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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 1. 2009 - 16:53

I helped Patrick McGoohan escape

Der Erfinder der womöglich gewagtesten TV-Serie aller Zeiten ist entkommen.

Eigentlich dachte ich ja, der wäre längst tot.
Aber das war nicht er, sondern ein anderer Hauptdarsteller einer ebenso einflußreichen englischen LSD-versetzten TV-Serie, der da in meinem Kopf sowas wie eine Einheit ergeben hatte: Ed Bishop, der Commander Straker aus UFO, der starb 2005, Patrick McGoohan, die Nummer 6, der Erfinder und Producer von The Prisoner, der lebte noch und ist jetzt gestorben.

Nun haben die 17 trippigen The Prisoner/Nummer 6-Episoden von 67/68 mit den 26 irrlichterndernden UFO-Folgen von 69/70 eigentlich nix zu tun. Sie füllten bloß beide das heimische Jugend/Nachmittags-Programm der 70er Jahre und brachten so ihre Idee der drogengeschwängerten Assoziationsfähigkeit und der daraus entstehenden Unmittelbarkeit der Reaktion fast zeitgleich an ein diesbezüglich recht wehrloses mitteleuropäisches Publikum.

Schauspieler Patrick McGoohan in der Serie "The Prisoner"

AMC

Patrick McGoohan in "The Prisoner"

Gemeinsam mit der kommerziell vergleichsweise erfolgreichsten Reihe The Avengers (bei uns "Mit Schirm, Charme und Melone", zu beachten vor allem die Diana Rigg/Emma Peel-Phase zwischen 65 und 68) bildeten sie sowas wie die Avantgarde einer subversiven Fernseh-Unterhaltung, die (durch die Zeitströmungen und das Swinging London dieser Periode befördert) bislang Unzumutbares (Offensive Frauen, aggressive Sexualität, Weltverschwörungs-Thesen, Argmageddon-Paranoia...) wie selbstverständlich an- und aussprachen und damit eine ganze Generation stimulierte.

The Drug Reference

Es gab auch mit einer wichtigen US-Serie der damaligen Zeit sowas wie ein heftiges transkontinentales Ping-Pong-Spiel: Batman (wo von 66 - 68 hauptsächlich Maßstäbe in Selbstironie gesetzt wurden).
Der große und gewichtige Unterschied zwischen den britischen und den amerikanischen Serien war aber der ganz klare Einsatz und Umgang von und mit diversen bewußtseinsverändernden Drogen.

Nicht alleine, dass viele Avengers-, etliche UFO- und praktisch alle Prisoner-Folgen deutlich drauf hingetrimmt sind unter den Einfluß von Pot oder LSD rezipiert zu werden, spielen Pillen oder Dämpfe immer wieder eine zentrale dramaturgische Rolle. Bei UFO etwa steigt die Serie in einem (durch die Aliens -!was für eine Metapher!- ausgelösten) Drogenwahn sehr bedrohlich aus ihren Kulissen und hinterfragt so ihre eigene Existenz.

The Prisoner (hier die Opening-Titels) bietet dieses Spannungsfeld als Dauerzustand. Und genau daraus bezieht die Serie ihren bis heute gültigen Reiz.

Ich bin keine Nummer, ich bin ein Mensch!

Patrcikc McGoohan spielt einen ehemaligen Agenten, der eines Tages in einer Anlage aufwacht, aus der es kein Entrinnen gibt. In "The Village", einer Art Guantanamo auf Soma ist jeder eine Nummer, er die Nummer 6. In jeder Folge versucht man (meist eine immer wechselnde Nummer 2) Informationen aus Nummer 6 rauszuholen.

Szenenbild aus der 60er Jahre Serie "The Prisoner" mit Patrick McGoohan

AMC

Die Dialoge (auch die mit den diversen anderen absurden Figuren, die in The Village herumstolpern) sind dementsprechend absurd und abstrakt, meist dreht man sich in formalen Spiralen. McGoohan befindet sich permanent in gedanklichen oder realen Fallen, versucht zu entkommen, Verbündete zu gewinnen oder hinter die Struktur zu steigen. Das manifestiert sich in seinem Wunsch einmal die Nummer 1 zu treffen.

Das ganze läuft ab wie auf Trip: verstärkte Wahrnehmungsintensität, bedeutungsschwangere Verstärkung von Wenig in Viel, Verlust des Kürzestzeitgedächtnisses. Ein dramaturgisch hochgewagtes Experiment.

Soweit ich mich erinnern kann ist die Nummer 1 dann McGoohan selber - aber auch diese Erkenntnis kann ein bloßer Trrick im Vexierspiegel der Reihe sein.

Wichtig für die plastische Darstellung innerer Zustände war auch die großartige Kulisse der Serie, die real existierende walisische Kunstdorf Portmeirion.

The Prisoner, Nummer 6,

gelang es, trotzdem die Reihe nach 17 Teilen nicht fortgesetzt wurde, zu eine der einflußreichsten TV-Serien ever zu werden. Man hatte es verstanden die bis dahin existierenden inhaltlichen Rahmenbedingungen für Massen-Produktionen gigantisch auszudehnen. Letztlich ist "The Prisoner" immer noch Muster für das meiste, was im Bereich "spooky & verschleiernd" produziert wird - ohne dass diese Nachfahren an die verzerrte, bizarre und desgalb wahrlich angsteinflößende Wirkung herankommen können.

AMC

Patrick McGoohan selber war vor der Serie, die sein Gesicht auf ewig konnotieren sollte, schon ein Star in England (auch mit einer Geheimdienstler-TV-Rolle. Angeblich lehnte er ein Angebot James Bond zu werden ab, ebenso wie die Rolle des Simon Templar), wurde anschließend ein gern und gut gebuchter Theater-, Film- und TV-Darsteller, der sich allerdings nie wirklich um die Qualität der Filme kümmerte und auch nie wieder etwas anderes selber entwickelte. Er produzierte und führte auch selber Regie.

Vor ein paar Jahren trat Christopher Nolan, allein durch Memento genau der richtige für so ein Projekt, wegen einer Verfilmung des Stoffs an McGoohan heran, leider wurde nix draus.

Der irischstämmige, in New York geborene, als Engländer geltende McGoohan und seine Nummer 6 sind seit Jahrzehnten ein fixer Inventarteil populärer Gegenkultur. Der englische 80er-Psychedelic-Schrulli Ed Ball, der mit seinen "TV Personalities", Stücke wie "I know where Syd Barrett lives" spielte, hatte mit seiner Band The Times McGoohan ein Lied gewidmet. Es heißt "I helped Patrick McGoohan escape" und spielt auf die Wunschvorstellung aller, die "The Prisoner" jemals gesehen haben, an.

McGoohan starb am Dienstag, er wurde 80 Jahre alt.