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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

18. 3. 2013 - 15:49

Zerschürfte Knie und Island Forever

Was grade so in den Ohrhörerchen rotiert: Elena Tonra aka Daughter aus London, die New Yorker Band Teen, der US-Musiker John Grant oder das isländische Duo Pascal Pinon. Und was hat das mit zerschürften Knien zu tun? Lest selbst.

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John Grant aus Denver, Colorado, war einer der ersten Künstler auf dem Londoner Plattenlabel Bella Union, das heute etwa mit den Fleet Foxes Erfolge genießt. Mit seiner wirklich guten aber glücklosen Band The Czars wurde John Grant vor Jahren von Simon Raymonde, dem Gründer von Bella Union und Ex-Cocteau-Twins-Musiker, unter Vertrag genommen. Die hießen so, weil dieser Amerikaner Russland-affin ist und Russisch spricht - genau gesagt, er ist Übersetzer im medizinischen Bereich. John Grant spricht auch Deutsch und das fast so, als ob er mit der Sprache aufgewachsen wäre, was nicht der Fall ist. Der Mann ist schlichtweg ein Sprachen-Genie. Mit dem Selbstbewusstsein hat es bei ihm aber immer irgendwie gehapert, wie er selbst sagt bzw. singt:

"If I think about it, I am successful. I get to sing for lovely people all over this lovely world, and I am nowhere near as awkward as I was when I was younger."

Wir dürfen also hoffen, dass dieser Mensch und Künstler nun am Weg zum besseren Selbstwertgefühl ist: "I guess, I'm one of those guys who gets better looking as they age", singt er auf seinem neuen Album. Den Song mit diesen Zeilen nennt John Grant "It Doesn´t Matter To Him", den neuen Longplayer hat er "Pale Green Ghosts" betitelt.

Letzteres muss etwas mit Island zu tun haben. Dort ist das Album zum allergrößten Teil entstanden. Sein letztes, "Queen Of Denmark", pushte diesen fast schon ewigen popmusikalischen Verlierer John Grant endlich so richtig einem Publikum entgegen. Und Sinead O´Connor, Irlands (Ex-)Superstar und beinahe Dauer-Rebellin, coverte das Stück. Es war nicht einfach ein Cover, Sinead verdeutlichte, was für ein unglaublich toller Song das eigentlich war.

Der höfliche John Grant bedankte sich selbstverständlich und Sinead wollte noch mehr tun für und mit John Grant: Am neuen Album singt sie Backing Vocals, etwa auch bei jenem großen Selbstbewusstseins-Stück "It Doesn´t Matter To Him", das etwas Paranoides mit etwas Smoothness vereint wie schon lange kein Song im Gitarrenpop-Genre.

US-Musiker John Grant

BellaUnion

John Grant

Let´s Stay In Iceland

US-Musiker Jason Molina

secretly canadian

Jason Molina R.I.P.

Für seine Fans waren die Songs des US-Musikers Jason Molina, der aus Ohio stammte und in einer Metalband in Cleveland begann, kleine Meisterwerke: "Two Blue Lights", "Heart My Heart" oder "Farewell Transmission". Ob solo oder mit seinen Bands Magnolia Electric Co und Songs: Ohia, Jason Molina veröffentlichte seit 1996 insgesamt sieben Alben. Weil Jason Molina eine Alkoholabhängigkeit entwickelt hatte, bat seine Familie um Spenden, um Bandlungen zu finanzieren. Molina war zuletzt am Weg zu einem gesünderen Lebensstil, arbeitete auf einer Farm in Virginia und meldete sich vergangenes Jahr auf seiner Website, dass es aufwärts geht. Jetzt starb Jason Molina jedoch an Nierenversagen. Er war 39 Jahre alt.

Vorletztes Jahr spielten die isländischen Zwillingsschwestern Jofridur und Asthildur aka Pascal Pinon beim Blue Bird Festival in Wien. Zusammen mit zwei Freundinnen traten die beiden als Quartett auf. Kürzlich waren sie wieder in Wien. Weil ich aber nicht in der Stadt war, hab ich Pascal Pinon verpasst. FM4-Mann Christian Pausch, der sich mit Musik made in Island sowieso um einiges besser auskennt als ich, war jedoch zur Stelle. Er führte anlässlich des neuen Albums von Pascal Pinon - "Twosomeness" - ein Gespräch mit den Schwestern und bat sie auch zu einer Akustiksession.

Aber da war doch noch etwas Neues aus Island, eh klar, via das Island-Outlet schlechthin, das deutsche Plattenlabel Morr Music: "Flowers", ein Longplayer von einem Künstler namens Sin Fang. Dahinter steckt ein gewisser Sindri Mar Sigfusson, den viele oder zumindest manche von uns vielleicht von der isländischen Band Seabear her kennen. Zum "Flowers"-Album hab ich das 2010er Album von Seabear wieder rausgesucht. Da gibt es Songs drauf, die in ihrer Intensität ihresgleichen suchen: "Wolfboy" etwa oder "I´ll Build You A Fire". Und dieser Mann hat auch ein neues Album: Olafur Arnalds. Island Forever sozusagen in den Kopfhörern.

Teen auf Tour

Nächsten Monat kommt die New Yorker Band Teen nach Österreich, um hier zwei Konzerte zu spielen. Teen ist die Band rund um Kristina "Teeny" Lieberson, der Ex-Keyboarderin von Here We Go Magic. Zusammen mit ihren Schwestern Katherine und Lizzie sowie der gemeinsamen Freundin Jane Herships bildet Teeny jetzt Teen. Atmosphärischer Indiepop mit einer gewissen spröden "Coolness" und Einflüssen von Spät-80er-Jahre Psychedelic-Indierock-Bands aus Kalifornien wie Rain Parade oder Opal. Letztere waren die Band von David Roback und Kendra Smith. Ersterer gründete dann zusammen mit Hope Sandoval das Duo Mazzy Star. Die Kalifornierin Hope Sandoval war später dann die Freundin von Jim Reid von der legendären schottischen Band The Jesus & Mary Chain. Die jungen MusikerInnen der schottischen Band Haight-Ashbury sind große Fans der Musik von Mazzy Star und von The Jesus & Mary Chain sowieso. Oops, ein kleiner indiepophistorischer Ausflug mit all den Verzweigungen und Verschachtelungen.

US-Band Teen, vier Frauen, Brooklyn

Teen

Kristina "Teeny" Lieberson und ihre Band Teen

Warten auf Kate Bush, pardon, auf Daughter

Das Debütalbum von Daughter ist jetzt endlich da. Die Britin Elena Tonra steckt hinter diesem Namen. Auf Geschwister kann sie sich im Gegensatz zu Haight-Ashbury und Teen nicht verlassen. Ihre internationalen Band-Freunde bei Daughter heißen Igor Haefeli und Remi Aguilella. Elena Tonra ist eine Künstlerin von Kate-Bush-artiger Schönheit und Aura.

Londonerin Elena Tonra alias Daughter, junge Musikerin

Daughter

Elena Tonra von Daughter
Albumcover Graham Coxon, 2012, England

EMI

Aufgeschürfte Knie. Albumcover von Graham Coxon, 2012

"If You Leave" heißt das Daughter-Album und gleich der erste Song packt einen. "Winter" heißt er, ist aber ein Stück für die Ewigkeit oder zumindest eines, das den Frühling überlebt bis in den Sommer hinein, oder gar den Spätherbst, ja und dann ist es ja eh schon wieder Winter.

Aber halt, was sind denn das für (trüb-melancholische) Gedanken? Vielleicht weil sich heuer der von mir grundsätzlich ja nicht geschmähte Winter einfach nicht davonjagen lässt. Oder weil ich mir ständig die Knie aufschürfe? Ja, letzteres, wirklich, wie ein kleines Kind. An der metallenen Bettkante das linke Knie angehaut, eine Pfanne aus der Hand gerutscht und gegen das (rechte) Knie gedonnert, auf einem glattpolierten Stiegenhausboden mit den neuen (Frühlings-)Stiefeln - welche inzwischen des nicht vorhandenen Frühlings wegen wieder weggepackt werden mussten - am glattgeputzten Steinboden ausgerutscht, dabei auf die Knie gedonnert und gleich darauf wieder mit beiden nun eh schon wirklich demolierten Knien gegen das Bett gelaufen, die Kurve nicht großzügig genug genommen.

Vielleicht ist ja gar das letzte Album von Graham Coxon Schuld an der Knie-Miserie. Das hab ich nämlich Monate und nocheinmal Monate verlegt und erst jetzt wieder gefunden. Am Album-Cover: abgeschürfte Frauen-Knie. Wo ist bloß die Salbe? Diese kühlende Salbe für die Knie. Muss im/beim Bett liegengeblieben sein. Du liebe Güte. Aber es ist nie zu spät, Graham Coxons Solo-Werk zu entdecken, auch wenn ich mir zuallererst wünsche, dass Blur wieder mit William Orbit ins Studio gehen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte...