wir die Songs live umsetzen können. Diesmal spielten wir drei Jahre lang neue Stücke live und gingen dann mit der Erfahrung ins Studio, was auf der Bühne gut funktioniert hat. Es war fast so, als hätten wir manche Songs so rekonstruiert, wie wir sie live gespielt haben. Es war also ein komplett umgekehrter Prozess."
Die somit entstandenen, neuen Schattierungen des Albums eröffnen sich jedoch erst beim mehrmaligen Hören, denn die prägnante Soundästhetik von Price verdeckt hier und da die durch die Livedynamik herübergeretteten Ecken und Kanten. Außer vielleicht bei "Witness", das einem gleich seinem knatzigen Bass und raue Beats um die Ohren schleudert.

Zoot Woman
Time is on your side...
... / Without You I've Got No / Love Is On Your Side / Without You I've Got No / Waited Such A Long Time / But It's Still the Wrong Time / I Can't Feel A Thing / But I Still Want You More Than Ever
(Zoot Woman "More Than Ever")
Nachdem man von die lange und doch recht beschwerliche Geschichte des Albums weiß, lässt sich der Text von "More Than Ever" fast schon als Reflexion auf diese Entwicklungsphase lesen.

Zoot Woman
So könnte man statt einer offensichtlichen Liebesliedinterpretation den soundtechnischen Mastermind Stuart Price als das Objekt der Begierde einsetzen, quasi als verlorengegangenen Vater, der die Brüder musikalisch stützte. Vielleicht eine zu weit hergeholte Analogie, aber ein spannendes Bild, schwingt in den Erzählungen von Sänger Johnny Blake über die Entstehung von "Things Are What They Used To Be" manchmal doch eine gewisse Traurigkeit mit.
Die FM4 Soundpark Aktion Zoot Woman Remixen läuft noch bis 10. September.
Live werden die Briten dann am 26. September im Wiener WUK zu sehen sein.
Johnny Blake: "Erst vor Kurzem hatten wir alle zusammen Zeit, um an neuen Songs zu arbeiten. Eine Phase, die jede Band braucht, um ein halbwegs ordentliches Album zu machen. Da müssen alle gemeinsam sehr fokussiert auf das Projekt sein. Ich würde die fünf Jahre davor als langen Weg bezeichnen, den wir gehen mussten. Ich hoffe, es hat sich ausgezahlt, denn viele der Songs sind schon einige Jahre alt und ich hätte sie gerne schon früher veröffentlicht."
Ausgezahlt hat sich der lange Weg allemal. Mit "Things Are What They Used To Be" beweisen Zoot Woman einmal mehr ihren Ausnahmestatus in der glitzernden Elektropopwelt und schaffen dabei etwas, was nicht viele ihrer genreverwandten Kollegen vollbringen: Ein zeitloses Album, dass sowohl schon vor Jahren herauskommen hätte können, als auch auf den zukünftige Veröffentlungslisten eine gute Fugur machen würde.