Erstellt am: 17. 2. 2009 - 20:15 Uhr
Dark Was The Night
Red Hot and…
Red Hot and Blue, erschienen 1992, war das erste Album, mit dem sich die Red Hot Organisation in die AIDS-Aufklärung und den Kampf gegen die tödliche Immunschwächekrankheit einmischte. Damals wichtige Künstlerinnen und Künstler haben für das Projekt Songs des schwulen amerikanischen Komponisten Cole Porter gecovert. "I've Got You Under My Skin" in der Version von Neneh Cherry oder "Everytime We Say Goodbye" von Annie Lennox sind mir da noch in Erinnerung. Und danach ging es für die Red Hot Serie erst richtig los. Red Hot and Dance, Red Hot and Rio, Red Hot and Rhapsody und viele Platten mehr sind seitdem entstanden, die meisten davon mit Bedacht und Wille zur Qualität zusammengestellt. Man hatte immer den Eindruck, dass die beteiligten Musikerinnen und Musiker tatsächlich hinter dem Projekt standen, und nicht einfach nur ein paar unveröffentlichte Restposten der guten Sache zur Verfügung stellten.
Dark Was The Night

The National
Dieser Tage erscheint nach längerer Pause eine neue Doppel-CD der Red Hot Organisation und da hat man sich offenbar wieder einmal richtig angestrengt. Der Fokus von "Dark Was The Night" liegt auf einer bestimmten Spielart des amerikanisch/englischen Indie-Universums. Im Delta aus Anti-Folk, Kollektivpop und der vor allem nordamerikanisch dominierten Queer-Szene haben Aaron Dessner und Bryce Dessner, beide bei The National zugange, Freunde und Freundesfreunde eingeladen, bei "Dark Was The Night" mitzumachen; ganz ohne strenge thematische Vorgabe, dafür beflügelt durch eine vitale Szene, die sich in den letzen Jahren gebildet hat.
"Wir waren mit The National 2005 und 2006 in einem Van auf Tournee, und plötzlich haben wir uns inmitten einer explodierenden Indie-Szene in Brooklyn, Amerika, England und Europa wiedergefunden. Und so habe ich mit Bryce begonnen, die einzelnen Songs für 'Dark Was The Night' zu sammeln", schreibt Aaron Dessner im Booklet der CD.
Die musikalische Basis für die Compilation ist amerikanische Roots Musik, insbesondere der titlegebende Song des Blues Sängers Blind Willie Johnson, der "Dark Was The Night" in den Jahren der amerikanischen Depression geschrieben hat. Im Jahr 2009 ist überraschenderweise das Kronos Quartett, die ewigen Avantgarde-Lieblinge, mittels Coverversion ins tiefe Bluesdelta gestiegen.
Antony, Sufjan Stevens, Bon Iver, Yeasayer, Feist… you get the picture

Sufjan Stevens
Neben dem Kunstwillen des Kronos Quartetts nimmt sich die restliche Teilnehmerliste tatsächlich wie das Who is Who der amerikanischen College/MySpace/Indieszene aus. The Books angeln sich Jose Gonzales und produzieren eine zauberhafte Version des Nick Drake Klassikers "Cello Song". Antony singt - jetzt auch schon zum wiederholten Mal - einen herzergreifenden Dylan Song, "I Was Young When I Left Home" .
Aber es sind gar nicht viele Coverversionen auf "Dark Was The Night" enthalten. Das überlassen die AIDS-Aktivisten lieber dem fast zeitgleich erscheinenden Benefizalbum "War Child - Heroes". Das hat auch den Vorteil, dass man nicht von "lustigen Coverversionen" genervt wird, sondern ein rundes, melancholisch gehaltenes Gesamtwerk zu hören bekommt. Ideal für nächtliche Winterspaziergänge, zumindest die erste CD von "Dark Was The Night".
Arcade Fire, Spoon, Conor Oberst, My Morning Jacket… the list goes on.
Die zweite Hälfte von "Dark Was The Night" bleibt zwar über weite Strecken im Folk-Idiom, geht die Sache aber etwas, nun ja, beschwingter an. Immerhin gibt es ein Lebenszeichen von Arcade Fire. Nach dem zweiten Album "Neon Bible" und der anschließenden ausgedehnten Welttournee hat man bis jetzt nur wenig neues Material der Kanadier gehört. "Lenin" heißt das Stück, das sie für die Unterstützung von AIDS-Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt haben. Arcade Fire sind da zwar eher im Demo-Modus zu hören, aber immerhin.

Cat Power
David Andrew Sitek von TV On The Radio covert "With a Girl Like You" von den Troggs und macht damit auch soundtechnisch den Freunden von The Jesus and Mary Chain eine Freude. Cat Power wagt sich an "Amazing Grace" und Conor Oberst covert sich gleich selbst und singt gemeinsam mit der Singer-Songwriterin Gillian Welch eine neue - und sehr country-eske - Version von "Lua". Dazu noch Blonde Redhead, Broken Social Scene, Stuart Murdoch von Belle & Sebastian und einige mehr.
"Dark Was The Night" ist ein Geschenk und ein fantastischer Überblick über das, was sich so schwer unter einen begrifflichen Hut bringen lässt: Weird-Americana-Indie-Folk, vielleicht. Der Titel der Schublade ist aber eigentlich egal. Wichtiger ist die Botschaft, die uns das, mit Grafiken von William Blake verschönerte Booklet mitgibt, damit wir auch nicht vergessen, um was es hier eigentlich geht: Play Safe!