Erstellt am: 27. 9. 2013 - 16:03 Uhr
Die Stille unter den Wellen
Es ist über sie hereingebrochen. Unverhofft und plötzlich. Der Erfolg, den ein einziger Song ausgelöst hat, der sich über Blogs und verschiedenste Internet- und Social-Media-Foren in digitaler Überlichtgeschwindigkeit verbreitet hat. Blutjung waren The Naked & Famous damals noch, was das Musikbusiness betroffen hat, als "Young Blood" in ihrer Heimat Platin einspielte und in Europa für die Sendungsumstrukturierung von VIVA als Begleitsound gedient hat.
Inzwischen hat sich für die fünf Neuseeländer vieles geändert, auch wenn der Vorbote für ihr neues Album, die Single "Hearts Like Ours" das Gegenteil vermuten lässt. Immerhin wird bei dem Video mit den gleichen Filmemachern gearbeitet, die Ästhetik unterscheidet sich nicht grundlegend und auch musikalisch führen The Naked & Famous mit dem Cinemascope-artigen Ohrwurm ihr Konzept des Soundtracks für eine Generation von scheinbar melancholischen und sehnsuchtsvollen, postapokalyptischen Jugendlichen fort. Einzig die 1980ier Referenzen stechen für mich vielleicht etwas mehr heraus.
Der Walzer der Gealterten
Was beim Durchhören von "Rolling In Waves" sofort auffällt: Die Musik klingt reifer. Er- und streckenweise auch ein bisschen durchwachsener als auf dem Debüt. Wenn The Naked & Famous den "Waltz" anstimmen, tanzen die Stimmen von Alisa Xayalith und Thom Powers über einen trockenen Schlagzeugrhythmus, während im Hintergrund ein seltsam weichgespültes Stimmensample als Soundfläche fungiert. Recht unterkühlt und ohne große Hamoniesprünge wird der Text repetitiv wie ein Mantra gesprochen und so heißt es dann am Schluss auch: "watch me take a word and turn it into magic". Dieser Versuch geht für mich jedoch nicht zur Gänze auf.

The Naked & Famous
Anders verhält es sich da mit dem Titeltrack "Rolling Waves", einem wundervoll glitzernden, luftigen Popstück, über das immer wieder schwere Gitarrenwellen hereinbrechen. Natürlich darf auch hier der typische The Naked & Famous Chor nicht fehlen, der sich mir unweigerlich im Kopf festhakt. Ebenfalls ein absolutes Highlight ist "Grow Old", in dem die Neuseeländer, die mittlerweile alle gemeinsam in einem Haus in Los Angeles leben, ihren Reifungsprozess transparent machen. Sehr reduziert und mit viele Gefühl für verspielte Melodien erzeugt die Band hier eine flirrend Sphäre, wie sie Sigur Ros wohl sehr gefallen würde.
Auch das überraschende Arrangement und die Introvertiertheit stehen The Naked & Famous ausgezeichnet. Nicht immer muss geklotzt werden, hat man sich bei der Produktion doch ganz gezielt darauf konzentriert, alle Stücke vollkommen live auf der Bühne spielen zu können. Somit wurde nicht einfach Soundschicht um Soundschicht angehäuft, sondern die Grundinstrumentierung minutiös herausgearbeitet. Auch "Golden Girl", dieses spacige future folk Stück, zeigt das Quintett von einer erfrischend neuen Seite und zaubert mir mit seinen gefilterten Gesangsparts ein Lächeln aufs Gesicht.

The Naked & Famous
Zwischen Erhabenheit und Eindimensionalität
Der Albumtitel "Rolling In Waves" verspricht leider mehr, als er am Ende halten kann. Dabei hat das Album mit "A Stillness" einen ganz großartigen Opener, der in knapp fünfeinhalb Minuten alle elektronischen Soundwahnsinnigkeiten mit erhabenenen Songwriterqualitäten verbindet und sich gegen Ende als herrlich hypnotisches Tanzstück entpuppt. Aber mit Songs wie "I Kill Giants", das mit recht einfacher Effekthascherei kokettiert, der eher farblosen Semi-Ballade "The Mess" die dann am Ende doch rocken darf oder dem eindimensionalen Kuschellied "What We Want" wird das zweite Album für mich und sicher auch einige Fans ein "schwierigeres", als es für seine Erschaffer wahrscheinlich gewesen ist. War bei "Passive Me, Aggressive You" noch eine unter allem zuckersüßen Popattitüden faszinierende Düsternis zu spüren, so scheint diese bei den neuen Stücken oft verloren gegangen zu sein.

The Naked & Famous
The Naked & Famous live in Österreich:
- 8. November 2013 Gasometer, Wien
Am besten funktioniert "Rolling In Waves" dann, wenn man das Gefühl bekommt, unter diese breit daherrollenden Soundwellen lauschen zu können. In Momenten der tiefen, leiseren Töne ist sie wieder zu spüren, die Magie, die Spannung und die emotionale Zerrissenheit, die The Naked & Famous zu einer Ausnahmeband gemacht haben. Denn wenn nach den traurigen Klavierakkorden von "We Are Leaving" der digital zerhackte Gitarrensound sich mit Sirenen-gleichen Geräuschen mischt und die zerbrechliche Stimme von Alisa Xayalith sich über den knochigen Beat hergebt, dann wirken The Naked & Famous in ihrem Element, das geheimnisvoll und zugänglich zugleich sein kann.
Auch wenn mich die kleine, melancholische Gute-Nachtmusik von "A Small Reunion" mit seinen am Kitsch kratzenden Streichern dann doch anrührt, bleibt ein gespaltenes Gefühl. Vielleicht ist ja das sonnige Kalifornien nicht die beste Umgebung für The Naked & Famous, auch wenn sie die Band wohl öfters Haut zeigen und berühmter werden lässt.