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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

27. 3. 2014 - 19:39

We Must Throw Our Shadows Down

Angel Olsens zweites Album "Burn Your Fire For No Witness" begeistert mit intelligenter Introspektion und der Ambivalenz der Einsamkeit.

fm4.ORF.at/musik

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"Burn Your Fire For No Witness" ist eines der Alben, die ich nicht in einem durchhören konnte. Gleich der erste Song war tagelang auf Repeat. Dann der zweite, dann der dritte. Und dass, obwohl ich nicht einmal auf Indie-Folk mit Nancy-Sinatra- und Nashville-Vibes stehe.

Aber Angel Olsen verzaubert. Zuerst mit ihrer Stimme, die gegensätzlicher nicht klingen könnte: Brüchig und stark, wild und schwach, beunruhigend, aber zärtlich zugleich, kraftvoll und dann doch wieder traurig und schlaff.

"Burn your fire for no witness" handelt von Einsamkeit, gebrochenen Charakteren, enttäuschten Freundschaften. Es geht ums Scheitern und um den Wunsch, die Dinge wieder rückgängig zu machen.

In "Forgiven/Forgotten" besingt sie eine bedingungslose aber gescheiterte Liebe. Die Gitarren und Drums scheppern dennoch hoffnungsfroh und machen den Song zu einem Shoegaze-Kleinod, während sich die nächste Nummer "High Five" wieder um die zentralen Themen des Albums, nämlich Einsamkeit, Isolation und Sehnsucht dreht. Die erste Zeile "I feel so lonesome I could cry" ist ein Zitat der Country-Legende Hank Williams, doch Angel Olsen findet ihren Frieden in der Einsamkeit. Sie dreht den Spieß sogar um und fragt in "High Five" ihr Gegenüber, ob er auch einsam ist. Und einen Takt später ruft sie ihm zu: "High Five. So Am I". Die Nummer ist vielleicht einer der herzlichsten und fröhlichsten Songs, die je zu dem Thema geschrieben wurden.

Angel Olsen beschreibt das Album als eine Liedersammlung, die in einem Jahr voll "Heartbreak, Travel and Transformation" entstanden ist.

Aufgenommen hat sie es mit dem Bassisten und Gitarristen Stewart Bronaugh und Drummer Joshua Jaeger. Die beiden hat sie in dem Cafe in Chicago getroffen, wo sie als Kellnerin gearbeitet hat.

Was auffällt ist, dass die Instrumentierung des Albums gegen Ende hin immer weniger wird. Die letzten Songs sind karge Balladen. Minimal und weitgehend akustisch mit Gitarre, Gesang und spärlich eingesetzten Drums arrangiert. Durch diese Leere entsteht eine knisternde Atmosphäre, in der sich die Intimität der unerschrockenen und ehrlichen Songs entfalten kann und die Platte zu einem intensiven Hörerlebnis macht. Angel Olsen beherrscht das Spiel mit den Gegensätzen gekonnt und fordert mit intelligenten Texten und einem spannungsgeladenen Wechselbad der Gefühle voll verhaltener Besinnlichkeit und wütender Schmerzen. In der letzten Nummer "Windows" singt sie "We must throw our Shadows Down". Recht hat sie. Großes Album!