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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

27. 8. 2013 - 14:20

Avantgarde oder Hingerotzt?

Ausgestattet mit einer Riesenportion Nixscheißen kann Odd Future Hoffnungsträger Earl Sweatshirt die in ihn gesteckten Erwartungen auf seinem Debütalbum "Doris" teilweise sogar übertreffen.

In den frühen Videos des kalifornischen Weirdo Rap Kollektivs Odd Future schien der blutjunge Thebe Neruda Kgositsile alias Earl Sweatshirt der eigentliche Star der Gruppe zu sein. Als OFWGKTA dann 2011 ihren globalen Siegeszug antraten, war der damals 16jährige aber untergetaucht. Nicht freiwillig: Seine Mutter hatte ihn auf ein Internat für schwererziehbare Teenager auf Samoa geschickt.

Die Odd Future Gang, allen voran Anführer Tyler The Creator, inszenierte daraufhin eine Free Earl Kampagne ähnlich denen für inhaftierte Rap-Helden

Der klassische Earl in Kombination mit Tyler, über dessen üblich düstere Synthie Beats (und natürlich mit einem weirden Video dazu) – den gibt’s hier auf zwei von 15 Stücken zu hören. Davor und danach probiert er aber verschiedene musikalische Richtungen aus, die Konstante bleiben diese für einen 19jährigen viel zu alt klingende Stimme, der atemlose Flow und die großteils introspektiven Lyrics. Im Song Burgundy spricht Earl zum Beispiel über seine sterbende Großmutter, der Doris schließlich auch gewidmet wurde, und seinen dichtenden Vater.

Dass er auf seinem Debütalbum über einen Neptunes-Beat wie Burgundy rappen würde, das hätte Earl - wie auch Tyler und ihre gemeinsamen Freunde großer Fan von Pharell Williams und Chad Hugo – wohl früher nicht zu träumen gewagt. Jetzt ist Odd Future aber zumindest in den USA ein household name und die großen Helden von früher plötzlich sehr greifbar. So hat sich auch der RZA vom Wu-Tang Clan mit Beat und Gaststimme auf Doris verewigt.

Earl Sweatshirt

Trotz einigen Songs, wo Wortspiele, Angeberei oder Anhäufungen von Schimpfwörtern im Zentrum stehen, ist Doris im Kern eine sehr persönliche Platte geworden. Wie man das auch schon von seinem Freund Tyler kennt, werden da innere Dämonen und intime Emotionen sehr offen angesprochen. Der abwesende Vater, die Streitigkeiten mit der Mutter und dann das Auftauchen von Tyler als Großer-Bruder-Ersatz sind zum Beispiel Thema in diesem Song:

Chum war der erste Track, den man von Earl Sweatshirts neuem Album zu hören bekam. Und zugleich ist es trotz des monotonen Arrangements schon eines der eingängigeren Stücke darauf. Um Songs im klassischem Strophe-Refrain-Bridge Sinne oder gar Radio-Hits ist es Earl nämlich wahrlich nicht gegangen.

Die Instrumentals sind meist minimal und lo-fi, je nach Wohlwollen des Betrachters also Avantgarde oder etwas lieblos hingerotzt. Sie sind aber in diesem Fall wirklich nur Unterlage für die nicht endenden Silbenschlangen von Earl Sweatshirt und ausgewählten Kollegen, die die Songs mit viel Persönlichkeit füllen. Und so läutet Doris den kommenden vielversprechenden Rap-Herbst schon mal mehr als würdig ein…