Erstellt am: 11. 7. 2015 - 11:36 Uhr
Aggro Berlin
Heiß war es die letzte Woche, unerträglich heiß. Die unmenschliche Hitze staute sich in den Straßen, stieg die Häusermauern hoch, wurde dort nachts wie in einem Kachelofen gespeichert. Die Nächte brachten keine Abkühlung und tagsüber heizte sich der Moloch Berlin weiter auf. Die Hitze machte alle verrückt, auf den Straßen wurde gehupt und aus den Autos raus geschrien, zum Glück tragen die Leute hier keine Schusswaffen, es gäbe Tote an den Ampeln und Kreuzungen.

Christiane Rösinger
Radfahrer fegten einem mit hochroten Kopf vom Gehweg - der gemeine Berliner verträgt einfach keine Hitze. Kaum hat es mal 36 Grad, zeigt sich Aggro Berlin von seiner schlimmsten Seite und alle drehen durch.
Schlagzeilen machte wieder einmal das Columbiabad, ein Freibad im Stadtteil Neukölln. Dort war es laut Medienberichten zu einer Massenschlägerei mit 60 Beteiligten gekommen, 6000 Badegäste mussten die Anlage vorzeitig verlassen, das Bad wurde geschlossen.
So wurde das Columbiabad wieder einmal seinem Ruf als das gefährlichstes Freibad Deutschlands gerecht - und veranlasste die ebenfalls an hitzebedingter Gehirnerweichung leidenden Redakteure zu Schlagzeilen wie: Messer, Prügel, Polizeieinsätze oder Anarchie am Sprungturm. Die kriminalisierende Berichterstattung weist natürlich immer darauf hin, dass zu den Besuchern des Bads auch sehr viele Jugendliche mit arabisch- türkischem oder ex-jugoslawische Migrationshintergrund gehören.
Wer aber das Columbiabad auch den Rest des Jahres über besucht, wundert sich über die Panikmache: Es ist ein ganz normales, vor allem bei Neuköllner Jugendlichen und Familien beliebtes Sommerbad.

Christiane Rösinger
Neben kleinen Wortgefechten, die sich in der Hitze und Enge zu Massenaufläufen ausweiten, gibt es im Bad manchmal gezielte Attacken von jugendlichen Besuchern. Man verabredet sich über WhatApp oder Facebook: "Jetzt stürmen wir den Sprungturm". Wenn dann alle gleichzeitig springen, könnte es gefährlich werden und die Bademeister müssen eingreifen. Deshalb sind neben den Bademeistern auch immer etwa 20 Sicherheitskräfte vor Ort.
Aber die befragten Bademeister vor Ort wiegeln ab und stellen die Ereignisse am Sonntag anders dar: "Auf 180.000 Badegäste jährlich kamen 60 mehrheitlich Jugendliche, bei denen bei der großen Hitze die Synapsen durchgeknallt sind. Und alle Medien stürzen sich darauf. Berichtet wurde von einer Massenschlägerei. Die 60 haben sich daneben benommen, aber das war keine Massenschlägerei. Auch verletzt wurde niemand. Unser Appell an die Medien wäre, solche Ereignisse richtig einzuordnen."
Als die Polizei eintraf, hatten sich die verfeindeten Parteien bereits verdünnisiert und unter andere Badegäste gemischt.
Wie die Sensations-Berichterstattung nach hinten los gehen kann, musste dann am Dienstag das Team der " Berliner Abendschau", einer Sendung des Regionalfernsehens erleben, als sie vor Ort über das "Problembad" berichten wollte. Wieder kam es zu "Krawallen". Die Krawalle bestanden aus einem Wasserpistolen-Angriff auf das Kamerateam, das daraufhin nach der Polizei rief. Zudem wurde der Lokalreporter mit einem Eimer Wasser übergossen.
Das Filmteam hatte nicht bedacht, dass ein Kamerateam ein großes Ereignis für Jugendliche ist, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Kaum lief die Kamera, sprangen die 10- bis 14-jährigen Kids wild durcheinander, es entstand eine Gruppendynamik, die in eine Wasserschlacht mündete.
Aber auch am eher unmigrantisch geprägten Berliner Stadtrand kam während der Hitzewelle es zu Auseinandersetzungen. Dort gerieten Hundebesitzer, Badegäste und Anwohner aneinander. Man stritt sich über die Auslegung des Hundeverbots an den Uferbereichen des Schlachtensees und der Badestelle "Krumme Lanke". Die Stimmung dort ist seit Wochen vergiftet, Spaziergänger und Jogger beschimpfen und bedrohen Hundehalter, die es wagen, ihren Weg am Wasser zu kreuzen. Die Polizei musste einschreiten. Aggro Berlin!

Christiane Rösinger
Temperaturen von 38 Grad verwirren auch auch Einbrecher und Kleinganoven Berlins. Weil er Durst hatte, brach ein alkoholisierter 34-Jähriger in ein Lokal in Reinickendorf ein. Ein Anwohner verständigte die Polizei, nachdem er gesehen hatte, dass der Mann ein Fahrrad in die Scheibe des Geschäftes geworfen hatte und anschließend hineingestiegen war. Die alarmierten Beamten nahmen den Durstigen noch im Lokal fest. Leider hatte der Mann zunächst versucht, seinen Durst mit einer Flasche Tabasco zu löschen, was wenig erfolgreich verlief. Als die Polizisten ihn festnahmen, war er aber gar nicht aggressiv, sondern wollte nur noch schlafen.