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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 2. 2009 - 21:34

Fußball-Journal '09-8.

Zum Schweden-Spiel in Graz. Ein Echtzeit-Blog.

1.Hälfte

Immerhin: man spielt auf Augenhöhe; und das gegen ein Team, das zwar ebenso testet, aber ebenso voll mitgeht.
Immerhin.
Das war nicht immer so. In den Duckmäuser/Hosenscheißer-Phasen, die das Team unter Baric/Krankl/Hickersberger immer wieder hatte, war man zwar mit "der Pappn" durchaus groß, da es aber an Strategie und Vorbereitung fehlte, schaute man nach spätestens 25 Minuten dumm aus der Wäsche. Ja, auch in Testspielen, immer und immer wieder.

Die 1. Halbzeit spielt Österreich mit 4-2-3-1
Manninger im Tor,
Garics - Prödl - Stranzl - Pogatetz als Viererabwehr.
Scharner und Säumel defensiv davor.
Hölzl - Ivanschitz und Arnautovic als Offensive-Reihe
und Janko als Stoß/Prall-Stürmer

Immerhin also die Augenhöhe.
Und das mit einer Mannschaft, die sich eigentlich im kollektiven Tief befindet. Ganze vier Kicker besitzen derzeit sowas wie Selbstbewußtsein: Manninger wegen seiner Super-Serie, Garics wegen seiner Konstanz und Arnautovic, der ebenso gut drauf ist und immer selbstbewußt daherkommt - wie auch Scharner.
Der Rest ist arm dran: Prödl halbverletzt, Stranzl und Ivanschitz auf dem Notbankl, Pogerl mit Abstiegsängsten, Säumel mit wenig Spielzeit und Janko als Ballkönigin, die schlußendlich aber sitzengelassen wurde.

Früher hätte sich so ein tendenziell negativer Run der entscheidenden Spieler in einer miesen Leistung manifestiert - der aktuelle Kader beißt sich aber durch und hält gegen eine von Wilhelmsson und Källström gut geleitete Mannschaft mehr als nur mit.
Allerdings kommen die bissigen Angriffe, mit bösen Loch-Passes aus dem Halbfeld, mit treibenden Bällen von den Flanken oder aus dem defensiven Mittelfeld, allzu spärlich. Dabei sind diese Beuschlreißer, vor allem, wenn sie auf Arnauitovic gespielt werden, immer gefährlich.

Immer absurder wird die Sache mit dem Linksverteidiger. Brückner hat drei richtige im Kader (Gercaliu, Ibertsberger, Ulmer) - spielen tut aber Pogatetz.
Der hat das zwar zuletzt bei Boro auch gemacht, allerdings hat Jan Kocian am Rande der ÖFB-Kader-Nominierung erzählt, dass er nach England geflogen war um sich Pogatetz dann wieder als Innenverteidiger anzusehen.
Entweder Kocians Eindrücke sind Brückner sehr wurscht oder er hat eine wirklich gute Erklärung für seine Linksverteidiger-Sammelwut, wenn er sie dann versteckt hält.

Hälfte 2

Ibertsberger kommt zum Einsatz, nicht als Linker, sondern als Rechter - das kann er ja auch, er ist versatil. Diese Test-Maßnahme macht also durchaus Sinn. Auch wenn der direkte Gegner, Wilhelmsson, der beste Mann am Platz, draußen bleibt.
Schweden hat auch die Abwehr durchgewechselt - allerdings hat auch die Zweiter-Formation durchaus A-Klasse-Format.
Und Källström dirigiert weiter effektiver als alle österreichischen Mittelfeldler zusammen.

Dann kommen recht aus dem Nichts und einem Super-Kopfball von Scharner nach Super-Vorlagen von Hölzl und Arnautodann eben zwei Unhaltbare, die dann so tun, als wäre die Differenz zwischen den beiden Teams sehr groß - was nicht der Fall ist.

In der 2. Hälfte beginnt Österreich wieder mit 4-2-3-1, mit Ibertsberger statt Garics als Rechtsverteidiger.
In der 66. wird das System ein wenig umgestellt.
Österreich agiert nun mit einem 4-1-3-2
Ibertsberger - Prödl - Schiemer - Pogatetz in der Anwehr,
mit Scharner vor der Abwehr,
mit Hölzl, Ivanschitz und Arnautovic als offensive Mittelfeld-Reihe und zwei Spitzen, Okotie und Janko.

Später kommen Saurer für Ivanschitz, Ulmer für Arnautovic, Kienzl für Scharner und übernehmen deren Position.

Allerdings bedeutet das, jetzt, in der 65. Minute, eine gute Probe, wie sich die ÖFB-Auswahl in einer Not-Situation tut - Selbstaufgabe? Gegenwehr? Wechsel? Beruhigung oder Eskalation?

Und da - sieh an.
Brückner stellt auf offensives 4-4-2 (ein 4-1-3-2) um, nimmt Säumel raus und bringt mit Okotie eine zweite Spitze. Und der frischt die Sache gleich ganz schön auf, über rechts, seine Lieblingsseite.

Das Publikum glaubt an die Sinnhaftigkeit von Pfiffen in einer solchen Situation - ja, wir sind in Österreich... Der belustigte Jubel kommt nur auf, weil der Stand aus Düsseldorf (0 zu 1 für Norwegen) eingeblendet wird...

Gegen ein struktruell seit Generationen so gefestigtes Team wie die Schweden ist eine seit Generationen durch minderwertiges Coaching ungefestigte Mannschaft wie Österreich bei Rückstand natürlich im Nachteil.
Worauf sollte man sich denn stützen? Auf ein in Fleisch&Blut übergegangenes System oder (die Kür eines guten Teams) dessen Überwindung? Wo man beim Onkel aus Olomouc doch grade noch die Basics nachholen muß, die zuvor einfach nicht gelehrt wurden?

Da springt dann der von Isaksson mühsam abgewehrte Ivanschitz-Freistoß Janko so ans Knie als ob er ein Verteidiger wäre.
Und danach kommt Saurer für Ivanschitz und muß, in Ermangelung zentraler Kräfte (einem der Kardinal-Probleme), in der offensiven Mitte spielen. Und dann ist da auch Andreas Ulmer, und tatsächlich, er wird gezwungen den Offensiv-Part von Arnautovic einzunehmen - was für ein Unsinn, Herr Brückner, aber es ist echt auch schon wurscht. Und mit Mario Kienzl gibt es ein drittes Team-Debut innerhalb eines Spiels.

Schweden hat das Spiel zwischenzeitlich sicher in der Hand, hat den durchaus glücklich erzielten Vorsprung clever investiert und verwaltet das Ergebnis jetzt sehr ordentlich.

The Aftermath

Und es kommt jetzt so wie heute untertags bereits angekündigt: ohne auf das tatsächlich Passierte zu schauen, ohne die Leistung zu relativieren, wird das Resultat eingebunkert und der alte Mann seiner Atemluft beraubt.

Funktionäre, Altstars und andere Profiteure, die wenn es drum geht sich an seriöser Strukturarbeit zu beteiligen oder ihre Arbeit auf das Team zumindest mitabzustellen, immer grad keine Zeit haben (weil sie Gratis-VIP-Eintritte schnorren) oder dringend aufs Klo müssen) stellen billige Forderungen, ein neuer ÖFB-Präsident kann den starken Maxe spielen, die Experten haben es schon immer gewußt und bedienen sich billiger Double-Binds (Prohaska etwa erklärt grade, dass mehr aus dem Mittelfeld kommen muß, dass aber Scharner zu viel offensiv getan hat - hallo? wie jetzt?).

Das Elend des heimischen Fußballs war heute nicht auf dem Platz zu sehen - dort fand in Anbetracht der dürftigen Personaldecke und der aktuellen Unform der meisten eine brauchbare Leistung (die das Niveau der heimischen Liga bei weitem überragt) statt, die Großchancen hielten sich die Waage, mit Schweden hat das (seit Jahren) besser organisierte Team gewonnen - sondern in der bigotten, pharisäerhaften Pseudo-Analyse nachher, in der philisterhaften Suche nach billigen Schlagzeilen, nach personalträchtigen Re-Aktionen, nach geiler Boulevard-Action abseits des Platzes.

Das ist ein Klima der dauerhaften Verunmöglichung von letztlich Allem.