Erstellt am: 10. 12. 2013 - 18:15 Uhr
Die Wüste im Badezimmer
Einsamkeit, Weite und Hitze. Das sind meine Assoziationen zu dem Wort Wüste. Für die Künstlerin und Musikerin Anna Kohlweis alias Squalloscope hat der Titel ihrer neuen EP "Desert" eher etwas abstraktes, geht es doch darum, sich Raum und Platz zu schaffen. Außerdem ziert das Cover der Platte ein Foto vom Pazifik und zeigt so den Wiederspruch auf, immer das zu wollen, was man nicht haben kann und immer dort sein zu wollen, wo man gerade nicht ist.

Anna Kohlweis
Wem das alles zu verkopft scheinen mag, der kann sich ja ganz einfach auf die fünf wundervollen Stücke konzentrieren, die uns alle etwas bestimmtes erzählen. Denn Anna Kohlweis ist nicht nur als Squalloscope eine große Erzählerin, in all den Kunstformen, in denen sie zuhause ist, präsentiert sie uns Geschichten. Egal ob das ihre Videokunst betrifft oder gar die Erzählungen ihrer Träume, die sie seit 2008 in einem dream collection blog verfasst.
Für ihre kürzlich auf Seayou Records erschienene EP hat Anna ein eigenes Comic verfasst, das man in limitierter Auflage zum Download Code erstehen kann. Alleine daran sieht man schon, dass Squalloscope weit mehr ist, als "nur" ein weiteres Musikprojekt der Kärntner Sängerin und Musikerin.

Anna Kohlweis
In drei Minuten verzaubert
Schon der erste Song "Three Minutes For A Deutend Diorama" ist mit seinen im Raum verklingenden Klavierakkorden ein unglaublich wundervolles Stück. Annas Stimme ist derart präsent und gleichzeitig geschmeidig und entspannt, dass der Gesang sofort unter die Haut geht. Der fast schon tanzbare Beat, der zwischendurch immer wieder kurz verschwinden darf, verschafft sofort einen leichten Einstieg ins musikalische Universum von Squalloscope. Die Experimentierfreude, die Anna vor allem mit den Vocals an den Tag legt, fasziniert vom ersten Atmen an.
Beim Titelstück "Desert Pacific Octopi" hört man Anfangs ein seltsames Blubbern, ein dezentes Quietschen, tiefes Atmen und rhythmisches Klappern. Für besagten Song hat Anna aus versehen die schmatzenden Geräusche beim Teetrinken aufgenommen, das dann durch Effektgeräte gejagt und war von dem Ergebnis erstaunt und entzückt. Zusätzlich zu E-Gitarre und mehrstimmigem Gesang hat die Musikerin sich selbst aufgenommen, wie sie im Badezimmer mit einem Teelöffel "auf so ziemlich alles geklopft" hat, was es da so gibt. Und sie fügt hinzu, dass es eigentlich gut gepasst hat, einen Song über die Wüste in einem trockenem Raum zu singen, der in jeder Minute komplett nass sein könnte.

Andreas Jakwerth
Leere und Klarheit
FM4 Soundpark Listening Session:
- Ein ausführliches Interview mit Anna Kohlweis alias Squalloscope und alle Songs der "Desert" EP gibt es hier als stream on demand zum Nachhören.
Auch der ausgewogene Sound von "Desert" ist bemerkenswert. Anna Kohlweis hat ihre Produktionskünste beim "Musikcamp eines gewissen Energie-Drinks" perfektionieren können und so ist das Stück "Knot Two" zum Beispiel ein quirliger Elektro-Avandgarde-Popsong geworden. Im Großen und Ganzen ist die "Desert" EP jedoch reduziert ausgefallen, auch wenn der Eindruck beim Hören ein komplexer ist. Es hat den Anschein, dass es zwar sehr viele Details zu entdecken gibt, aber nichts mit Klangcollagen oder Soundexperimenten zugekleistert wurde. Das kommt wahrscheinlich auch daher, dass Anna diesmal zum Einen sehr wenig Zeit hatte und zum Anderen ganz "leer im Kopf" war und so sich ein ganz klares Ziel und ganz klare Entscheidungen herausbilden konnten.
Das Schöne bei Anna Kohlweis alias Squalloscope ist, dass sie sich immer wieder aus ihrer Komfortzone herauswagt, auch wenn das manchmal bedeutet, sich in Situationen zu begeben, in denen glaubt "gleich explodieren zu müssen". Zum Beispiel wenn sie mit verschiedenen Menschen über Politik oder die Geschlechterrollen und ihren Klischees diskutiert. Das Gute dabei ist jedoch laut Anna, dass man sich so eher weiterentwickelt, als wenn man immer mit den gleichen Leuten diskutiert, die "in der selben gender-sensiblen, akademischen Blase leben".
So geht es bei der glitzernden Akustikperle "These Side Affects" um gegensätzliche Meinungen, die sich gegenseitig sehr beeinflussen, auch wenn man das gar nicht möchte.
Genau diese Bereitschaft, sich neuen, unbekannten und manchmal auch unbequemen Dingen zu stellen, macht Anna Kohlweis zu einer Ausnahmekünstlerin und spannenden Musikerin, die im kommenden Jahr hoffentlich der großartigen "Desert" EP noch ein ganzes Album folgen lässt. Das wäre doch ein schöner Neujahrsvorsatz, oder?