Erstellt am: 14. 12. 2014 - 15:25 Uhr
Blonde Mädchen, Macht und Masse
"Nicht Verzweiflung, aber eine Angfressenheit steckt schon von vorne bis hinten drin", sagt Karl Schwamberger über sein neues Laokoongruppen-Album "Blonde Mädchen, Macht und Masse".

Selina de Beauclair / Susi von Hasen
Tagtäglich hat man in Österreich ausreichend Futter, um seine Angfressenheit über die Massen zu pflegen und sich bis zum Erbrechen zu laben, während eine Volksmusik-Kapelle oder ein Dodl in Lederhosen fröhlich jubiliert: #stolzdrauf
Davon weiß die Laokoongruppe, wenn auch sehr subtil, ein Lied zu singen. Es beginnt mit schneidendem Noise, aufgelöst in Bläsersätzen, gefolgt von einer hellen Männerstimme:
der Jägerchor singt für die Opfer / verbeugt sich das ist große Oper / dann sind sie still sie müssen zielen / passt auf jetzt kommt der Zwölftonjodler / und das Duett der Totengräber
Der "Zwölftonjodler" eröffnet "Blonde Mädchen, Macht und Masse". Das Album versammelt Technolandler, Blasmusik-Pop und Dorfdiscofox. Die österreichische Walzer-Melancholie und Schlager-Seeligkeit wird mit surrender und rumpelnder Elektronik gebrochen und neu interpretiert. Eine kontroversielle, erfrischende Mischung, deren Texte auf viele Arten lesbar sind: Als Diskurs-Disco und subversive Systemkritik. Als poppige Poesie oder postmodernes Protestlied wie zum Beispiel in "Mutter":
Mutter kannst du bitte / dieses Lied noch einmal spielen / du weißt schon / das mit der Gerechtigkeit / du weißt schon das zu dem / wir früher so gut schliefen / ach das war das schönste Lied / weit und breit / und Mutter kannst du bitte / einmal noch vorlesen / aus dem großen schönen alten / Umverteilungsbuch.

Laokoongruppe
Dabei ist "Mutter" schon das zweite Sozialpartnerschaftslied der Laokoongruppe. Bereits auf dem ersten Album "Walzerkönig" gibt es eine Nummer mit dem Titel "Fette Rote Mama" und bei "Mutter" geht es in anderer Form um das gleiche Thema: "Da steckt der Wunsch einer Generation drinnen, sich wieder ein bisschen aufgehobener fühlen zu dürfen."
Den Musiker-KollegInnen, die ach so authentisch wie möglich auf der Bühne stehen wollen, hat die Laokoongruppe eine Polemik namens "Nach den Authentizitätskriegen gewidmet":
"Weil die Leute eben ganz wahnsinning von innen heraus und ehrlich und authentisch auf der Bühne stehen wollen und dann deswegen gute Musiker und Musikerinnen sind, ohne dass auch nur Ansatzweise an Bertholt Brecht zurückgedacht wird. Sobald jemand auf einer Bühne steht, ist es einfach nicht mehr authentisch. Und um das geht’s in dem Song."
"Blonde Mädchen, Macht und Masse" wirkt verglichen mit den Vorgänger-Alben viel persönlicher, was allerdings an einem einfachen Songwriting-Kniff liegt: "Nach dem letzten Album hab ich den Eindruck gehabt, es kommt viel zu oft das Wort 'Wir' vor und dieses 'Wir' wollte ich ein bisschen wegkriegen. Deswegen hab ich Texte, die ich schon hatte, auf 'Du' umgeschrieben und das größtenteils auch beibehalten. Und daher kommt diese Anmutung, dass es hier viel mehr um Zwischenmenschliches geht".
Blasmusik ist für viele ein herzerwärmendes Ensemble, doch "Blonde Mädchen, Macht und Masse" wirkt noch sentimentaler als die Vorgängerplatten. Nicht nur die (sozial-)romantischen Texte, auch die Musik ist intim eingefärbt und weist im weitest möglichen Sinne Richtung Soul und RnB.
Dabei streut der Deutschlehrer Schwamberger immer wieder Hochkulturzitate in seine Songs: "Lachenmann sag kann man dazu Liebe machen" ist benannt nach dem zeitgenössischen Komponisten Helmut Lachenmann. Der Song "JJ" geht auf den deutschen Archäologen Johann Joachim Winckelmann zurück und "Bonnie" dreht sich - wie könnte es anders sein - um "Bonnie & Clyde".
"Blonde Mädchen, Macht und Masse" ist ein vielschichtiges und facettenreiches Spiegelbild Österreichs und der Welt. Es ist poetisch und politisch, ohne den Zeigefinger zu heben. Die Laokoongruppe greift ähnlich wie Attwenger auf musikalische Traditionen zurück ohne dabei provinziell zu wirken. Ganz im Gegenteil!
Live@RKH: Gewinnt Karten für die Laokoongruppe
Entstanden ist das Album in Zusammenarbeit mit dem Radian-Gitarristen Martin Siewert. Er wird gemeinsam mit Lukas König von koenigleopold die Laokoongruppe live unterstützen - und zwar am Dienstag, den 16. Dezember 2014 im Wiener Radiokulturhaus.
Wir verlosen 2*2 Karten dafür und dafür müsst ihr folgende Frage beantworten:
In welchem Museum steht die Statue der Laokoongruppe?
Die Verlosung ist bereits vorbei. Die richtige Antwort war: Vatikanische Museen in Rom/Vatikan. Die Gewinner wurden bereits per Mail verständigt.