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Martin Pieper

radio FM4

Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

26. 6. 2009 - 14:09

Michael Jackson - Transformer

Mit dem Tod von Michael Jackson ist auch ein Experiment am eigenen Körper zu Ende gegangen.

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Prince, Madonna, Michael Jackson: Jeder der in den 80er Jahren gelebt und gedacht hat, kann diese Pop-Dreifaltigkeit des verblichenen Jahrzehnts bis heute im Schlaf aufsagen. Alle drei haben im letzten Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Jetzt ist der, den sie hartnäckig "King of Pop" nennen, tot. Vielleicht ist es kein Zufall, dass es gerade den trifft, der das Spiel mit den Identitäten am extremsten betrieb. Die Geschichten über die physische und psychische Gesundheit des Stars waren ja schon längst integraler Bestandteil der öffentlichen Figur "Michael Jackson" um die es hier gehen soll.

Michael Jackson hat von den drei erwähnten Stars in den 90er und Nullerjahren am schlechtesten ausgesehen. Seine vergeblichen Versuche der letzten 20 Jahre, Anschluss an den Pop-Mainstream zu finden, waren zum Scheitern verurteilt. Die Musik mit wenigen Ausnahmen halbseiden, die Bühnenpersona im besten Fall bizarr und spätestens wenn man von Jeff Koons als überdimensionales Porzellan-Kitsch-Kunst-Objekt nachgebaut wird, sollte man wissen, dass man längst vom Menschen zur Ikone geworden ist.

Michael Jackson und Bubbles

dpa/dpaweb/dpa/Ferdinand Ostrop

Der überraschende Tod von Michael Jackson ist die kaltschnäuzige Erinnerung daran, dass es doch "nur ein Mensch" war, der sich vor dem gnadenlosen Blick der Weltöffentlichkeit vom niedlichen Kinderstar zum dysfunktionalen Popmonster entwickelte.

Thriller als Schleicher

1982 erscheint ein Album namens "Thriller". Eine Platte unter vielen, die hierzulande eher am Rande wahrgenommen wurde. Amerikanischer Soul, oder gar Disco war nur in Spezialistenzirkeln ein Thema. Für die Post-Punk-New-Wave Hörer war dieser aufgetunete autoradiotaugliche Cinemascope Funk samt obligatorischer Powerballade sowieso ein rotes Tuch. Der Mainstream war mit Austropop Marke Fendrich gut beschäftigt. Michael Jackson war zu Beginn seiner Solokarriere ein amerikanisches Phänomen, so ähnlich Hall & Oates oder REO Speedwagon. Gerade noch die aufmerksamen Hörer von Casey Kasem's American Top 40 haben über die atemlos verkündeten Charts-Statistiken vom unaufhaltsamen Aufstieg von "Thriller" gestaunt. Es hat zwei Jahre(!) und immerhin sieben Singles samt epochemachender Videos gedauert, bis Thriller zur globalen Nummer Eins wurde und Michael Jackson vom R'n'B Star zur weltumspannenden - und später gar weltrettenden - Ikone wurde. Und spätestens an dieser Stelle wird die Geschichte von Michael Jackson und seiner Rezeption unübersichtlich.

Transformationen

Spätestens das nächste Album "Bad " verschreckt die alten Soulfans, die in Michael Jackson noch einen neuen Stevie Wonder gesehen haben, und ein "Songs in the Key of Life" Meisterwerk erhofften. Statt dem präzisen Disco Funk von Billy Jean gibt es "Poprock" und "Metal-Balladen". Und die latent schon in Thriller besungenen Identitätskrisen von Michael Jackson treten noch stärker auf den Plan. Die inbrünstig vorgetragene Selbstbeschreibung "I'm Bad!" will nicht so recht korrespondieren mit dem zunehmend modifizierten Körper von Michael Jackson. Und dann macht Michael Jackson ernst mit den poststrukturalistischen Theorien: der Starkörper als Spielplatz der Manipulation. Gender, Ethnie, Alter, Aussehen, Familienstrukturen, Reproduktion: die normativen Kategorien, die als festgeschrieben gelten, werden vom Star einfach außer Kraft gesetzt, ohne Rücksicht auf (gesundheitliche) Verluste und das mitten im Scheinwerferlicht der Boulevardpresse.

Michael Jackson nach einem Auftritt bei "Wetten dass...?" gemeinsam mit Thomas Gottschalk

dpa/A2902 Achim Scheidemann

Das vielleicht erstaunlichste an der Figur Michael Jackson ist, dass er damit durchgekommen ist und immer noch ein gern gesehener Gast auf den Wetten, dass...? Bühnen dieser Welt war. Die Musik, oder besser Michael Jackson als begnadeter Performer, Sänger und Tänzer geriet angesichts der Arbeit am eigenen Körper natürlich ins Hintertreffen. Von der Hoffnung, noch einmal eine weltumspannende Popwundertüte wie Thriller hinzukriegen, haben sich selbst die hartnäckigsten Anhänger wohl schon längst verabschiedet. Mit der Single "Scream", gemeinsam mit Schwesterchen Janet Jackson aufgenommen, hat er zum letzten Mal gezeigt, welche musikalischen Potentiale in der Verbindung von diesem "Alien" und dem maschinell hochgezüchteten zeitgenössischem R'n'B stecken. Man stelle sich etwa eine Platte "Burial feat. Michael Jackson" vor, das wär' doch was. Daraus wird jetzt wohl nichts mehr. Jammerschade.