Erstellt am: 4. 7. 2013 - 12:15 Uhr
Auf die Plätze, fertig los!

Radio FM4/Alex Wagner
Tim R. Zazzara hat 2012 den FM4 Kurzgeschichten-Wettbewerb Wortlaut gewonnen. Er liest im Rahmenprogramm zum Ingeborg-Bachmann-Preis aus seiner Kurzgeschichte "Milch".
Mittwoch Nachmittag in Klagenfurt, glühende Hitze. Vor dem Gebäude des ORF-Landesstudio Kärnten scheint sich nichts zu bewegen, am wenigsten die Luft. Noch ist nichts davon zu spüren, dass hier in wenigen Stunden die Tage der deutschsprachigen Literatur ausbrechen werden (insbesondere bekannt durch das Wettlesen um den Bachmannpreis). Denkt man an den heurigen Vorschlag, die Veranstaltung im nächsten Jahr einzustellen, beschleicht einen ein geradezu mulmiges Gefühl: Hat das Aussterben etwa schon begonnen?

Tim R. Zazzara
Ich beschließe, die zu überbrückende Zeit sinnvoll zu nutzen, und mache mich auf den Weg zum Robert-Musil-Literaturmuseum. Dort findet nun schon zum siebzehnten Mal der Häschenkurs statt. Warum der so heißt, kann mir niemand erklären. Es handelt sich jedenfalls um einen viertägigen Literaturkurs, wo angehende Schriftsteller die Chance bekommen, ihre Texte mit erfahrenen Mentoren zu besprechen. Die jungen Autoren der Jahrgänge von 1980 bis 1993 präsentieren heute auf ihrer Abschlusslesung Texte auf durchaus hohem Niveau - erstaunlich unterschiedliche Stimmen bekommt man hier zu hören (bei der Vorstellung der Autoren hört man außerdem zweimal "Literarisches Schreiben Hildesheim", einmal "Deutsches Literaturinstitut Leipzig", aber daran ist man längst gewöhnt). Die Themen: viel über fremde Kulturen und Länder, einiges über Wahnsinn und Rehe und natürlich wenig Politisches (diese zwei Worte wollte ich schon immer mal schreiben).
Abends um Punkt 20.30 ist es dann endlich so weit. Der Garten hinter dem ORF-Studio plötzlich rappelvoll mit Menschen. Es wird geplaudert und diskutiert. Je besser man sich in der Literaturszene auskennt, desto mehr Persönlichkeiten erkennt man. Der Wettbewerb lebt also doch (noch?).

Tim R. Zazzara
Der wahrlich erfrischende Vorschlag, die Tage der deutschsprachigen Literatur nächstes Jahr mal zur Abwechslung nicht auszutragen, überschattet denn auch die Eröffnungsreden. Die drehen sich eigentlich nur um dieses Thema. Es wird viel vom Ökonomisierungszwang gesprochen, dem man bitteschön nicht alle Gesellschafts- und Lebensbereiche unterwerfen dürfe, von Effizienz, darüber, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen im digitalen Zeitalter unter Rechtfertigungsdruck steht, dass man diesen Wettbewerb um jeden Preis erhalten muss. Man bekommt fast den Eindruck, als redeten die Vortragenden um den heißen Brei herum, anstatt zum Eigentlichen vorzustoßen: Literatur ist wichtig für die Gesellschaft. Oder sind das zu große Worte, um sie in den Mund zu nehmen?
Bachmannpreis 2013
Bis 7. Juli finden in Klagenfurt die Tage der deutschsprachigen Literatur statt. Eine Reihe Veranstaltungen und Lesungen werden online und auf 3sat übertragen, fünf Preise werden vergeben, darunter der renommierte Namensstifter.
Am Nächsten kommt man dem, als das Wort fällt, dass Kultur das Lebenselixier des Menschen darstellt. Vielleicht ein bisserl pathetisch, klar, aber jetzt habe ich den Eindruck, dass wir uns dem Kern der Sache nähern. Wenig Erhellendes trägt auch Burkhard Spinnens Geschichtchen zu den Kindern in der Schule, die vielleicht den Bachmannpreis kennen oder auch nicht oder deren Lehrer zumindest den Bachmannpreis kennen und ihnen davon erzählen oder auch nicht, bei. Immerhin gebührt ihm die Ehre, seine Rede mit den poetischen Sätzen zu eröffnen: "Schön, dass Sie alle da sind. Schön, dass ich da bin. Schön, dass wir noch da sind." (Witzig übrigens, dass einer Literaturveranstaltung mit Tradition gerade in Zeiten, wo die Philosophie sich dahin bewegt, Literatur einen wichtigen gesellschaftlichen Rang zuzusprechen, abgemurkst werden soll. Ja, es gäbe Argumente. Aber das nur am Rande.)

APA/Gert Eggenberger
Nach den Eröffnungsreden und der Stürmung des Buffets scheint alle Weltuntergangsstimmung verflogen. Und glücklicherweise geht es jetzt nicht mehr nur um den Erhalt oder Nicht-Erhalt der Veranstaltung. Man lernt viele Menschen kennen. Alle sind an Büchern interessiert und so ergibt sich ein allzu erklärliches, aber trotzdem magisches Phänomen: Man unterhält sich bis spät in die Nacht, bei dem ein oder anderen Glas Wein, über Literatur. Denn darum geht es hier schließlich.