Erstellt am: 21. 2. 2015 - 14:09 Uhr
Frühjahrsputz
Die Sonne zeigt sich jetzt täglich ein paar Stunden in Berlin. Ein großes Ereignis, denn der Berliner Winter ist ja berühmt für seine 50 Shades of Grey. Da schaut man sich schon mal in der plötzlich so hellen, verlotterten Bude um, entdeckt Spinnweben an der Decke, Schlieren an den Fenstern und Wollmäuse in den Ecken und denkt über den Frühjahrsputz nach.

Christiane Rösinger
Genau so geht es auch den Berliner Politikern, wenn sie sich in der Stadt umschauen. Da kommen erste Ideen für das große Aufräumen ins Hirn, werden gesammelt und sofort publik gemacht. Leider entsprießen dem frühlingshaften behördlichen Ordnungsimpuls bislang nur schlechte Ideen, nämlich die von Verboten, Kontrollen und Strafen und der weiteren Verregelung unserer liebenswert chaotischen Stadt.
Ordnung soll vor allem einmal am Görlitzer Park geschaffen werden. In dem neuerdings so skandalträchtigen Park wird seit über 20 Jahren mit Haschisch gedealt – ein Angebot, dass Anwohner und Touristen stets gerne angenommen haben. Bislang hatten sich die Parknutzer untereinander verständigt – dann stieg die Zahl der Dealer wegen steigender Flüchtlingszahlen sprunghaft an, manche Anwohner fühlen sich unwohl. Nun soll der Park drogenfreie Zone werden – aber nicht einmal die Berliner Polizei steht hinter dem Vorschlag, weil sich die Szene, seit verstärkt kontrolliert wird, sowieso schon in die Nebenstraßen verlagert hat. Und weil man ja weiß, dass Dealer sich nicht einfach in Luft auflösen, solange es eine Nachfrage gibt.
Nun hat man schon mal sämtliche Büsche und Hecken im Park brutal gestutzt, denn in einem kahlen Park lassen sich schlecht Drogenverstecke anlegen. Ab ersten April soll eine Null-Toleranz- Grenze im Park gelten, das heißt, die bisherige Regelung, die das Mitführen geringer Mengen Gras als Eigenbedarf erlaubt, soll ausgesetzt werden. Dagegen hat sich natürlich bereits Widerstand gebildet und am ersten April wird zum großen “Solidaritäts-Kiff-In“ im Görlitzer Park gerufen.

Christiane Rösinger
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Auch der anderen Volks- und Genussdroge Alkohol will man an den Kragen. Ein CDU -Abgeordneter forderte letzte Woche das Verbot nächtlichen Alkoholverkaufs in den allseits beliebten Spätis, den Nachtverkaufsstellen für Getränke, Chips, Süßigkeiten, Zigaretten und anderen Partybedarf. Natürlich ist es nicht schön, wenn im Sommer wieder die Deppinnen und Deppen aus aller Herren und Frauen Länder in Kreuzberg einfallen und dem kulturellen Missverständnis aufliegen, man dürfe sich hier grundsätzlich nur mit einer Bier- oder Club-Mate- Flasche in der Hand fortbewegen. Das Wegbier ist inzwischen zur jugendlichen Gehhilfe geworden. Das ist irgendwie idiotisch und nicht schön anzusehen, aber trotzdem geht es hier um die Freiheit eines jeden Menschen, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, wie er und sie es will.
Doch der frühjährliche Putzwahn trifft nicht nur den Dealer, Kiffer und Trinker sondern auch den besten Freund des Menschen und speziell des Berliners und der Berlinerin – den Hund.

Christiane Rösinger
Die Bewegungsfreiheit der vierbeinigen Stadtbewohner soll stark reglementiert werden, ab 2018 gilt der Leinenzwang, das Mitführen eines Kotbeutels soll Pflicht werden. Letzteres ist erst einmal zu begrüßen, denn dass viele Hundebesitzer denken, ihre Hunde könnten ihre Tretminen auf den Trottoirs der Stadt absetzen, ist krass rücksichtslos und ekelhaft. Nun sollen die Tiere aber auch nicht mehr am Schlachtensee – einer Wasserstelle im Hundeauslaufgebiet – baden dürfen. Das schmerzt natürlich Frauchen, Herrchen und Hund und wegen dieses sensiblen Themas wurde bereits 2012 der sogenannte „Bello-Dialog“ ins Leben gerufen, der nun aber mit der neuen Leinenpflicht als gescheitert gilt.

dpa
Die Errichtung einer sehr unschönen Ecke direkt am Berliner Alexanderplatz konnte jedoch nicht durch Reglementierungen und Verbote verhindert werden. Wer will, kann sich seit dem 18. Februar plastinierte Leichen am Fuße des Fernsehturms in Berlin ansehen. Der Bezirk Mitte, der die Ansiedlung des neuen „Körperwelten- Museum“ untersagen wollte, verlor das zweite Mal vor Gericht.
Aber da der Berliner Alexanderplatz schon vorher ein sehr gruseliger und trashiger Ort war, passt diese Kitsch- Ausstellung ja auch ganz gut da hin.