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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

19. 6. 2015 - 15:54

Neon für die Ohren

Der schottische Produzent Hudson Mohawke will auf dem zweiten Album "Lantern" beweisen, dass er mehr drauf hat als Stadion-Trap und Dritter-Kanye-Produzent-von-Links. Das Resultat klingt ambitioniert, aber mitunter anstrengend bis kitschig.

HudMo in Wien

28.06. Eutopia Bühne (mit Cid Rim u.v.m.)

Auf der Eutopia Bühne spielen übrigens auch noch Schönheitsfehler und viele mehr.

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Der aus Glasgow stammende, mittlerweile aber von London aus die Welt bereisende Hudson Mohawke hat sich in den letzten Jahren einen immer größeren Namen gemacht: Zum einen als Teil von Kanye Wests engerem Kreis von Produzenten, die an diversen Hits des Maestros und seines G.O.O.D. Music Camps mitschrauben. Zum anderen hat er gemeinsam mit dem kanadischen Produzenten Lunice als TNGHT die tiefergelegten HipHop-Beats EDM-festivaltauglich gemacht, zum Beispiel mit Faustpump-Hymnen wie Higher Ground.

Auf seinem zweiten Solo-Werk "Lantern" wollte Hudson Mohawke aber bewusst ganz andere Dinge machen, als man von ihm aufgrund seiner bekanntesten Arbeiten erwarten würde. Es ist deshalb ein ambitioniertes Album geworden, das vieles ausprobiert und an manchen Stellen bewusst auch etwas verstört.

Der konzeptuelle rote Faden der vierzehn Stücke ist der Ablauf eines Tages: 24 Stunden von Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang. Dabei spielt der Club und die Party natürlich auch eine Rolle, aber eben nicht nur! Der Song Kettles repräsentiert etwa die Mittagszeit - klingt aber leider nach einer gar süßlichen Instrumentalsuite aus einem Hollywoodkomödien-Soundtrack der frühen Neunziger Jahre. Wie HudMo in den live getweeteten Liner Notes erzählt, hat er alles selbst gespielt - auch das Glockenspiel! Und angeblich ist von dem Stück gar eine Live-Variante mit Streichorchester in Planung.

Das Ausmaß des Pomps mag überraschen, der Fakt, dass es auf einem Hudson Mohawke Album ein rhythmusfreies Stück Musik gibt, tut das weniger. Schließlich hat der gebürtige Glaswegian neben den sehr tanzbodentauglichen Drops immer auch mit eingängigen Melodien gepunktet. Das Debütalbum Butter war voller Ohrwürmer, die mir oft einzig durch seine Vorliebe für Plastik-Sounds verleidet wurden. Die unsägliche Synthie-Panflöte aus Fuse zum Beispiel, die als eine Art akustisches Bookmark sogar im "Lantern"-Intro zurückkehrt.

Tim Saccenti

Dank seines festen Platzes in Team Kanye hatte Hudson Mohawke diesmal Zugriff auf prominentere Namen für die Gästeliste. Rapper sind trotzdem keine dabei, dafür aufstrebende R'n'B-Namen wie Miguel oder Jhené Aiko - aber auch Antony Hegarty von Antony & The Johnsons. Mit dem arbeiten HudMo und Daniel Lopatin derzeit an einer ganzen Platte, auf die man nach dem Genuss von "Indian Steps" noch eine Spur gespannter sein kann.

Es gibt sie also, die guten Tracks auf "Lantern". Letztlich wirkt das Album aber trotzdem ein bisschen wie eine Übung, um die Welt von der eigenen Vielseitigkeit zu überzeugen. Hudson Mohawke wollte auf jeden Fall zeigen, dass er mehr drauf hat, als nur Club-Banger zu produzieren.

So wichtig es auch ist, als Künstler neue Facetten an sich selbst zu entdecken: Letztlich versucht "Lantern" leider ein bisschen zu viel von allem. Neben den schon erwähnten Sounds gibt es liebliche Computerspielmelodien, Gabber, Soul-Loops, Plastik Percussion und sehr mainstream-poppigen R'n'B oder rockigen Achtziger-Funk zu hören. Es ist vielleicht die akustische Entsprechung zur ständigen Reizüberflutung unserer Zeit, noch dazu in sehr grellen Klangfarben gehalten. Insoferne ist die Cover-Grafik ja nur stimmig: Das ist Neon für die Ohren.