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18. 12. 2013 - 12:55

Reissue Of The Day

Diese Woche präsentiert FM4 Wiederveröffentlichungen von Alben, die Meilensteine der Musikgeschichte sind.

fm4.ORF.at/musik

Konzertberichte, Albumrezensionen und das Um und Auf der Musikszene

Montag: Nirvana - "In Utero"

von Susi Ondrusova
Es war einmal ... Alternative Rock. Nirvana war die erste Grunge-Band, die ein Millionenpublikum erreicht hat: mit "Smells Like Teen Spirit" auf ihrem "Nevermind" Album haben sie eine Hymne der 90er Jahre geschrieben. Während "Nevermind" als "ewiger Totem eines kulturellen Gezeitenwandels eine Zäsur in die Musikgeschichte gefräst hat" war das Nachfolge-Album "In Utero" ein verstörendes Album. Ein Dokument voller Verzweiflung und Wut, das beweist schon alleine das Feedback-Intro zum Opener-Track "Serve The Servants" mit seiner ersten fast schon gelangweilt gebrüllten Zeile: "Teenage angst has paid off well now I'm bored and old!"

Zum 20jährigen Jubiläum ist "In Utero" wiederveröffentlicht worden: mit einigem fragwürdigen Bonus-Material ("Instrumental Demos") aber auch außergewöhnlichen Live-Aufnahmen und nicht zuletzt einem 2013 Mix der "umstrittenen" Steve Albini-Produktion. Ob Kurt Cobain im Grabe routieren würde angesichts der Ausschlachtung des Nirvana-Erbes sei dahingestellt. Fakt ist: es ist nie zu spät "In Utero" wiederzuentdecken.

Dienstag: NAS - "Illmatic"

von Stefan Trischler
1994 erscheint mit "Illmatic" das Debüt-Album des jungen New Yorker Rappers Nasir "NAS" Jones. Aufgewachsen im sozialen Brennpunkt Queensbridge, beobachtet NAS die Probleme seiner Nachbarn und Freunde direkt vor der Haustür. Gang-Gewalt, eine Crack-Epidemie, illegale Geschäfte und fehlende Perspektiven prägen das Leben im Ghetto.

Ausgestattet mit einem Talent zu schreiben, beginnt NAS das, was er sieht, in Reimform auf Papier zu verewigen. Es entstehen erste Skizzen zu Songs, die später auf seinem Debüt "Illmatic" landen. Die Platte gilt heute als eines der wichtigsten Rap-Alben aller Zeiten. Denn NAS hat mit seinem Werk den Vibe und die Lebensrealität auf den Straßen New Yorks Anfang der 90er Jahre in einer bildhaften Sprache verewigt. Seine Geschichten klären auf, hinterfragen, erzählen nüchtern und fangen den Zeitgeist ein. Kombiniert mit den grandiosen Produktionen von DJ Premier, Large Professor, Q-Tip, L.E.S, Pete Rock und NAS selbst, ist "Illmatic" tatsächlich eine Art Blaupause für das "perfekte Rap-Album".

Der Release jährt sich bald zum 20. Mal. Für alle, die die Platte noch nicht haben, gibt es eine wunderschöne Reissue in Form eines Box-Sets mit Vinyl, CD, Original-Artwork, Fotos, Liner-Notes und mehr. Große Empfehlung.

Mittwoch: Nile Rodgers und seine Band Chic

von Stefan Trischler
Obwohl er seit seinen besten Zeiten einige persönliche Dämonen und den Krebs besiegen musste, kam Nile Rodgers 2013 so eindrucksvoll zurück, wie es in Vergessenheit geratenen Musikern seiner Generation selten gelingt. Nachdem er Ende der 70er mit seiner Band Chic einen sehr reduzierten funky Disco-Sound an die Spitze der Charts gebracht hatte, reduzierte sich Rodgers auf die Arbeit im Hintergrund und half in dieser Funktion so unterschiedlichen Superstars wie Diana Ross, David Bowie und Madonna in unterschiedlichen Phasen ihrer Karrieren das jeweils richtige zu tun.

Dieses Jahr hatte der Ausnahme-Gitarrist neben Sänger Pharell Williams die Hauptrolle in Daft Punks großem Hit "Get Lucky" und auch einigen anderen Songs auf deren Alben. Ein guter Zeitpunkt, um auf seine Zeiten mit Chic und seinem Produktionspartner Bernard Edwards zurückzuschauen.

Donnerstag: Shuggie Otis - "Inspiration Information"

von Stefan Trischler
Als Sohn des Bandleaders Johnny Otis war Shuggie dem Showbusiness von Kindertagen an sehr nahe. Tatsächlich entwickelte er schon in jungen Jahren ein unglaubliches Talent an der Gitarre, spielte ab 12 in der Band seines Vaters und nahm schon mit 17 sein Debütalbum auf. Erst die folgenden Platten sollten aber sein volles Talent abbilden, vor allem "Inspiration Information" gilt heute als Meisterwerk des psychedelischen Souls.

Dieses Jahr ist das Album neu erschienen, inklusive bislang unveröffentlichten Stücken, die der Künstler während seines jahrzentelangen Kampfes gegen Drogen immer wieder aufgenommen hatte.

Freitag: The Breeders - "Last Splash"

von Eva Umbauer
"Last Splash" von der US-Band The Breeders gilt als eines der Alben der 90er Jahre. The Breeders war/ist die Band der Ex-Pixies-Bassistin Kim Deal. Ihre Art, den Bass zu spielen, ihre Stimme, ihr Aussehen, ihre wild-child-Attitüde - "Last Splash" war und ist noch immer eine perfekte Alternative-Rock-Platte. Heuer wurde das Album wiederveröffentlicht - als "Last Splash XX"-Boxset mit Liveaufnahmen, Demo-Versionen etc.

Samstag: Bright Eyes - "A Christmas Album"

von Christian Lehner
Wie klingt ein Weihnachtsalbum eines ewigen Indie-Kids aus dem Mittleren Westen der USA? Ziemlich cold, ziemlich resigniativ und trotzdem herzerwärmend. Ursprünglich im Jahr 2002 für eine lokale Charity in limitierter Auflage bei Saddle Creek erschienen, wird "A Christmas Album" von Connor Oberst und seinen Bright Eyes diese Saison wiederveröffentlicht unter das weltweit weihnachtsgeschädigte Adoleszenten-Publikum gebracht. "Blue Christmas" ist hier Programm. Oberst, die Bright Eyes und noch einige weitere MusikerInnen aus dem Saddle-Creek-Umfeld machen aus dem Fest der verordneten Freude nicht unbedingt eine. Aber wie wir bereits ahnen: gerade darin besteht der Reiz der ganzen Sache.

Die Arrangements sind schlicht und nahe an den elf X-Mas-Klassikern, die hier interpretiert werden. Das Album ist in wenigen Sessions in einer wohl nicht gerade gut geheizten Holzhütte im Nirgendwo von Nebraska aufgenommen worden. Tatsächlich hört man einigen Stücken die Instant-Einspielung und Improvisation an. Flure knarren, Menschen hüsteln - was den Indie-anern unter den Musikfreunden den langersehnten Weihnachtsfrieden bringen wird, hat man es bei "A Christmas Album" doch durch die Einspielsituation und den anämischen Vortrag des weißen Mannes Oberst mit einer erwärmenden Aufrichtigkeit inmitten des verordneten Konsum-, Fress- und Freudenzwangs zu tun.

Anspieltipp: das durch Elvis popularisierte "Blue Christmas", das emphatische "Have Yourself A Merry Little Christmas" und der einzige elektrisch behandelte Song "Little Drummer Boy". Zerbrechlicher Weihnacht nie war!