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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

19. 7. 2013 - 11:14

Raf 3.0 "Hoch2" auf der 1

Die HipHop-Sensationsmeldung, die vor lauter Sommerloch kaum wahrgenommen wurde: Ein Wiener Rapper führt die deutschen Albumcharts an!

Man kennt den Spruch von den bad news, die eigentlich die wahren good news sind, zur Genüge - und in der zunehmend hysterischer gewordenen medialen Landschaft der frühen Zehnerjahre hat sich dessen Bedeutung nur noch verschärft. So ist es auch zu erklären, dass heimische Massenmedien - ihren deutschen Kollegen verlässlich ein paar Schritte hinterherhechelnd - das Sommerloch mit ein paar Tönen auf der Rüpelrapper-Orgel zu füllen trachteten und dabei (ohne es zu merken) selbst gespielt wurden.

Die für Österreich und HipHop wesentlich größere Sensation haben sie dabei weitgehend verschlafen: Der Rapper (und Produzent und Sänger) Raf 3.0 ist mit seinem neuen Longplayer Hoch2 aus dem Stand auf Platz 1 der deutschen Albumcharts eingestiegen - das hat es in der Form noch nicht gegeben.

Raf 3.0

Indipendenza

Als Raphael Ragucci am Genfer See geboren, kam Raf als Kind nach Wien und war ab seinen frühen Teenagerjahren in der HipHop- und Reggae-Szene aktiv. In Crews wie Rapatoi, French Connection, Assaut Mystik oder zuletzt Family Bizz sorgte er für Beats, französische Raps und vor allem auch Hooklines. In der zweiten Hälfte der 2000er zog es ihn im Windschatten des Exil-Linzers Chakuza nach Berlin und er gab dessen Album City Cobra etwas von seinem Talent für eingängige Melodien mit. 2009 folgte das Raf Camora Solo-Debüt Nächster Stopp Zukunft, später veröffentlichte er gemeinsam mit Nazar die Platte ArtKore, ein paar Mixtapes und letztes Jahr Raf 3.0, das nicht nur seinen neuen Künstlernamen, sondern auch einen elektronisch-poppigen neuen Sound vorstellte.

Das letzte Album erschien noch beim Wiener Label Irievibrations, rechtzeitig für Hoch2 hat Raf die eigene Firma Indipendenza aufgebaut - das heißt der Nummer 1 Erfolg geschah auch außerhalb jeglicher größerer Labelstrukturen. Rafs Kollege Chakuza war mit Magnolia übrigens im März auf Platz 5 gechartet und in den kommenden Monaten warten mit Nazar (August) und Gerard (Herbst) zwei weitere Ösi-Kandidaten mit realistischen Top 10-Aussichten.

Dass Chartsplatzierungen nicht alles sind, muss auf diesen Seiten nicht extra dazugesagt werden - und auch nicht, dass es je nach Jahreszeit natürlich unterschiedlich schwer ist, hoch einzusteigen. Trotzdem bedeutet so eine Nummer 1 enormes Prestige, und wird in Rap-Deutschland - seit solche Platzierungen überhaupt wieder realistisch sind - auch sehr ernst genommen. Insoferne muss man Raf 3.0 neidlos dazu gratulieren - und sich gleichzeitig darüber wundern, wie HipHop-feindlich die heimische Medienlandschaft wirklich ist. Denn der passen, wenn's um diese Art von Musik geht, scheinbar wirklich nur die (aufgebauschten) bad news ins Konzept...