Erstellt am: 26. 4. 2009 - 16:02 Uhr
taz-Gala
Schon vor Wochen war die Gruppe Britta für die Teilnahme an der taz-Jubiläumsgala angefragt worden. "Warum nicht?", dachte ich. War ich doch schon beim fünfzehnten und beim zwanzigsten taz-Geburtstag dabei gewesen, damals noch mit Lassie Singers, kurz vor Konstantin Wecker und kurz nach dem Buttersäureanschlag einer autonomen Gruppe, was für die Band eine weniger musikalische als olfaktorische Herausforderung war.

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Eine Revue mit Jaques Palminger von "Studio Braun" sollte es diesmal werden, und bei diesem Spitzen-Conferencier konnte ja nichts schief gehen. Beim Soundcheck am Freitag mittag warteten wir schon sehr gespannt auf einen weiteren Galagast, Wolfgang Niedecken von der Gruppe Bap, aber nur sein Telepromter wurde aufgebaut. "Der Streber wird ein extra Geburtstags-Lied für die taz gemacht haben", mutmaßte unser Schlagzeuger, "Vielleicht 'Verdammt lang taz' zur Melodie von 'Verdammt lang her'?". Abends dann füllte sich das Haus der Kulturen der Welt mit unkonventionell-festlich gekleideten Menschen jenseits der Lebensmitte.

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Sonja Mikich, heute Redaktionsleiterin des Ard - Politikmagazin "Monitor", prahlte in ihrem Rückblick damit, was sie einst für ein heißer Feger war, erzählte von ihrem sexuell-kulturellen Zugang zur taz und gab Sex-Anekdoten zum Besten: Mit dem Fotografen in der Dunkelkammer, wie beim fünften taz –Geburtstag die Autonomen das taz-Buffet angriffen und ihr knallenges Kostüm ihre Hinwendung zur Militanz verhindert hatte und so weiter.
Aus dem Saal kam ständiges Ho-Ho-Gelächter in Erinnerung an die herrlich radikalen Zeiten, als noch alles stundenlang im Kollektiv ausdiskutiert wurde und man Geld für "Waffen für El Salvador" gesammelt hatte. Stolz zählte man auf, wer seither alles Karriere beim Spiegel, Stern und Welt gemacht hatte.
Als langjährige freie taz-Mitarbeiterin ist es eher traurig, wenn die guten Leute alle weggehen und die Kulturseiten der Zeitung zunehmend verwaisen. Aber davon wollte am Gala-Abend keiner etwas wissen, es ging mehr um die Selbstbeweihräucherung der Gründungsväter und -mütter, alle längst auf sicheren Posten und inmitten oder eher oben in der Gesellschaft angekommen.
Kollegen von der heutigen taz traf man keinen einzigen an diesem Abend, die hatten das Feld wohlweislich den "Ehemaligen" überlassen und konzentrierten sich lieber auf die etwa 80 Panels der nächsten drei Kongresstage.

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Wolfgang Niedecken sang dann tatsächlich ungefähr 27 unverständliche Strophen lang in Kölner Mundart "Verdamp lang her", als dann auch noch eine ätherische Geigerin mit zerfetzem Kleid und langem rotem Haar den Rockbarden hingebungsvoll fiedelnd begleitete, mussten wir uns abwenden. Unser zehnminütiger Auftritt ging glatt über die Bühne, trotzdem fühlten wir uns danach irgendwie fremd und leer und zogen uns backstage in einen sehr nüchternen Konferenzraum zurück .
Aber wir Musiker sind ja so leicht zufrieden zu stellen. Kaum hatten die netten Betreuerinnen ein paar Flaschen Wein und Bier gebracht, kaum kamen ein paar Freunde hinzu, hob sich die Stimmung umgehend, es wurde gescherzt und gelacht.
Das nächste taz-Jubläum wollen wir trotzdem mal auslassen.