Erstellt am: 18. 3. 2013 - 17:12 Uhr
Die Ausweitung der Integrationszone
"Aber als was fühlst du dich wirklich? Bist du Araber oder Franzose?", mit diesen Fragen beschäftigt sich der französisch-libanesische Autor Amin Maalouf in seinem Essay "Mörderische Identitäten". Der Titel ist hier Programm. Maalouf stellt die These auf, dass Identitäten nicht mit solchen festen Kategorien beschrieben werden sollten, die aus der Hochphase des Nationalismus stammen.
Identitäten sind nämlich komplexer und bestehen nicht nur aus einer (Ex-)Nationalität. Dennoch machen wir im öffentlichen Diskurs den Fehler und nehmen eine Herkunft oder Religion als einen gemeinsamen Nenner, mit dem wir unterschiedlichste Menschen in eine Schublade stecken. Dass eine serbische Verkäuferin mehr Gemeinsamkeiten mit einer österreichischen Arbeiterin, als mit einer serbischen Akademikerin haben könnte, wird gerne ignoriert.
Dann wird noch gerne unterschieden zwischen integrationswilligen und integrationsunwilligen oder gar integrationsunfähigen MigrantInnen. So wird es dann möglich, Sprachen und Kulturen zu bewerten. Wenn die BetreiberInnen eines Irish Pubs ausschließlich Englisch reden ist das kein Problem, aber die VerkäuferInnen am Ottakringer Brunnenmarkt sollen Deutsch reden, denn sonst leben sie in einer „Parallelgesellschaft“.

EPA
Die "Kulturalisierung" von Problemen
„Parallelgesellschaft“ ist neben dem mindestens genauso unschönen Begriff „Kulturkreis“ eines der beliebten Konstrukte mit denen Konflikte im Zusammenleben erklärt werden. Im globalen Maßstab gibt es dann noch den berühmten „Kampf der Kulturen“.
Diese Kulturalisierung von sozialen und politischen Problemen macht sie zu schier unlösbaren Aufgaben, die - wenn überhaupt - nur durch die Integration gelöst werden können.
Und wie geht die? In Österreich spricht man seit einiger Zeit von "Integration durch Leistung". Zusätzlich dazu wird erwartet, dass man als MigrantIn oder Mensch mit Migrationshintergrund nicht nur auf dem Papier Österreicher sein soll, sondern auch im Herzen.
Dabei ist die Einführung des „Herzens“ in die Debatte noch viel problematischer als die „Leistung". Wen kümmert es, was im Herzen von den Menschen hervorgeht? Und wie soll man diese emotionale Bindung messen? An den Tränen, die man vergießt, wenn Österreich beim Fußball gegen die Türkei verliert?
Hinter der Erwartung, dass man sich im Herzen als Österreicher fühlen muss, steckt die Reduktion von Identitäten auf wenige Merkmale. Mehrere Sprachen kann man sprechen, man darf einen Migrationshintergrund haben, aber tief im Herzen muss man sich für eine Identität entscheiden! Für hybride Identitäten ist kein Platz.
Diese Emotionalisierung des Integrationsdiskurses macht den Integrationsbegriff noch schwammiger und so läuft man als MigrantIn oder mit dem Migrationshintergrund, den man von den Großeltern geerbt hat, unermüdlich der Karotte hinterher.