Erstellt am: 5. 6. 2015 - 16:03 Uhr
Einfach nur marvellous
Es gibt Dinge, die kommen nicht ins Fernsehen, andere schon. Vor drei, vier Wochen zum Beispiel war ich in meiner Freizeitfunktion als Publikum in Maidstone in dem Fernsehstudio, eigentlich eine glorifizierte Container-Halle, wo "Later... with Jools Holland" aufgezeichnet wird, seit die BBC leichtfertig ihr fabelhaftes modernistisches Television Centre verhökert hat.
Ich bin sonst nicht so der "Later"-Typ, aber in diesem Fall war das anders, denn an diesem Abend waren FFS, die furiose Fusion aus Franz Ferdinand und Sparks, als Headline-Act gebucht.
Ich hatte hintenrum mitgekriegt, dass sie dabei auch eine Version des größten Sparks-Hits "This Town Ain't Big Enough For The Both Of Us" spielen würden.
Schlagzeuger Paul hatte sich nämlich auf Facebook nach dem korrekten Sample für den Pistolen-Schuss im Stopp nach der ersten Strophe erkundigt. Wozu, wenn nicht, um zum richtigen Zeitpunkt die Waffe zu triggern?
Wie Nick McCarthy mir später erklärte, sollte es das erste und letzte Mal sein, dass FFS diesen Song bzw. ein Medley aus "This Town" und "Take Me Out" spielen würden. Eher widerwillig, nur der Show zuliebe, bedeutet diese plumpe Kupplung der jeweiligen Gassenhauer doch genau das Gegenteil der Idee von FFS, gemeinsam einen der neuen Formation eigenen Sound zu erschaffen. Aber die Geschichte des Pop ist wohl eine der Kompromisse, untersetzt mit umso mehr kompensierender Kompromisslosigkeit, wo's wirklich darauf ankommt (Teilzeit-Adornos der Cobain-Schule mir bitte jetzt nicht mit dem "richtigen Leben im Falschen" kommen, faschistisches Regime oder burgenländische Landespolitik war die Musikindustrie selbst in ihren stärksten Zeiten nicht. Nicht ganz jedenfalls).
Ausdiskutieren können wir das auch gern einmal, aber zuerst zurück zu Jools Holland, bei dem wird nicht diskutiert, da sagt man zu allem und jedem einfach nur "marvellous" oder "fantastic new album".
Und wenn einem ein Gast zum Gespräch vorgesetzt wird, fragt man "What inspired you to make music?" (Antwort: "Lonnie Donegan") bzw. "What would you recommend to young musicians starting out?" (Antwort: "Be yourself").
Das Manuskript dazu steht säuberlich gemeißelt auf einem von zwei grobschlächtigen Roadies hinter der Kamera hochgehaltenen Grabstein aus Granit, damit Jools es gut lesen kann. Alles andere ist frei improvisiert.
Bevor aber die Show losgeht, kreist gänzlich ungeskripteter- und ungefilmterweise ein hinkender, untersetzter Herr in Jeans und T-Shirt mit Mikro in der Hand als Aufwärm-Komiker durch den Saal, erzählt dem Publikum so-schlecht-dass-beinahe-schon-wieder-gute Witze und verteilt universell einsetzbares Lob an die versammelten Bands ("Hab sie vorhin beim Soundcheck gehört, waren unglaublich, Ladies and Gentlemen...").
Als er bei FFS vorbeikommt, kann er sich kaum mehr einkriegen: "Legenden! Ladies and Gentlemen, Legenden! Sparks, Ladies and Gentlemen! Unglaublich, aber in all den Jahren ist das das erste Mal, dass sie für uns spielen."
Unglaublich, dass wir sie bisher nicht gebucht haben, meinte er wohl. Gelegenheiten und Angebote hätte es ja gegeben. Aber so ist das eben mit redaktionellen Entscheidungen. Die Einschätzung, wer als Legende und wer als alter Hut zu werten ist, ändert sich gern einmal, im Glücksfall noch vor dem Ableben der Legende.
Das Richtige und das Falsche schon wieder, die gute Miene zum bösen Spiel, der "Pakt mit dem Teufel", wie es Ron Mael selber in meinem Interview mit ihm und Russell und Alex Kapranos genannt hat.

Robert Rotifer

Robert Rotifer

Robert Rotifer

Robert Rotifer
Kaum eine Platte sieht dieser Verlogenheit der Welt wissender ins Auge als "FFS", das Debüt-Album von FFS ("for fuck's sake" heißen sie wohl auch zwecks Vorwegnahme der zynischen Skepsis. "Franz Ferdinand und Sparks haben eine Platte zusammen gemacht? LMFAO, FFS! WTF?" Antwort: "Piss off")
Wenn überhaupt ist das ja wohl auch die einzige leise Kritik, die mir zu diesem Album einfällt: "Collaborations Don't Work" und "Piss Off", die zwei Tracks, die mich mit der Schläue ihrer vorsorglichen rhetorischen Verteidigung wider die potenziellen Schmäher mittels Selbstironie sofort für sich eingenommen hatten, sind auch die, die sich dann mit der Zeit am Schnellsten abnützten. Um überhaupt soweit zu kommen, musste ich das Album aber erst zehn, zwanzig Mal hören, und das spricht dann eh schon für sich.
Außerdem hab ich bereits die ziemlich gute, heutige Review von Alexis Petridis im Guardian gelesen und mit Genugtuung festgestellt, dass er über meine Lieblingslieder nörgelt ("Police Encounters" vor allem), meine definitiv Zweitliebsten lobt (das eh auch gute "The Power Couple") und dabei trotzdem noch reichlich Material für weitgehende Übereinstimmung bleibt ("Little Guy From The Suburbs", "Things I Won't Get", beide wirklich groß) - ein untrüglicher Beweis der schieren Qualitätsdichte dieses Albums, das zwar im Schnellverfahren aufgenommen wurde, aber über anderthalb Jahre hinweg im Verfahren des Email-Austauschs – bekanntlich dem besten Format für scheinbar spontanen Wortwitz – geschrieben wurde. Alles andere als ein hingeschlonzter Blog also.
Nicht dass ich nur solche Sachen machen würde, ich schreibe ja auch ordentliche Artikel, besonders gerne über FFS für deutsche Monatsmagazine (Clue: "Dig it" von den Beatles singen!) oder österreichische Wochenblätter (nächste Woche so viel reimen), und mache Radiosendungen wie etwa mein letztes Heartbeat mit dem erwähnten Mael/Mael/Kapranos-Interview drin, das noch bis zum Ende des Wochenendes angehört werden kann (genau hier nämlich), und eine sogenannte Listening Session in FM4 Connected am Samstag, den 6. Juni.
Darauf wollt ich hier hinweisen, letztere Listening Session muss jetzt aber auch einmal erst produziert werden, also vorerst Schluss hier.
A propos Schluss:
Der Schuss.
Den hab ich dann gar nicht gehört im "This Town/Take Me Out"-Medley, auch später auf Youtube nicht.
Schade. Dann vielleicht doch noch einmal spielen. Spaß scheint es ja trotzdem gemacht zu haben.

Domino Records
FFS ist übrigens seit heute in euren Shops, das sollte man schon auch dazu sagen.