Erstellt am: 27. 3. 2014 - 15:17 Uhr
Don't Call It A Comeback
fm4.ORF.at/musik
Bandporträts, Albenrezensionen und Konzertreviews
Die Wiederentdeckung von Rodriguez
Der Dokumentarfilm "Searching For Sugarman"
Der Rock'n'Roll und die Jugend sind eigentlich ein unzertrennliches Paar. Die in ihren Grundzügen sich selbst und/oder anderen gegenüber recht rücksichtslose Lebenseinstellung steht in fast diametralem Gegensatz zu Konzepten wie der Altersweisheit. Aber natürlich gibt es immer Grauschattierungen - und auch den Stammbuchspruch vom Alter und der Torheit. Einen von vielen Wegen, mit dem vermeintlichen Gegensatzpaar umzugehen, zeigte gestern Sixto Rodriguez in der Wiener Stadthalle.

EPA
Im Gegensatz zu vielen Kollegen in ähnlicher Position hat der Detroiter Musiker zwar keine dutzenden Touren hinter sich, aber in der Zwischenzeit umso härter gearbeitet: Nachdem seine Karriere als soulig-psychedelischer Folksänger in den frühen 70er Jahren nicht so richtig abgehoben hatte, werkte Rodriguez nämlich jahrzehntelang auf Baustellen und in Abrisshäusern rund um seine Heimatstadt. Die Wiederentdeckung seiner brillianten Songs wie Sugar Man, I Wonder oder Establishment Blues über den geographischen Umweg Südafrika und Australien zeigte 2012 der Dokumentarfilm Searching For Sugarman. Dass der später gar einen Oscar gewann und danach monatelang in den Programmkinos zu sehen war, ist sicher dafür mitverantwortlich, dass es erstens überhaupt eine neue Rodriguez-Tour gibt, und dass zweitens wie gestern in Wien ein 2.000 Leute fassender Saal ausverkauft ist.
Die Herausforderung, diese vielen neuen Fans glücklich zu machen, ging Rodriguez mit der aus dem Film bekannten sympathischen Mischung aus Pragmatismus und Bescheidenheit an. Anfangs standen nur der Mann (violetter Anzug, Sonnenbrille und Zylinderhut) und seine Gitarre (halbakustisch) auf der Bühne. Die sehr markante Stimme hat sich zum Glück gut gehalten, war aber schon auf den originalen Aufnahmen nicht die aller-druckvollste gewesen. Das Cover von I Only Have Eyes For You erzeugte trotzdem Gänsehaut und in einigen Momenten hätte man sich die gleich danach dazugestoßene dreiköpfige Band auch wieder weg gewünscht. Einerseits wirkte vor allem der junge Herr an der Lead-Gitarre im Vergleich zum stoischen Frontmann oft etwas übermotiviert, andererseits konnte auch die Rhythmusgruppe mit dessen etwas erratischen Spiel nicht immer genau mithalten.

EPA/SANDRO CAMPARDO
Die "Hits" aus dem Rodriguez-Katalog erzeugten dann trotz dieser kleinen Probleme große Gänsehaut-Momente. Der Establishment Blues wurde mit einem Appell für Frieden in der Ukraine eingeleitet und Sugar Man solle man auf keinen Fall als Drogenhymne missverstehen, meinte Rodriguez, der schon zuvor klargestellt hatte, dass die vielen Tassen auf der Bühne nur Tee enthielten. Nach diesem in der Mitte des Konzerts platzierten Song-Block war aber ein wenig die Luft draußen. Mit Covers von Lucille, Blue Suede Shoes oder Fever wurde der Spirit of Rock'n'Roll beschworen und vielleicht auch die musikalische Sozialisation von Sixto Rodriguez abgebildet, sie konnten den Originalen aber letztlich wenig neue Facetten hinzufügen.
So richtig Fahrt nahm das Konzert erst wieder in der Zugabe auf, als viele Besucher ihre Sitzplätze verlassen und Rodriguez sich seines Jackets entledigt hatte - aber nach zwei Songs inklusive Frank Sinatra's Yolo-Hymne von 1955 war es auch wieder vorbei. Und einen 72-jährigen Musiker dann nochmal und nochmal auf die Bühne zurückzuholen, hätte sich auch nicht richtig angefühlt.
Vermutlich hätte das alles in einem kleineren, akustischeren Rahmen für mich etwas besser funktioniert, dachte ich mir danach. Nachdem die Nachfrage aber sehr groß ist, wird Sixto Rodriguez auch in Zukunft eher die großen Bühnen bespielen - und es sei ihm auch mehr als vergönnt! So oder so: Ein schönes Erlebnis, den höchst charismatischen Musiker und Poeten einmal live zu erleben. Die nächste Möglichkeit dazu (am 19. Juli in Wiesen) steht ja zum Glück schon in den Festivalkalendern.