Erstellt am: 16. 3. 2015 - 17:14 Uhr
It's the Policy, stupid!
Die neue Biederkeit sieht kein Ende. Schon das Jahr 2014, von Spex zu einem "Scheißjahr" erklärt, umarmte begeistert die Hype-Bands Future Islands und War on Drugs, die tatsächlich den 70ies Softrock von Dire Straits und Hall & Oates wiederbeleben und mit "Ehrlichkeit", "handwerklichem Ethos" und "Aufrichtigkeit" punkten, in dieser unserer doch so komplexen und gewalttätigen Welt voll der Hässlichkeit und Ungerechtigkeit mit Slogans wie "People Change" Trost und Rat versprechen. (Vielleicht kann eine pfiffig-romantische, österreichische Truppe die Metapher von der "Hektomatik-Welt" wiederbeleben?) Und es geht ungebrochen weiter.

Merge Records
Will Butler ist den Fans der Riesenband Arcade Fire als Bassist bekannt, als Bruder und feistgesichtiges Frisur-Lookalike des Bandleaders Win Butler und Schwager der Bandleaderin Regine Chassagne, außerdem für Arcade Fire'sches Bühnenrumzappeln und Hochgieksen und dafür, dass er ungefähr 45 Instrumente spielt. Dafür, dass seine Stammband mit ihren Kirchenorgeln und ihrer ehrlichen, christlichen Ekstase, die sie jederzeit abzurufen bereit sind, von manchen für die Avantgarde dieser neuen, Schweiß und Tränen verströmenden Gefühlsspießigkeit gehalten wird, kann der Mann erstmal nichts. Dafür, dass er für sein Soloalbum die Musik seines Herzens als Vorbildgefäße gewählt hat, kann man ihn auch respektieren, zumal diese Musik nicht die neueste zwar, aber auch nicht schlechteste ist: Devo, Suicide, Tav Falco, Modern Lovers / Violent Femmes, Sam Cooke, Morissey, Neil Young ... Wir können sicher sein, dass wir mit Will Butler nächtelang über gemeinsame, gute Musik reden und viel Spaß haben könnten.
Dass er diese Gefäße aber derart durchschaubar füllt, dass es nicht selten eher zur unfreiwilligen Parodie wird, ist aber nachgerade eine Beleidigung unserer Intelligenz, der von uns HörerInnen. Schließlich wollen wir KritikerInnen - aber auch nicht wenige Fans - immer gerne ein wenig tüfteln: Woher hat er das? Wo will er sich da einordnen? Was hat dieser Sound in diesem Kontext zu sagen? So aber liegt das alles offen vor einem, wie ein bereits fertig interpretiertes Gedicht, ein Gemälde mit beigelegter "1.000 Meisterwerke"- Moderation, geheimnislos und zum Wegwerfen gemacht.
So bleibt uns nur mehr das schnöde Namedroppen, für das wir sonst so gescholten werden: John Lennon, Neil Young und Panther Burns ("Take my Side"), Devo und Suicide ("Anna"), Leo Sayer und Todd Rundgren ("Finish What I started"), Violent Femmes und Violent Femmes, bis hin zum Milwaukee Akzent ("Son of God"), David Bowie & Leon Russell ("Something's Coming up"), Johnny Thunders und The Cars ( "What I want"), Morrissey und Christopher Cross ("Sing to Me") und Shakin' Stevens ("Witness").
Schon klar: Es gibt nichts Neues unter der Sonne und die Flüsse fließen ins Meer, doch das Meer wird nicht voll. Aber für so viel Eitles und vergebenes Streben wird es dem Herrn vielleicht doch gefallen, Will Butlers Hand verdorren zu lassen.