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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

5. 5. 2015 - 18:32

Turn me up, watch me go

Synth-Pop der stärksten Gefühle und allergrößten Gesten: Twin Shadow und sein drittes Album "Eclipse".

Hinfallen, wieder aufstehen, sich verzehren und das Verlangen stillen, die Tränen vom Motorrad-Fahrtwind wegwischen lassen - die Musik von George Lewis Jr. und seinem Bandprojekt Twin Shadow hat sich schon immer in einer Welt aus Leidenschaft, Schmerz und den ganz, ganz großen Gefühlen abgespielt.

Nach "Forget" und "Confess" kommt bei Twin Shadow nun die "Eclipse", die völlige Sonnenfinsternis des Herzens. Aus dem Sehnen ist ein Haare Raufen und sich das Herz aus der Brust Reißen geworden. Ursprünglich hatte George Lewis Jr. die Platte für sein altes Label, die Indie-Institution 4AD produziert, aber als es fertig war, hat er erkannt, dass der einzig logische Platz für "Eclipse" ein Major Label war.

Twin Shadow

Twin Shadow

"Ich habe noch nie verstanden, wieso es keinen Radiosender gibt, auf dem Taylor Swift ebenso läuft wie Burial und James Blake und eben meine eigene Musik", sagt Twin Shadow in einem aktuellen Interview. "Die Trennung zwischen Indie und Mainstream leuchtet mir einfach nicht ein." "Eclipse" greift also musikalisch nach den allerhellsten Sternen. Die Sexyness von Funk, Soft-Rock und früher Disco, die Melodieseligkeit von 80er-Jahre-Synth-Pop, die Bodenständigkeit von Power-Pop - Twin Shadows Musik ist das Gefühl einer flatternden Lederjacke auf der Haut, die Hände flehend zum Himmel gestreckt, die Gitarre im Anschlag. Ebenso wie die Musik sind auch die Lyrics der Platte nicht von schüchternen Gesten und vorsichtigen Umschreibungen geprägt, sondern bedienen sich auch hier an oft stadion-erprobten Vergleichen und Reimen.

When the light's turned out
you kept so many secrets
but I stick around though
jealousy and exstasy are slowly taking over me

"Eclipse" Album Cover / Twin Shadow als Schatten

Warner Bros. / Twin Shadow

"Eclipse" von Twin Shadow ist bei Warner Bros. erschienen.

Ausreißer aus dem hymnischen Schema gibt es auf "Eclipse" nur wenige. Ein Umstand, den man dem Album sowohl als Vorteil, also als Konsequenz, als auch als nervenstrapazierenden Nachteil auslegen kann. Inbrunst und triumphaler Überschwang bekommen einfach keine Pause. Etwas widerborstiger gestaltet sich mit einem stolpernden Beat und Störgeräuschen der Song "Watch me go". Vor allem aber sticht der Track "Old Love/New Love" hervor, der als einziger den Schlagzeugbeat durch eine pumpende, elektronische Kickdrum tauscht und von einem House-Piano auf den Club-Dancefloor getrieben wird.

Den Österreich-Gig seiner Tour am 15. Mai bei der großen Party von The Gap in der Grellen Forelle hat Twin Shadow wegen eines Autounfalls leider absagen müssen. Die aktuelle Tour wird Ende Mai beim Primavera Sound fortgesetzt.

Twin Shadow stellt seine Bühnenfigur auf "Eclipse" kompromissloser denn je dar. Das ist in der Liveversion nichts weniger als umwerfend. Auf Platte ist es auch sehr gut, man muss solche Dinge aber auf jeden Fall erst einmal mögen, sonst wird die Ladung aus Testosteron und Herzschmerz schnell zur Überdosis.