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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

2. 7. 2013 - 14:45

Auslieferung von Firefox-Smartphones startet

T-Mobile und die spanische Telefonica bringen die Linux-Smartphones in mehreren europäischen und lateinamerikanischen Staaten auf den Markt. Österreich ist noch nicht dabei.

Die Auslieferung der ersten Smartphones mit dem freien Betriebssystem Firefox OS ist bereits angelaufen. Das verkündete die Mozilla Foundation, die den populären, freien Webbrowser Firefox entwickelt. Die erste Serie von Smartphones mit dem linuxbasierten Firefox -Betriebssystem ist für Kunden von T-Mobile und der spanischen Telefonica in ausgewählten, nationalen Märkten bestimmt. In Europa sind dies Ungarn, Polen, Serbien, Montenegro und Spanien, dazu kommen Kolumbien, Brasilien, Mexiko und Venezuela.

Zur Premiere werden je ein Smartphone von Alcatel (One Touch Fire) und ZTE (Open)von der Deutschen Telekom und der Telefonica angeboten. Die Preisangaben sind notwendigerweise etwas unpräzise, da die Mobilfunkunternehmen mit ihren Angeboten verschiedene Marketingziele verfolgen.

Einstieg im unteren Segment

Die vorläufige Liste der Staaten, in denen Firefox-Smartphones bald in den Läden angeboten werden, sowie die einzigen, bereits bekannten Zahlen legen nahe, dass es zuerst einmal um Wertkartenkunden geht. Der Preis der Handys soll pro Stück maximal 70 Euro betragen, für die Mobilfunker sind in dieser Summe schon 30 Euro Marketingausgaben mit einkalkuliert. Die ersten in Serie produzierten, echten Linuxhandys sind im untersten Marktsegment platziert.

Die Ankündigung des Roll-Outs erfolgte am Montag im Blog des Mozilla-Konsortiums. Da die großen Mobilfunkmärkte in Europa und den USA anfangs noch nicht beliefert werden, halten sich die bereits verfügbaren Nachrichten noch sehr in Grenzen. Das Telekomkonsortium rund um Firefox OS wurde bereits im Frühjahr vorgestellt..

Die Nachfrage nach solch preisgünstigen Smartphones für Einsteiger besteht aber längst nicht nur bei den Mobilfunktöchtern der beiden hier genannten Telekoms.

Rund um Firefox OS hat sich seit Jahresanfang ein Konsortium von Schwergewichten aus dem Telekomsektor gebildet. Neben der Deutschen Telekom und ihrem spanischen Pendant sind von Telecom Italia bis Telenor, von America Movil bis China Unicom, Drei, und eine ganze Reihe weiterer Mobilfunkfirmen rund um den Globus mit dabei. Firefox OS ist aber nicht das einzige echte Linux-Betriebssystem das auf den Markt kommt. Der Start von "Ubuntu Touch" ist für das erste Quartal 2014 angesagt.

Rund um das mobile Linux der Firma Canonical, die das auf Debian Linux basierende populäre Ubuntu-Betriebssystem entwickelt, ist ein ganz ähnliches Konsortium im Wachsen begriffen.

Ubuntu mit Dockingstation

Ubuntu Smartphone

Ubuntu

Der Ubuntu-Ansatz heißt deshalb "Touch" und nicht etwa "mobile", weil das Betriebssystem samt eigener Benutzeroberfläche eben nicht nur auf Mobilgeräten laufen soll, sondern auch große Bildschirme mit hoher Auflösung ansteuern kann. Der Ubuntu Desktop - die Bedienungsoberfläche - wurde nämlich schon vor Jahren auf Touchscreen-Tauglichkeit angelegt.

Bezeichnenderweise heißt der Ubuntu Desktop denn auch "Unity", im Konzept fix vorgesehen ist eine optionale Dockingstation über die das Handy mit einem großen Bildschirm und Tastatur verbunden wird. Aus dem Smartphone wird so ein "Thin Client", also ein zwar eher schwachbrüstiger, aber eben doch ein Desktoprechner, der in bestehende Heimnetze eingebunden werden kann.

Die Hardware

Die Entwicklerversion von "Ubuntu Touch" läuft bereits auf mehreren Nexus-Typen von Samsung und LG. Neben der chinesischen ZTE und Alcatel stehen auch die koreanischen LG und Huawei auf der Liste der ersten Lieferanten, auch hier wird der Markteinstieg im unteren Segment stattfinden.

Ubuntu Touch ist nicht nur für Smartphones geeignet, auch auf mehreren Tablets lässt es sich bereits installieren. Das Betriebssystem ist derzeit noch eine Entwicklerversion, es ist also nicht allgemein zu raten, das "schnell einmal zu probieren".

Die Motive, warum die alteingesessenen Telekoms ihre Liebe zu freien Betriebssystemen gerade jetzt entdecken, ähneln den Motiven IBMs rund um die Jahrtausendwende, statt mehreren eigenen Betriebssystemen Linux einzusetzen. Heute wie damals gilt dasselbe Leitmotiv: Die Unternehmen setzten dann auf Linux, wenn es ihren geschäftlichen Interessen nützt.

Wie die Telekoms Linux lieben lernten

So hatte IBM 2001 völlig überraschend eine breit angelegte Werbekampagne unter dem Slogan "We Love Linux" gestartet, die auf Entwickler des freien Betriebssystems abzielte. Man brauchte sie, weil IBM mehrere eigene Betriebssysteme im mittleren Rechner zugunsten von Linux eingestellt hatte. Für IBM brachte dieser Schritt enorme Einsparungen in der eigenen Entwicklung.

Die Motive der Telekoms, Linux plötzlich zu lieben, aber heißen Apple und Google, die sich den Smartphonemarkt mit Androids und iPhones etwa im Verhältnis von 70 zu 20 teilen. Die jeweiligen Bedienungsoberflächen sind die Basis für das mobile Internetgeschäft der beiden US-Konzerne. Androids wie iPhones sind so programmiert, dass die Benutzer sofort bei den Bezahldiensten von Apple bzw. Google landen. Eigene Marketingmaßnahmen des Netzbetreibers und Distributors dieser Smartphones - also der jeweiligen Telekom - sind da ziemlich außen vor.

Der allererste Vorstoß für ein Linux-Smartphone war 2007 gestartet und 2009 dann klar gescheitert. Die damalige "Allianz" ist mit den jetzigen Konsortien allerdings nicht im entferntesten zu vergleichen. Damal waren es zwar exzellente, aber eben nur ein ein paar Dutzend Linuxhacker sowie ein einziger, ziemlich kleiner Hardwarehersteller aus Taiwan.

Android und die Familie Linux

Eine vollständig "adaptierbare, uneingeschränkte mobile Plattform" wie sie Firefox OS anbietet, ist also ganz nach dem Geschmack der Telekoms.
Ein Paradoxon dieser Entwicklung ist, dass ausgerechnet Google maßgeblich dazu beigetragen hat, dass nun auf derselben Basis wie Android ein freies Betriebssystem so rasch entstehen konnte.

Android basiert ebenfalls auf Linux, allerdings wurde und wird der Linux-Kernel von Google so modifiziert, wie es dem weltweit größten Anbieters von Suche-bezogener Werbung eben in die Geschäfte passt. Unter den freien Entwicklern gibt es deshalb keine einheitliche Meinung, ob Android deshalb überhaupt noch als "Linux" bezeichnet werden kann. So gravierend sind die Veränderungen jedenfalls nicht, denn die in jedem Smartphone massenhaft verbauten, verschiedenen Sensoren werden unter Android mit Treibern angesteuert, die keine oder nur wenig Adaptierung brauchen, um auch auf Firefox OS oder Ubuntu Touch zu laufen.

Die auffällige Absenz der USA

Auffällig an beiden Projekten ist die fast völlige Absenz von Unternehmen aus den USA, bis auf Sprint ist kein genuiner US-Mobilfunker daran beteiligt. AT&T und Verizon die auf 65 Prozent des US-Marktes kommen, fehlen ebenso wie die britische Vodafone. In den beiden Konsortien finden sich dafür Telekoms von Europa bis Ägypten, aus China, Südkorea, Russland und vielen anderen Staaten.

Ein interessanter Nebeneffekt dabei ist, dass die Meta-Daten aus Telefonie und Internetbenutzung, die Bewegungs-, Kommunikations- und Interessenprofile der Benutzer ermöglichen, damit nicht mehr automatisch in US-Rechenzentren landen werden. Google und Apple, die den Smartphonemarkt derzeit beherrschen, sind ja bereits in einem anderen Konsortium mit dabei, wobei das Leitmotiv hier keineswegs "Freiheit" sondern "Kontrolle" ist. Es ist die "Private Public Partnership" mit der NSA und dem gesamten Geheimdienstkomplex der USA, die unter dem Markennamen "Prism" weltweit bekannt geworden ist.