Erstellt am: 4. 7. 2013 - 14:19 Uhr
Tagebuch zum Jahr der Pflicht (25)

marc carnal
Nach dem Jahr des Verzichts im Jahr 2011 gilt es heuer, monatliche Pflichten zu bestehen. Mitstreiter sind in der Neigungsgruppe Pflicht jederzeit willkommen.
Jeden Monat stehen drei Aufgaben in Kategorien wie Handwerk, Wissen oder Selbstüberwindung zur Auswahl. Die Leserschaft stimmt darüber ab, welche Pflicht erfüllt werden muss.
Voting Jänner - Kategorie Handwerk
Voting Februar - Kategorie Wissen
Sonntag, 23. Juni
● Mögliche Taktiken, die Sonntagszeitung aus dem Spender zu klauen:
- Ein Feuerwerk zünden, dann sehen alle noch oben
- Als Zeitungsspender-Befüller verkleiden
- Mit einem durchsichtigen Greifarm von der Wohnung aus in den Zeitungsspender langen
- So tun, als würde man nur kurz in der Zeitung schmökern und dabei jede Seite mit dem Handy abfotografieren
- Die Bankomatkarte vor den Münzschlitz halten, damit es von weitem so aussieht, als wären die Zeitungsständer auf Quick-Zahlung aufgerüstet worden
- Zehn Freunde engagieren, die einen uneinsehbaren Kreis um den Zeitungsständer bilden, dann hinzukommen und mit gezückter Geldbörse "Entschuldigung, darf ich?" sagen und schließlich durch den Menschenkreis geschützt die Zeitung stehlen.
- Sich als Journalist verkleiden (Notizblock, Kamera, Presseausweis umhängen) - Beobachter denken dann, man würde bei der jeweiligen Zeitung arbeiten und hätte ein Recht auf ein Gratis-Exemplar.
Montag, 24. Juni
● Atheisten kann man wenigstens nicht vorwerfen, dass sie zum Fanatismus, zum ungefragten Predigen und zur Bekehrung neigen. Sie steigen nicht in die Straßenbahn und schreien, dass es gar keinen Gott gibt, stehen nicht am Wegesrand mit Gott-verleugnenden Zeitschriften, klopfen nicht an fremder Leute Türen und treffen sich nicht in Hinterzimmern, um gemeinsam nicht aus der Bibel zu rezitieren.
● Herr Josef glänzt mit einem schönen Jokus: "Wenn zwei gerne morsen, werden sie über kurz oder lang wieder voneinander hören."
Dienstag, 25. Juni
● Schleichend hat sich der hässliche QR-Code durchgesetzt und ziert mittlerweile jede zweite Werbefläche. Ich habe zwar noch nie jemanden dabei beobachtet, wie er vor einem Plakat sein schlaues Telefon zückt und einen derartigen Code einscannt, gehe aber davon aus, dass demnächst ein neuer Tattoo-Trend beginnt. Schließlich zögert man lieber einmal zu oft, sich "Babsi 4 ever" auf die Wampe stechen zu lassen, dieselbe Botschaft als quadratische Fläche wäre jedoch etwas risikoärmer. Und Babsi könnte sich jeden Tag daran erfreuen, ihr Tablet vor die chiffrierte Liebesbotschaft zu halten.
● Endlich mal ein Grund zur Freude: Das Ron Tyler Archiv, die Wikipedia der Internet-Generation, ist zurück und versorgt die wissbegierigen User wieder mit täglichen Info-Häppchen:
Mittwoch, 26. Juni
● So manchem Leutchen sei mal Folgendes hinter die Ohrwaschln tätowiert: Ein Geschirrspüler ist kein Zauberkasten, der eure Speisen verschwinden lässt! Er wurde von den Geschirrspüler-Erfindern erfunden, um euer Geschirr zu spülen. Euer Essen dagegen gehört primär in den Schlund und allerhöchstens in den Müll. Eure halbvollen Teller konzeptlos in die Spülmaschine zu stopfen, macht diese wunderbaren Geräte kaputt. Dieser Tadel mag an meinem Rock-und-Roll-Image kratzen, was ich für einen langlebigen Geschirrspüler aber gerne in Kauf nehme.
● Aktuelle Gewaltphantasie: Mit einem VW Käfer durch einen vollbesetzten Schanigarten preschen.
Donnerstag, 27. Juni
● "Du hast heute wohl einen Clown gefrühstückt!"
"Naja, keinen ganzen, aber ich hatte ein Enrico-Weckerl, Habakuk-Flocken und ein Glaserl Krusty-Saft."
● Standard-Interviewantwort: "Es ist natürlich immer auch eine Ehre, parodiert zu werden. Ich kann über eine gute Parodie sogar herzhaft lachen."
Erfrischende Interviewantwort: "Ich empfinde es grundsätzlich als Beleidigung, von drittklassigen Schmierenkomödianten nachgeäfft zu werden und bin entsetzt über die durchgehend katastrophale Qualität der Parodien."
Freitag, 28. Juni
● Eine Jugenderinnerung kombiniert mit einem Appell an junge Eltern:
A)Schlimm war es, als man die erste Freundin ins Elternhaus lud und die Mutter die etwas unrunde Stimmung zusätzlich zu crashen versuchte, indem sie der Neo-Angebeteten Baby- und Kinderfotos zeigte. Man war darauf nackt, mit winzigem Glied und Kleinkinderspeck zu sehen, wie man sich mit Schokolade einrieb. Die Freundin kicherte und sagte "Süß!" und dachte: "Pff, Mütter... die sind ja wirklich alle gleich."
B) Jetzt der Appell an die jungen Eltern: Wann auch immer Sie Fotos Ihrer Babys und Kleinkinder zu Facebook-Alben hinzufügen, denken Sie an die eben beschriebene Jugenderinnerung und ziehen Sie daraus gefälligst selbst Ihre Schlussfolgerungen.
● Neue Sammlung: Katastrophale Bühnenansagen. Erster notierter Fund: "Jetzt wird's ruhiger. Wir sind zwar alle hier zusammen, aber die Nummer heißt Alone."
Samstag, 29. Juni
● Aufriss-Idee: Jemanden ansprechen, der gerade auf seinem Smartphone herumwischt - "Tschuldigung, was googelst du denn gerade? Vielleicht weiß ich es ja zufällig!"
● Gerade in einem Jahr, das ohnehin schon üppig mit Pflichten vollgeladen ist, auch noch das "Jahr der Pflicht" auszurufen, mag eine zweifelhafte Idee gewesen sein. Da sowohl noch die April-Pflicht, das Besteigen eines der 100 höchsten Berge Österreichs, als auch die aktuelle nachzuholen sind, macht das Tagebuch samt Rahmenprogramm für die nächsten zwei Monate Pause. Die Kirchen-Lesung und die Bergtour werden in dieser Zeit nachgeholt und anschließend hinreichend dokumentiert. Ich wünsche einen langen und guten Sommer allerseits!