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Susi Ondrušová

Preview / Review

18. 7. 2009 - 11:55

Why does my heart...

Der gestrige Tag am Nuke Festival im Verdauungsprozess.

Sounds of Nuke

  • Am Dienstag, 21. Juli: Konzertmitschnitte von Moby, Patrice, Jan Delay, 2Raumwohnung und Calexico - ab 19 Uhr in der FM4 Homebase.

In einer Welt der Übertreibungen und Superlative sind die Erwartungen groß. Klar es war einmal ein Holzstock, aber beim schleichenden Übergang ins 21.Jahrhundert as we know it war Wiesen jener Ort der Pionierleistung, ein Ort der Ersten Male.

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Das erste Mal Zelten neben einem James Brown Fanatiker (leider hatte er ein Autoradio), das erste Mal Sonnenbrand, das erste Mal drei Tage Katzenwäsche, das erste Mal Palletten tragen, das erste Mal den Unterschied zwischen einer BesucherInnen-Null zuviel und zuwenig erkennen. Das erste Mal drei Tage nass und vor allem: Das erste Mal eine Liveübertragung hören mit den zukünftigen KollegInnen, die mit sicherer Stimme PJ Harvey „anmoderieren“. In den letzten Jahren dann die Highlights: Nick Cave, Gogol Bordello, Neil Young. Wiesen Festivals bedeuten im Festivalsommer Überschaubarkeit und Gemütlichkeit. Aus der Hängeschaukel oder vom Mittelfeld und ganz vorne links: Gute Sicht, guter Sound. Die frittierten Delikatessen in den Umbaupausen nicht zu vergessen. Das Öl geht nicht aus. Willkommen!

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Word!

Gefühlte 40 Grad und Wolkenfreier Himmel: Mit dieser Wucht ist das Nuke Festival in Wiesen losgestartet. Das Lineup heuer vom roten Faden der Leichtigkeit begleitet. Calexico zum Beispiel. Jene Band, die Grenzen überschreitet und in diesen übergänglichen Zwischenzonen ein Zuhause anbietet. Auf Entdeckungsreise kann man gehen und sich in die Details vertiefen, zwischendurch wahlweise an Mexico, Arizona oder Kalifornien denken. Geld spielt dabei keine Rolle, nur die Frischluft zählt. „We offer like a nice breath to the people at the festival!“

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Joey Burns/Calexico

Calexico in brütender Hitze – alles andere scheint wie Betrug. Joey Burns weiß den Kupferdraht der Kommunikation zu legen, als er beim Soundcheck seine Stimme mit einem „Schwimminghaus, Schwimmingpool“-Song statt dem üblichen „1,2,3“ auf das Konzert einstellt.

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Am 18.Juni beim Poolbar Festival: Calexico

Projekt für 2008: Soundtrack-Musik für eine Dokumentation „about people going out into the field of becoming priests or rabbis or clerics so it´s based on religion and following their stories when they start off and how they manage to continue“!

Herzerwärmende Zwischenansagen von denen sich jede Band, die den Namen ihres jeweiligens Konzertortes vom Handrücken der roadies oder der Setlist ablesen muss, was abschauen kann. Shoutouts an Linz, Wien, Innsbruck, Ebensee (Holzstock?!) und die Widmung von „Not Even Stevie Nicks“ (mit einem passenden Love Will Tear Us Apart-Zwischenteil) an die zwei verliebten Bewohner einer Stadt, die ich phonetisch als „Schew$%?“ erkannt habe – also mit aller Wahrscheinlichkeit nach ein malerisches Kaff in der österreichischen Provinz, wo die musikalischen Ergüsse einer verlässlichen Bank sorry Band wie Calexico mehr als nur das Angstmachende Titelblatt einer Kronen Zeitung vergessen machen. Oder wie Joey Burns meint: „I think that the spiritual aspect of what music can bring as a renewable source goes beyond numbers, detail and definition. That´s the reason why I think listeners get pulled into music and musicians are drawn into continuing playing music. That´s the reason why we´re here.“

"Thanks Austria for the Nuke Fest. was one of the most intense and sweaty shows for us as well! Whole tour has been great. Salud!" meinen Calexico. Verneigung und Prost auch hier.

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Ein Hoch auf die Schwangeren!

Hammertime und noch mehr schwitzen mit Jan Delay

Basement Jaxx – meine Schuld meine große Schuld (oder die des Computers) aus Recherche und technischen Chaosgründen hab ich Basement Jaxx kompletto versäumt. Expertise wird nachgeholt in der FM4 Sounds Of Nuke-Spezial Homebase am 21.Juli ab 19h.

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Jan Delay - Teil von No.1

„Intensiv“ ist ein schönes Wort. Man möchte seinen Stimmungspegel ja wirklich nicht langweilen oder beim Wunsch nach Ekstase unterfordert werden. Jan Delay und seine Disko No.1 sind ein Wunschtraum-Festivalact. Hits, Hits, Hits! Alles aus einem Guss.

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Ein bisschen Hiphop, viel Funk und noch mehr Disko. Viel Glitzer, viel Bläser, viel Show. Ein Frontman, der oft „digger/dicker“ sagt, Rückendeckung von seiner Band-Armee bekommt, die um ihn herum den Zaun baut, in dem er sich als Superstar-Actionfigur positionieren kann und seine Disko lebt!-Ansprachen verbreiten kann. Während das „Last Night A DJ Saved My Life“ Intro erklingt, warte ich mit Johnny Bliss auf ein Interview mit Moby. Als wir in einem der hübschen in Backstage-Garderoben umfunktionierten Züge Platz nehmen und die 15minütige Audienz mit Moby beginnt, starrt dieser gegen die Wand, durch die schon längst ein „Word Up“ according to Jan Delay erklingt. Höflichkeit und ein Missverständnis zwingen mich zur Frage „Do you want to turn it off“ mit sicherer Gewissheit glaube ich, dass das Zischen der Vintage-Klimaanlage gemeint ist. „I cannot turn off the band?!“ kommt als Antwort. Auf die Frage wer das ist und warum da eine Festivalband nur Covers spielt, ratter ich meinen Bambule-Stehsatz über vergangenen Hiphop ab, mache eine Kehrtwende zum Thema „Wunschtraum-Festivalact“ und Songs mit höchstem Wiedererkennungswert und erwähne ein paar Mal zu viel das Wort „german“. Moby meint dazu nüchtern „If I was having a wedding I would love to hire this band. They´re a coverband. You charge a coverband bout how well they play the songs and they certainly play their coversongs very well!"

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Als wir aus dem Zugwaggon nach draußen gelangen, scheint die Publikumsmenge im Vergleich zum Nachmittag wie ausgewechselt. Alles tanzt, alles ist auf den Beinen. Wer durch die sperrangelweit geöffnete Partytür eintritt, kommt auf seine Schweissperlenkosten. „Pump Up The Jam“ geht in „Remmi Demmi“ über. Popzitateschleuder clever gemacht. Die Spannung wächst, wie wird sich Moby nach so einem kollektiven Energieaustausch beweisen?

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Moby For President auf Papier und auffällige Readymade-Kunstwerke

Über-Moby

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Jetzt hat er ihn endlich gesehen. Nicht „Taxi Driver“ in New York, nicht „Der Dritte Mann“ in Wien – sondern „Brüno“ ebenda in Wien. Am Donnerstag war der twitternde @thelittleidiot auf Ausschau nach Orson Wells, am Freitag vor seiner Ankunft in Wiesen dann im Kino. Auf die humoristische Vermutung, dass er mit Brüno das Ziel der Über-Herrschaft gemeinsam hat und dafür schon die dazugehörigen „Moby For President“-Tshirts am Merchstand anbietet, folgt keine Retourkutsche in Witzformat („We don´t have too much in common!“), sondern die Erinnerung an die positive Resonanz seiner Fans auf seine in der Bush-Ära erstellten Blogeinträge.

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Moby ist clever, ein wohlbedachter Künstler und auf zahlreichen Stil-Parketten ein sattelfester Musiker und vor allem: Musikliebhaber. Derselbe, der gefühlt jeden zweiten Song seines Albums „Play“ mit Werbelizenz-Deals in Pension geschickt hat. Das war in seiner Wucht wohl u.a. als Lebensgrundlage für die Aktivitäten ab 30+ geplant und durchgeführt. Sie haben u.a. zu „Moby Gratis“ geführt. Und zu „Wait For Me“. Einem Album, das man zwei Wochen lang auf dem Musikabhörgerät spazieren führen kann und - trotz der Empfehlung, die Musik über Kopfhörer wahrzunehmen - nicht begreifen wird, nicht, wenn man immer nur einzelne Tracks als Geschmacksgrundlage für spätere (morgen z.b.) Auseinandersetzungen konsumiert. „Wait For Me“ ist ein Album, das man von vorne bis hinten hören muss. In einem Guss eben.

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Es ist kein catchy Hitalbum, es ist gespenstisch in der direkten und in der unterbewussten Wahrnehmung. Es ist ein multiples Piercing von einem Wunderwerk-Album. Auf der aktuellen Tour gibt es zwei Arten von Shows: „theatre shows“ und „greatest hits shows“. Für ersteres braucht man Sitzgelegenheiten, für zweiteres ein Festival wie das Nuke in Wiesen.

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Das, worauf ich mich bei Jan Delay nicht und nicht einstellen konnte was mich aufdringlich genervt hat, nämlich das Fremdhits-Recycling, ist bei Moby kein emotionaler Borstenhaken. Zitiert wird natürlich auch. 20 Jahre Moby-Fleischwolf-Geschichte. Moby ging den Weg vom jugendlichen Erfahren klassischer Musik zu Hardcore und Punk zum Djing zum Hiphop zum Blues zum Elektro und jetzt zur Vertonung Lynchesker Gedankenwege. Inspiriert von einer Grundsatz-Rede über die Relevanz von Kunst außerhalb von kommerziellem Druck und abseits der Marktmechanismen (stark verkürzt wiedergegeben).

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Jetzt ist das natürlich der Deckmantel der Perversion, so wie wenn z.b. Radiohead anderen Bands raten würden, ihre Alben zum Pay-As-You-Wish-Download anzubieten (was sie nicht tun). „Wait For Me“ ist die Auseinandersetzung mit Song-Formaten abseits der eigenen Wohlfühl-Erfolgsrezept-Sackgasse, der Jan Delay-Hit-Casting-Allee – wenn man so möchte. Mobys Livekonzert konnte man mit der Symbolik der Andersartigkeit lesen oder als das versprochene Greatest-Hits-Set auch als Verbeugung und nicht totale Vereinnahmung vor den aufgesogenen Referenzen genießen – es war beides und es war gut so. Oder halt auch: intensiv. Wenn sich Moby als Poser mit einem Solo in die Auslage stellt und ein klassisches „Are you ready to rock?“ hinausschreit, wenn er mit seiner Sängerin einen Kampf-Dialog um den letzten Ton/bzw. Riff startet, wenn er seinen „plain fuck-off disco“-Song spielt, wenn er „Take A Walk On The Wild Side“ als Liebeserklärung an New York anstimmt, zur Seite rückt, um zu trommeln, oder sich mit den Worten „Hi, my name is Moby and I used to be a raver“ verabschiedet.
Ja, intensiv.

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  • Am Dienstag, 21. Juli: Konzertmitschnitte von Moby, Patrice, Jan Delay, 2Raumwohnung und Calexico - ab 19 Uhr in der FM4 Homebase.