Erstellt am: 26. 2. 2013 - 19:51 Uhr
WWW-Consortium für Transparenzgesetze

Rigo Wenning
"Ein Transparenzgesetz ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens ist es natürlich demokratieförderlich, wie auch das Web überhaupt. Zum Zweiten macht es wirtschaftspolitisch Sinn, weil es weiteres Wachstum bringen wird. Die Wirtschaft wird noch wesentlich mehr davon profitieren als etwa Journalisten, die dann Zugang zu Protokollen der Regierung erhalten", sagte Rigo Wenning, Justitiar des World Wide Web Consortiums (W3C) zu ORF.at.
"As W3C's Legal Counsel I give advice to the management on most legal aspects of the Consortium's operations" und was Herr Wenning dort sonst noch macht.
"Tim Berners Lee hat in einem Vortrag erst kürzlich wieder betont, dass die daraus resultierenden Daten zu einer neuen Qualität des Web führen werden. Er hat sogar die Zuhörer dazu gebracht, dass sie 'we want raw data now!' skandierten". So Wenning weiter, der am "Privacy Day" der ARGE Daten am Dienstag eine Keynote zum Thema "Transparenz und Big Data" hielt.
Pensionsrechner aus Österreich
Was der allgemein als Erfinder des WWW apostrophierte Tim Berners Lee gemeint hat, geht weit darüber hinaus, amtlicherseits etwa eine Art von individuellen Pensionsberechner ins Internet zu stellen. Dies wurde von der Bundesregierung für 2014 angekündigt.
Das kann zwar eine durchaus nützliche Anwendung ergeben, ist aber nur ein etwas unscheinbares Beispiel dafür, was in den Daten der Verwaltung steckt.
Datenstruktur und Intelligenz
Nicht zuletzt durch die laufende Diskussion hat die überparteiliche Initiative für ein österreichisches Transparenzgesetz mittlerweile Schwung aufgenommen.
"Wir wollen nicht nur alle Rohdaten von der Verwaltung, sondern 'linked data'", sagte Wenning, "in der Verwaltung gibt es Datenbanken mit ungeahnten Mengen von Daten, die von erheblichem Wert sind. Bruchteile dieser Daten werden auf Webportale verteilt und schon veröffentlicht. Die 'Intelligenz' dieser Daten steckt aber sehr oft in ihrem Datenschema sowie ihren Verbindungen zu anderen Daten. Nur dann können wir daraus wirklich etwas herausholen. Doch gerade diese Strukturen und Beziehungen werden bis jetzt überhaupt nicht offengelegt."
Eine Frage des Werts
Bei diesen aus öffentlichen Ressourcen gewonnenen Daten bleibe es ja nicht, die könnten ja wiederum mit anderen Datensätzen verknüpft werden und das führe zu höherer Erkenntnis, ѕo Wenning weiter.
Worin aber besteht der Wert dieser Datensätze? Ist das nur ein weiterer Schritt, um die Webökonomie, in der bekanntlich Dienstleistungen mit personenbezogenen Datensätzen "bezahlt" werden, nun auf weitere Bereiche der Gesellschaft, namentlich die Verwaltung auszudehnen?
Datenklassen, Datenschutz
"Wir müssen dabei natürlich sehr auf den Datenschutz achten, dass die Menschen nicht gläsern werden. Wir glauben aber, dass beides funktionieren kann, auch wenn es dafür noch einiger Diskussionen bedarf. Man muss sich dabei ansehen, welche Datenklassen da vorliegen und wo man die Limits setzt. Dafür hat man ja Datenschutzbeauftragte."
Außerdem müsse man sich überlegen, wie man gesetzlich mit Korrelationen von Daten umgehe, so Wenning weiter. "Wir haben heute Schwarz-Weiß-Datenschutzgesetze: Entweder es sind personenbezogene Datensätze, dann darf ich gar nichts damit tun. Im anderen Fall darf ich sie alle verarbeiten."
Korrelationen und Verbote
Die Diskussion über zukünftige Korrelationsverbote bestimmter Datensätze sei erst angelaufen. Um sie auch führen zu können, ѕagte der Justitiar des W3C, müssten die Rohdaten der Verwaltung erst einmal zugänglich gemacht werden.
Tatsächlich weiß man nicht so genau, was da wirklich in diesen "big data" oder "massive datasets" genannten Rohdatensätzen steckt. Diese Datensätze sind nämlich viel zu heterogen, um über einen Kamm geschoren zu werden. Einen großen Anteil dieser gewaltigen Datenmengen werden keine personenbezogenen, sondern Daten aus der Maschinenkommunikation ausmachen.
Sensordaten aus den Alpen
"Wir sind ganz sicher, dass es in der Verwaltung eine Fülle an Sensordaten geben muss", sagt Wenning. Was kann man sich darunter vorstellen? Das Spektrum reiche von meteorologischen und seismischen Messdaten bis zu solchen aus der Telemetrie, die Verkehrsbewegungen abbilden. Alleine aus den Alpen müsste von Gletscherbewegungen angefangen eine Unmenge an klimarelevanten Daten vorhanden sein, die bis jetzt nur zu einem bestimmten Zweck erhoben und isoliert verarbeitet werden.
"Aus solchen Datensätzen können mikro- wie makroklimatische Erkenntnisse gezogen werden, wenn man sie mit ausgewählten anderen Datensätzen verknüpft, was davor einfach nicht möglich war. Sie lassen sich zum Beispiel mit Datensätzen aus der Tourismusbranche, mit demographischem Zahlenmaterial usw. korrelieren. Niemand weiß vorher genau, was für ein Nutzen in Big Data steckt", sagt Wenning.
Die Anfänge des Datamining
Beispiele dafür gibt es genug, seit Großkonzerne in den 90er Jahren begonnen haben, mittels Datamining Erkenntnisse über bis dahin verdeckte Zusammenhänge von Prozessen in ihren ins Unübersichtliche gewachsenen Firmenstrukturen zu ziehen.
Ebenso hatten die Telekoms die in den Mobilfunknetzen anfallenden Verkehrsdaten erst nur genutzt, die einzelnen Funkzellen routinemäßig auf die Zahl der Gesprächsabbrüche zu überprüfen. Es wurden also Statistiken über die Aktivitäten in der Funkzelle geführt und dabei Anzahl und Zeitpunkte der Gesprächsabbrüche korreliert. Diese Daten fielen aus rein technischen Gründen an. In der Frühzeit von GSM sowie später der weiteren mobilen Netzwerkprotokolle wurden sie vor allem zur Planung des weiteren Netzausbaus benötigt.
Staatliche Begehrlichkeiten
Dann kamen die Begehrlichkeiten der staatlichen Überwacher, die den Wert dieser Verbindungsdaten für ihre eigenen Zwecke rasch erkannt hatten. So konnte man hiedurch doch zugleich und automatisch Zeit-Weg-Protokolle wie Kommunikationsprofile erstellen.
Das ist mit Big Data natürlich ebenfalls möglich, wenn es so gesetzlich geregelt wird. Die Mobilfunker aber fanden eine weitere, offenbar lukrativere Verwertung der Verkehrsdaten, als es die Vergütung für staatliche Überwachungsmaßnahmen darstellt.
Verkehrsdaten, sinnvoll ausgewertet
Diese Datensätze erwiesen sich deshalb als wertvoll, weil sie österreichweit Verkehrsbewegungen darstellen können, zumal Autofahrer fast immer ein Handy mit sich führen.
Supermarktketten können so feststellen, wann und wo wieviele Autos sich in der Umgebung einer Filiale täglich bewegen, um die Positionen der Plakatwerbung zu optimieren. Ebenso lassen sich die besten Schaltzeiten für Radiowerbung ermitteln, demographische Schlüsse für Stadtplaner ziehen usw.
Gesundheitsdaten
"Nehmen wir ein Beispiel aus einem empfindlichen Sektor, nämlich der Gesundheit. Hier würde die Menschheit insgesamt ganz sicher von Big Data profitieren, aber gleichzeitig wird es hier richtig gefährlich. Die Frage stellt sich, wie kann ich aus diesem Riesendatenpool neue medizinische Erkenntnis ziehen, ohne dabei die einzelnen Betroffenen zu kompromittieren oder die Gesellschaft zu überwachen. Die Sorgen der Bürger sind in diesem sensiblen Bereich unbedingt ernst zu nehmen."
Instanzen, Beamte
"Es muss also hier Kontrollen geben, denkbar ist auch eine vertrauenswürdige, zentrale Instanz, die vielleicht den Zugang zu Big Data verwaltet und bestimmte datenschutzrechtlich bedenkliche oder verbotene Verknüpfungen erst gar nicht zulässt."
"Bei Daten aus der Verwaltung sehe ich überhaupt kein Problem, denn ein Beamter im öffentlichen Dienst muss es wohl aushalten, dass wir wissen, was er dann und dann dienstlich gemacht hat."
Nach dem Krieg gab es sogar Wortprotokolle, in denen der britische Historiker Robert Knight den Satz von SPÖ-Innenminister Oskar Helmer gefunden hat - "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." Gemeint war die Rückstellung jüdischen Vermögens.
Wennings Keynote auf dem Privacy Day der ARGE Daten am Dienstag fiel zeitlich mit einer Ankündigung von Bundeskanzler Faymann zusammen, das Amtsgeheimnis künftig "deutlich" zu lockern. Wie und wann sich diese neue Deutlichkeit jedoch positiv auf die Informationsbedürfnisse der Bürger auswirken wird, steht noch weitgehend in den Sternen.
Ministerrat ist datenlos
Was den oben angesprochenen Zugang für Journalisten und alle anderen interessierten Österreicher angeht, so sieht es beim Ministerrat nicht nach Big Data, sondern nach "Zero Data" aus.
Wie Radio OE1 berichtet hat, zeichnet sich bereits ab, dass die Vorgänge in den wöchentlichen Ministerratssitzungen intransparent bleiben werden und zwar auch in Zukunft. Für nachkommende Historiker werden diese Sitzungen der Regierungsspitze im Dunklen bleiben, denn die im Nachkriegsösterreich üblichen, genauen Wortprotokolle wurden bereits vor Jahrzehnten abgeschafft.