Erstellt am: 5. 7. 2009 - 14:50 Uhr
Armer Jacko
Kurz nach der traurigen Nachricht trafen sich die Fans an der
Weltzeituhr am Alexanderplatz, am nächsten Tag schon wurden bei RTL Sachverständige zum Thema befragt: Oliver Kahn sinnierte ganz im Sprachduktus des rhetorikkurserprobten deutschen Fußballers vor sich hin: "Soviel Glanz nach außen, so viel Traurigkeit nach innen!”
„Armer Jacko“, dachte man da, „das hast du wirklich nicht verdient!!!“
Abends beim Ausgehen hieß es dann wahlweise: „Ich kann nicht glauben, dass er tot ist, es ist so, als ob Micky Mouse gestorben wäre, die kann doch nicht sterben“ oder
„Der ist doch längst durch einen Roboter ersetzt worden“ oder „Den gibt es doch eh mehrmals“ oder „Michael und La Toya sind doch eine Person“. Bei den weniger Zynischen herrschte der Grundton: „Ach, der Arme, wenigstens hat er jetzt seine Ruhe“ vor.

Christiane Rösinger
Am Montag stellt der Boulevard die Schuldfrage, der Diederichsen-Nachruf „Die Verpflichtung des Körpers“ erscheint in der Faz. Abends im Kino wird es nach der Werbung dunkel, dann ertönt der „Earth Song“, bevor der gar nicht soo üble deutsche Film „Alle anderen“ beginnt, der wiederum das Thema Beziehungskrise der 30-Jährigen im Urlaub behandelt. Die Jacksons aber haben andere Probleme: „Wo ist der Leibarzt geblieben? Wer bekommt die Kinder - Oma oder Diana Ross? Wo machen wir die Trauershow?“
Am Mittwoch sind alle Michael Jackson CDs ausverkauft, seine Schulden angeblich jetzt schon abbezahlt, die Aufbahrung auf der Neverland Ranch geplant.
Das Leben geht weiter. Bei einem Ausflug nach Berlin Mitte, früher beliebter Ausgehbezirk, heute verseuchtes Gebiet und nur noch wegen seiner Turnschuhlädendichte zum Einkaufen interessant , wird dem toten Sänger musikalisch sowohl im Adidas- als auch im Puma-Flag-Ship-Store als auch in allen anderen Läden gedacht. Wegen fehlender Trauerinfrastruktur wird am Donnerstag die dianeskere Variante - Neverland-Aufbahrung abgesagt, vielleicht gibt’s doch eher ein großes Abschiedskonzert in L.A?

Christiane Rösinger
Jetzt ist er schon eine Woche tot, die verwelkten Blumen liegen noch an der Weltzeituhr, die Plakate und Briefe gilben vor sich hin, aber bei Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett wartet immer noch eine kleine Schlange von Menschen mit weißen Totenblumen in den Armen auf Einlass. Der Weltkonzern Tussaud hat ja uneigennützigerweise die Wachsfigur in den Eingangsbereich umgesiedelt, sodass trauernde Fans zu ihrem gruslig lebensechten Idol pilgern können, ohne Eintritt zu bezahlen. Das Kondolenzbuch wird später der Familie Jackson übergeben.