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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

23. 4. 2013 - 18:05

The Dark Retro Future

Was passiert, wenn man New Young Pony Club und AIR musikalisch kreuzt? Man erhält das Super-Duo Tomorrow's World und ihr düsteres Trockeneisnebel-Discopop-Album.

"Ich glaube wenn unsere Musik ein Soundtrack wäre, dann am ehesten zu einem David Lynch Film."

Das meint Lou Hayter, Keyboarderin bei den Engländerin New Young Pony Club durch das Rauschen und Knacksen der Telefonleitung. Nicht zuletzt deshalb war ihr Auftritt mit Jean-Benoît Dunckel, Teil des französischen Duos AIR, im Pariser Club "Silencio" der perfekte Ort für den düsteren, unterkühlten Disco-Pop mit Elektrokraut-Einschlag. Schließlich hat kein geringerer als David Lnych selbst die Räumlichkeiten der hippen Clubs designt.

Überhaupt ist die Stimmung des nächtlichen Paris mit all seiner pulsierenden Energie und Magie, sowie seinen Gefahren die Hauptinspirationsquelle für das Super-Duo Hayter / Dunckel, die sich den klingenden und bedeutungsschwangeren Namen Tomorrow's World gegeben haben.

Portrait Band Tomorrow'S world

Linda Bujoli

Vom Fantum zur Gleichberechtigung

Lou Hayter sei schon sehr nervös gewesen, als sie erfahren hat, dass Jean-Benoît Dunckel mit ihr zusammenarbeiten möchte. Immerhin war sie ein großer Fan von AIR und dem verträumten, einlullenden Sound der Franzosen. Und mit genau jenem eröffnet auch Tomorrow's World das Tor zu ihrem Sounduniversum. "A Heart That Beats" lässt charmant dahineiernde Syhnthie-Melodien auf spärlich eingesetzte Klavierakkorde treffen, wobei Lous Stimme über dem dichten Klangteppich schwebt.

...I found a heart that beats for me...

Cover Band Tomorrow's World

Tomorrows World

Das dürfte dann wohl das von Jean-Benoît sein. Mit ihm scheint die Engländerin eine perfekte Symbiose eingehen zu können. Beide üben sich mehr in Zurückhaltung als in der großen Pop-Geste. Und beide lieben die Reduktion als Stilmittel für ihre Musik. Zudem hatten Tomorrow's World mit ihrem kompletten Neustart alle Freiheiten, die sich Musiker wünschen können. Nicht zuletzt deshalb singt Lou in "A Heart That Beats" mit verschmitztem Unterton:

... we do as we please ...

So schleicht sich auch die romantische Zuckerwatten-Ballade "Think Of Me" mit Glöckchenklängen und schleppendem Bass fast unbemerkt in das Herz der Popfans. Denn der stete, ruhige Soundfluss erwischt einen spätestens mit der zarten und eigenwilligen Konversation von Lou und Jean-Benoît, einem spielerischen und zugleich selbstironisch anmutenden Techtelmechtel zu flirrenden Keyboardflächen.

Starke Frauen auf der Flucht

Damit wir uns nicht falsch verstehen, das Debüt von Tomorrow's World ist kein Kuschelpopalbum über die Liebe. Dem verträumten Anfang steht ein dunkler und unheimlicher Kampf um die eigene Freiheit gegenüber. Ein Kampf, den meist sehr starke Frauenfiguren in den recht knapp erzählten Geschichten von Lou führen müssen. Sei es bei der Flucht vor dem Geliebten oder gar vor der eigenen Vergangenheit. Bei der Single "Drive" wird dazu ein schnittiges, altes Automobil benutzt, wobei der dunkle Schatten aus der Vergangenheit mit flüsternder Stimme spricht und einem kalte Schauer den Rücken jagt.

Bei dem Song "Catch Me" hat dann die Realität die Fiktion eingeholt. Für den Anfang des Songs, in dem es erneut um eine flüchtende Frau geht, hat Lou ihre eigenen Schritte aufgenommen, die klingen, als würde sie davonrennen. Am Tag darauf, als sie auf dem Weg ins Studio durch das nächtliche Paris war um den Song einzusingen, hat sie dann tatsächlich jemand attackiert und verfolgt. Der Schreck, mit dem die Sängerin davon gekommen ist findet sich auch in der sinistren Nummer wieder.

Volle Kraft voraus in die Vergangenheit

Tomorrow's World live in Österreich:

  • 11. Mai im Rahmen des "Poolbar mit Pratersauna" Festivals, in der Pratersauna, Pratersauna Waldsteingartenstraße 135, 1020 Wien.

Eigentlich ist es paradox, dass sich Lou Hayter und Jean-Benoît Dunckel trotz aller Referenzen - im Popbereich sind es Bands wie die The Shangri-Las und im elektronischen Kraftwerk & CO - ihr Projekt Tomorrow's World nennen. Doch für Lou ist der Zukunftsaspekt bei aller Liebe zur Musik ihrer Jugend kein Widerspruch.

"Für uns macht der Name durchaus Sinn, weil wir viel mit alten, analogen Instrumenten Arbeiten und uns von unserer musikalischen Helden inspirieren lassen. Andererseits sind wir auch sehr an neuen Bands interessiert. Das was wir machen ist vielleicht ein retro future sound, wenn man so will."

Auch Lous Vorliebe für die TV-Show ihrer Kindheit spielt in den Bandnamen mit hinein. 1965 begann nämlich die BBC eine Sendung mit dem Titel "Tomorrow's World" auszustrahlen, die technische Innovationen ihrer Zeit näher bringen sollt. Der Schwarz-Weiß-Style mit dem unter anderem für den neuen, für heutige Verhältnisse unglaublich unhandlichen Heimcomputern geworben wird, wäre zum Beispiel eine perfekte Visualisierung des ungemein charmanten und großartigen Songs "Metropolis", einem der Highlights der Platte.

Portrait Band Tomorrow'S world

Linda Bujoli

"Tomorrow'sWorld" ist wie ein unheimlich schimmernder, dunkler Pop-Opal, der bei Lichteinfall die verschiedensten musikalischen Farben aufleuchten lässt. Die reduzierten und clever arrangierten Tracks kreieren eine eigene Welt. Ein bisschen weniger von den Sounds aus der AIR-Library hätte den recht eigenwilligen Songs gut getan. Andererseits ist vielleicht gerade der weichgespülte Klang der Analogsynthie-Armada von JBs Studio ein Anknüpfungspunkt für die französischen Downtempo-Fans. Liebhaber von düsterem Elektropop und David Lynch Filmen werden mit Tomorrow's World auf alle Fälle ihre Freude haben.