Erstellt am: 24. 3. 2014 - 12:55 Uhr
Like the sun coming out
Nur ein kurzer Blog, während ich die heutige Ausgabe von FM4 Heartbeat vorbereite: Ich schätze diese Sachen also regelmäßig falsch ein.
Jedesmal, wenn irgendeine unerwartete Rückkehr einer Ikone (seltene Gelegenheit, dieses Wort halbwegs zurecht zu gebrauchen) auf die Bühne der Öffentlichkeit angekündigt wird, reagiere ich mit dem skeptischen Selbstschutzreflex. Immer dieselben Argumente, die mir in den Kopf schießen:
Kann gar nicht so gut sein, wie einmal war. Ich könnte jetzt auch „Wir Unterhaltenen“ aus dem neuen Kreisky-Album zitieren: „Wir wissen ohnehin, wie wir das Konzert gefunden hätten. Wir hätten es beschissen gefunden. Nicht so gut wie früher.“
Besser, die perfekte Erinnerung zu behalten, anstatt auch noch den letzten Winkel des Pop-Friedhofs umzugraben.
Ein Moratorium der Exhumierung, Platz freihalten für neue Bands!
Die drohenden verschwendeten Stunden vor einer unzulänglichen Website.
Die völlig schamlosen Kartenpreise, ausgehend von der irrigen Annahme, dass die Zielgruppe in der Zwischenzeit geschlossen fett und reich geworden sei.
Die ewige Chuzpe der handling fees, wo schon lang nichts mehr gehandlet wird.
Und dann tauchen schon die Emails und Tweets und Status-Updates auf, in denen reinere Seelen als ich ihre unschuldige Begeisterung ausdrücken und so die ganze Schäbigkeit meines Zynismus entblößen.
Gut, ich hatte unrecht: Es IST aufregend, dass Kate Bush im August zum ersten Mal seit 1979 live spielen wird und noch dazu 15 Gigs in Serie im Hammersmith Apollo.
Die Zeitung vom vergangenen Freitag enthält schließlich gleich drei Bilder von Kate Bush, eins davon auf der Titelseite, allesamt aufgenommen im Alter von 20 Jahren, und ich beginne gleich mir Sorgen zu machen, wie immer, wenn in den Fotos der Konzert-Annoncen quasi Zeitreisen versprochen werden, nur in diesem Fall noch ein bisschen mehr, kennt man doch die Filmaufnahmen dieser Live-Shows aus einer anderen Welt, als Maggie Thatcher noch nicht einmal britische Premierministerin bzw. in Österreich Kreisky, die Band, gerade erst aus den Windeln war, während Kreisky, der Kanzler, für die Wiederwahl kandidierte.
Und weiß man doch, wie athletisch und elastisch sich Kate Bush damals inszenierte. Sie, die ausdruckstänzerisch durch magische Traumszenen hüpfte, während das popkulturelle Paralleluniversum da draußen die von ihr gänzlich ignorierte Botschaft des Punk verdaute.
Um ehrlich zu sein, wusste ich als Teenager, der Alben wie „The Dreaming“ heimlich liebte, ohne sie in seinen jugendlich subkulturellen Wertekatalog einordnen zu können, bei Erscheinen ihres „Hounds of Love“-Albums 1985 ja ganz und gar nicht, ob man das mögen durfte oder ob es nicht vielmehr Teil der gerade abgehenden, feindlichen Restaurierung des "Schau-her-mein-großes-Mischpult"-Rock war.
Aber Songs wie „Cloudbusting“ waren dann zu gut, um sich von ideologischen Bedenken zerstreuen zu lassen.

Kate Bush
Und jetzt finde ich mich in einer ähnlichen Situation wieder: Aus Prinzip ja eigentlich unbeeindruckt von der Comeback-Industrie, aber dann natürlich doch sehr neugierig. Vor allem, weil Kate Bushs Live-Comeback eben doch zwei entscheidende Unterschiede zu einer, sagen wir, Rolling-Stones-Tour aufweist:
1) Die Tatsache, dass wir sie eben nicht über die Jahrzehnte hinweg älter werden gesehen haben. So ziemlich das einzige, was wir abgesehen von den Songs ihrer jüngsten Alben „Aerial“ (2005) und „50 Words for Snow“ (2011) und dem als Ankündigung ihrer Live-Shows verwendeten, obigen Bild von der heutigen Kate Bush kennen, sind die Fotos davon, wie sie sich voriges Jahr von der Queen ihren CBE-Orden abholte. Commander Bush sah darin recht stattlich aus; und höher als die Queen, obwohl die auf einer ziemlich hohen Stufe stand. Der Kontrast zu ihrem 20-jährigen Gegenstück wird in jedem Fall ein scharfer sein.
2) Bush war 1978 mit „Wuthering Heights“ die erste Frau überhaupt, die mit einem selbstgeschriebenen Song die Nummer eins der britischen Charts erreichte. Und sie dringt 2014 ganz oben in eine Comeback-Industrie ein, die rockenden Männern zwar schon seit einer Weile das Alt-, Statisch- und Interessantwerden erlaubt, bei Frauen aber immer noch den Maßstab ihrer Jugend anzusetzen pflegt. Es ist anzunehmen, dass Kate Bush sich dem nicht unterwerfen und kommenden August in Hammersmith keine eingesprungenen Luftspagate vollführen wird.
Die Frage, was sie stattdessen macht, ist dann eben doch interessant. Und relevant dazu.
Karten gibt’s ab Freitag, bis dahin sitz ich noch, wie die Briten so schön sagen, auf dem Zaun.