Erstellt am: 19. 11. 2015 - 16:05 Uhr
"Are you safe?"
4,1 Millionen UserInnen haben innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Attentat in Paris Facebooks Safety Check verwendet. Bisher wurde der Dienst nur nach Naturkatastrophen eingesetzt. Das soziale Netzwerk musste kurz darauf einiges an Kritik einstecken. Viele User wunderten sich, warum der Dienst nicht schon am Vortag nach einem Anschlag in der libanesischen Hauptstadt Beirut aktiviert wurde.
Es dauerte nicht lange, bis sich jemand vom Unternehmen zu Wort meldete. Facebooks "Vice President of Growth" Alex Schultz erklärte in einem Statement, warum man sich nach den Attentaten in Paris dazu entschlossen hat, den Dienst zu aktivieren:
[...] we apply a set of criteria that includes the scope, scale and impact. During an ongoing crisis, like war or epidemic, Safety Check in its current form is not that useful for people: because there isn't a clear start or end point and, unfortunately, it's impossible to know when someone is truly “safe.”
[...] In the middle of a complex, uncertain situation affecting many people, Facebook became a place where people were sharing information and looking to understand the condition of their loved ones. [...] So we made the decision to try something we've never done before: activating Safety Check for something other than a natural disaster. There has to be a first time for trying something new, even in complex and sensitive times, and for us that was Paris. [...]
Keine neue Idee
Die Idee hinter dem Safety Check ist nicht neu. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center richteten etwa Privatpersonen und Organisationen online Survivor Registries an. Jedoch waren diese Register verstreut auf viele Seiten und recht unübersichtlich, da sie nur Namen auflisteten und die Daten nicht in einem Datensatz zusammengefasst wurden.
Vermisstensuche
für Flüchtlinge
Nicht nur bei Naturkatastrophen oder Terroranschlägen gibt es Tools zur Vermisstensuche.
Trace the Face ist ein Service des ICRC, wo Flüchtlinge verlorene Angehörige mithilfe von Bildern suchen können.
Nach dem verheerenden Hurrikan Katrina 2005, entwickelten Freiwillige HelferInnen schließlich das People Finder Interchange Format – PFIF. Basierend auf diesem Open-Source-Format entwickelte Google den Google Person Finder. User können hier nach Katastrophen nach vermissten Personen suchen, einen Datensatz für eine vermisste Person erstellen oder Informationen für eine Person bereitstellen, über deren Zustand man Bescheid weiß. Aktuell ist der Dienst nach einem Erdbeben in Südasien und für Japan aktiviert.
System mit Tücken
Doch der Google Person Finder hat einen wunden Punkt: Der Dienst ist ohne Anmeldung zugänglich und Google übernimmt keine Haftung auf die Richtigkeit der eingegebenen Daten. So ist es schon vorgekommen, dass Personen als verstorben gemeldet wurden, obwohl sie am Leben waren.
Auch bei Facebook sollen schon falsche Einträge vorgekommen sein, doch das Unternehmen arbeite daran, das zu verhindern. Hundertprozentig verlassen kann man sich auf diese Tools also nicht.
Safety-Check-Tools sind bisher entweder aus privater Initiative entstanden oder von Unternehmen (weiter-)entwickelt worden. Dabei wäre so etwas wie Vermisstensuche eher im Bereich des Zivil- und Katastophenschutzes angesiedelt, der staatlich geregelt wird.
Ein staatlicher Safety Check? Das könnte zumindest Debatten darüber ersparen, bei welchem Ereignis Facebook oder Google ihre Safety Checks aktivieren. Eine Zusammenarbeit zwischen Behörden und sozialem Netzwerk wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung: Es würde dem Ganzen einen vertrauenswürdigeren Touch geben.
Facebook hat dazugelernt
Was diese Debatte rund um den Einsatz des Safety Checks nach Paris gezeigt hat: Wir vergessen viel zu häufig, dass Terror, wie er in Paris passiert ist, auch anderswo passiert und wir zu oft wegsehen.
Aus der Kritik hat man bei Facebook offenbar schon gelernt: Am Dienstag wurde der Safety Check erneut nach einem Attentat aktiviert. Diesmal nach einem Anschlag der Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria. CEO Mark Zuckerberg kündigte an, dass man den Dienst "weiterhin bei solchen tragischen Ereignissen" verwenden werde. Der Safety Check hat das Potenzial, nicht nur seinen eigentlichen Zweck zu erfüllen, sondern auch die Aufmerksamkeit auf Katastrophen oder Ereignisse zu richten, die zu schnell in Vergessenheit geraten.