Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ist world peace wirklich Morrisseys business?"

Martin Pieper

radio FM4

Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

17. 7. 2014 - 18:00

Ist world peace wirklich Morrisseys business?

Nein, das nicht. Aber schön singen kann er immer noch und jetzt sagt er auch Gedichte mit Pamela Anderson auf.

Das neue Album von Morrissey heißt tatsächlich „World Peace Is None Of Your Business“. Es ist gar nicht schlecht, und selbst Menschen, die von Morrissey nur noch genervt sind, sei es wegen seiner unglaublich eitlen Autobiografie aus dem letzten Jahr, oder wegen diverser halbgarer politischer Aussagen zwischen Gaga und Tierschutz, müssen zugeben, dass es erstmals seit Längerem auch wieder musikalisch was hergibt. Flamencogitarren? Check! Glasharfen? Check! Interludes? Check! Das Allerbeste daran sind aber die beiden Vorab-Videos des alten Miserabilisten Morrissey zum neuen Album. Da inszeniert er sich als Poet mit Muse. Niemand Geringerer als Nancy Sinatra bringt dem klavierklimpernden Morrissey weiße Rosen und ein Gedicht vorbei.

Für Morrisseys Spoken Word Video zum Song „The World Is The Loneliest Planet“ hat er sich auf das Dach des berühmten Capitol Records Building in Los Angeles begeben. Der architektonische Maiskolben ist eine Erinnerung an die alten glamouröseren Tage der Musikindustrie. Unter der unbarmherzigen Sonne Kaliforniens dürfen sich PETA-Mitstreiterin Pamela Anderson und Morrissey gegenseitig anschmachten. Das graue England ist weit. Lonely ist es eh überall auf diesem Planeten, das alte Credo der Smiths-Jugendlichen der 80er Jahre ist universell gültig.

Was sonst noch wichtig zu wissen ist

Mit dem Song „Neal Cassady Drops Dead” hat Morrissey wieder einen Song über Dichter im Programm, nicht der einzige Rückgriff auf alte Smiths-Texte. Statt Keates, Yates oder Oscar Wilde sind diesmal die amerikanischen Beatniks an der Reihe. Allen Ginsbergs Tränen shampoonieren den Bart des toten Lovers Neal Cassady, wenn man den sprachmächtigen Reimen Morrisseys folgt. Ein bisschen Gaga-Nonsens zieht sich sowieso durch die ganze Platte. Das hat man schon länger nicht mehr so gehört auf einer Morrissey-Platte. „Mad in Madrid, Ill in Seville, Gaga in Málaga, No mercy in Murcia” wird da munter drauflosgereimt und gestolpert. Das hat mehr mit der Leichtigkeit von „Frankly Mr. Shankley“ oder „Some Girls Are Bigger Than Others“ aus alten Smiths-Tagen zu tun als mit der mitunter lähmenden Gravitas mit der Morrissey seine Songs zu inszenieren pflegt.

Plattencover: Morrissey mit Stift und Hund

Universal Music

Singen über die Prostata

Die Songs sind dann doch oft zu lang geraten, nach drei, vier Minuten könnte Schluss sein, aber ein Flamenco-Gitarrensolo plus Coda geht sich leider immer noch aus. Wie so oft, würde man sich auch den einen oder anderen Refrain etwas zwingender wünschen. Aber musikalisch ist „World Peace is None Of Your Business“ zugänglicher und vielfältiger als das übermännliche Glam-Rock-Gegockel der letzten drei Alben. In dieser Hinsicht muss man auch die zentrale (9 Minuten!) Ballade der Platte „I’m Not A Man“ erwähnen. Eine Absage an klassisch männliche Zuschreibungen, im schönsten Crooner-Style vorgeführt, wie es nur Morrissey kann. „No big fat locker room - Hockey jock - Laughing - I'm not a man”. Das ist aber auch der erste mir bekannte Popsong, in dem das Wort „Prostata Krebs“ vorkommt.