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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

3. 4. 2015 - 15:48

Das Album, das aus der Leere kam

Hinter der Frage "Where Is My Weather" versteckt das Grazer Trio The Base wundervolle Songs und ungeschminkte Eigenwilligkeit.

Minute 01:00: Erdige Gitarren und Bass, treibendes Schlagzeug und raue Stimme. Das Dreiwetter-Trio sitzt perfekt am Beat.

Minute 03:00: Französischer Gesang, punkiger Sound und viel Energie. Das Dreiwetter-Trio rockt.

Minute 12:00: Balladeske Töne, langsamer Rhythmus und herzzerreißendes Gesangsduo. Das Dreiwetter-Trio swingt.

Egal, ob die Zeichen auf musikalischem Sturm stehen, wie bei der Single "Avril", entspannt und layed back die Ruhe danach besungen oder wenn mit swingendem Jazz an einen toten Freund gedacht wird, das Grazer Trio The Base trifft auf dem neuen Album "Where Is My Weather" immer den richtigen Ton. Nämlich ihren ganz eigenen.

Portraitfoto das Trio The Base mit Regenschirmen

Marija Kanizaj

Wetterfühlig

Norbert ist ein wetterfühliger Mensch. Er merkt schon zwei Wochen vorher, ob das Wetter umschlägt. Obendrein machen sich leichte Schmerzen vor allem im Urlaub bemerkbar, denn anscheinend kommt es da häufig vor, dass es Hunden und Katzen regnet. Zumindest das hat uns den wundervoll melancholischen und recht instrumental gehaltenen Song "I Bet It Rains" beschert - zum ersten Mal gespielt und mit seiner Freundin gesungen auf einem nassen Campingplatz auf Korsika. Für das Album sind dann noch schöne Blechblasinstrumente dazugekommen, eine verschmitzte Slide-Gitarre, ein rollendes Folk-Schlagzeug und viel Gefühl.

Aber geht's auf "Where Is My Weather" wirklich nur um jene Nebensächlichkeit, über die man die meisten Gartenzaungespräche führt?

Norbert: "Naja, nachdem du elf Alben aufgenommen hast ... über was willst du dann noch singen? Wenn du mal nicht mehr weißt, worüber du reden sollst, dann redest du einfach übers Wetter."

Dem anschließenden Gelächter folgt eine recht gute Erklärung für die Phrase, die den Albumtitel stellt. Denn eigentlich geht es um eine Art warten, auf ein "fremdbestimmtes Glücksgefühl", also auf einen Moment, den man vermeintlich nicht selbst herbeiführen und kontrollieren kann. Ganz so, wie bei kreativen Prozessen, wie dem Songschreiben.

Album Cover "Where Is My Weather" The Base

The Base/Konkord

Das neue Album "Where is My Weather" von The Base ist auf Konkord Records erschienen.

Dass The Base musikalisch noch immer viel zu erzählen haben, beweisen alle elf Songs ihrer neuen Platte, die eine große Bandbreite an Emotionen abbilden. Da darf wie gewohnt traurig geschunkelt werden, inklusive schmetternden Trompeten, wie in dem bewegenden Stück "I'm No Bear". Oder es wird keck die Rockflucht nach vorne ergriffen, wenn bei dem aus einer paranoiden Traumsequenz entsprungenen "Tar And Feathers" sich vibrierende Orgelklänge mit verzerrten Gitarren und wildem Tambourine vermischen.

The Base können aber auch eine mystische, recht unheimliche Stimmung erzeugen. Das balladeke Stück "Easy When The Sun Goes Down" würde für einen alten französischen Film Noir ebenso passen, wie für einen österreichischen Alpenwestern im Schnee. Im nächsten Moment swingt dieses Trio unerhört charmant und jazzig dahin, wenn in "Our Boats Are on The Way" der geliebte Freund und Wegbegleiter Michael Glawogger die Band aus dem Jenseits für einen kleinen Gig buchen will.

Und wenn alles nichts mehr hilft - à la "sometimes it snows in april" - dann wird die Punk-Gitarre hervorgeholt und auf französisch über eine launische Liebe gesungen. Oder doch wieder nur über das Wetter?

Keine Angst vor der Leere

The Base müssen sich nicht immer neu erfinden. Das ist gar nicht ihre Intention. Wandel ist nicht das große Thema, vielmehr sich auf das zu konzentrieren, was das Trio und ihre Musik seit über zwei Jahrzehnten ausmacht: der unverwechselbare Sound.

Norbert: "Die Nummer 'Say Good Bye To Scooterboy' gefällt mir zwar immer noch, aber ich denke, wahrscheinlich gibt es Bands, die die Nummer besser spielen könnten. Wenn es für dieses neue Album einen Plan gab, dann den, dass wir auf der Suche nach Songs waren, die nur wir so spielen können. Also, dass unser Trio-Sound den Song bestimmt und nicht umgekehrt."

The Base live auf Tour:

  • 10. April: SUB, Wiener Neustadt
  • 11. April: Fluc, Wien
  • 17. April: Zone 11, Hallein.

Aus über dreißig Songs haben sich dann jene herauskristallisiert, die nicht dem klassischen Popformat entsprechen. Das wäre für Norbert sowieso zu langweilig gewesen. Vielmehr geht es um den Spaß und die Spannung, Lieder zu schreiben, die in ungewohnte Gefilde führen oder an so mancher harmonischen Ecke plötzlich unvorbereitet in eine andere Richtung abbiegen.

Einfacher formuliert könnte man sagen, dass sich mit "Where Is My Weather" die Grazer Musiker noch mehr selbst gefunden haben. Und das ist vielleicht auch einer gewissen "Leere" zu verdanken, die sich im Leben einmal einstellen kann, wenn rund um das kreative Musikerleben alles in recht klaren, alltäglichen Bahnen verläuft. Das würde auch der von Künstlern gerne ins Treffen geführten These (oder besser: überholten Gefühligkeit) widersprechen, dass man nur mit großen emotionalen Talfahrten erst kreativ werden und künstlerisch anspruchsvolle Arbeit verrichten kann.

Portraitfoto The Base von hinten mit Regenschirmen

Marija Kanizaj

So wäre für die neue Platte "Where Is My Weather" von The Base der passende Untertitel "... oder die Kunst aus dem Leeren zu schöpfen" (frei nach Robert M. Pirsig). Denn, wenn der ein Buch über das Wetter schreiben würde, dann könnte es so klingen wie dieses herrliche Album einer österreichischen Musikinstitution, die hoffentlich noch lange etwas zu erzählen hat. Und seien es auch nur Geschichten über das Wetter.