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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

27. 2. 2013 - 13:37

This Woman's Work

Thao Nguyen, die US-Amerikanerin mit vietnamesischen Wurzeln, hat ein tolles neues Album heraußen, nachdem sie eine Weile der Musik den Rücken gekehrt hatte und Sozialarbeiterin geworden war.

Als Thao sich auf ihrem Handy meldet, ist Lärm im Hintergrund. Es hört sich an wie ein Lastwagen, der gerade versucht irgendwo, wo es etwas eng ist, einzuparken. Ja, zehn Uhr vormittags in San Francisco, und Thao kommt gerade vom Joggen zurück. In Kalifornien steht man früh auf und lebt gesund, macht morgens Bewegung, auch wenn man Rock-'n'-Rollerin ist und dieser Beruf generell ja mehr mit nächtlichem Treiben verbunden wird als mit vormittäglichen Aktivitäten. Thao saust hinauf in ihre Wohnung, Handy am Ohr, und gibt höflich Auskunft über sich und das neue Album.

Das Mädchen aus dem Waschsalon

Album-Cover Thao & The Get Down Stay Down, 2013

Domino

"We The Common" von Thao & The Get Down Stay Down ist bei Ribbon/Domino erschienen.

Auch die Frage, ob ihre Mutter den Waschsalon in Virgina, nahe Washington D.C., noch hat, in dem Thao als Mädchen viele, viele Stunden verbracht und dort auch über Songideen nachgedacht hat, während die Waschtrommeln liefen und liefen, beantwortet die sympathische Amerikanerin, die mit ihrer alleinerziehenden Mutter mit Motown-Soul und vietnamesischer Musik großgeworden ist. Nein, den Waschsalon gibt es nicht mehr, mit Ende letzten Jahres sperrte Mama Nguyen zu und ist die hart erarbeitete Pension angetreten. Sie hat den Waschsalon verkauft. Die Tochter, heute am anderen Ende der USA zuhause, hält engen Kontakt zu ihrer Mutter, aber auch zu anderen Frauen, etwa einer gewissen Valerie Bolden. Soviel Kontakt in letzterem Fall halt möglich ist, denn Valerie Bolden ist eine Gefängnisinsassin. Ihr widmet Thao gleich den ersten Song am neuen Album: "We The Common (For Valerie Bolden)".

Valerie Bolden war eine der ersten Frauen, die ich im California State Prison getroffen habe. Sie war insgesamt sehr gefasst. Sie erzählte mir etwa, dass sie ihre Tochter seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen hat. Das ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Der Sontext basiert auf unserem ersten Gespräch, das wir hatten.

US-Musikerin THao Nguyen, rotes Kleid

Thao/Domino

Das letzte Album von Thao & The Get Down Stay Down führte Thao unter anderem auch nach Wien, wo sie beim FM4 Geburtstagsfest spielte. Tolle Venue, großartiges Publikum und supergute Snacks backstage, erinnert sich Thao sofort. Als die Tour zu Ende war, nahm sich die gut vernetzte Thao Nguyen eine Auszeit von einem Jahr. Feine Snacks essen und ein wenig Joggen gehen, nein, so sah Thaos Sabbatical nicht ausschließlich aus: Zwei Freundinnen von ihr engagieren sich für die California Coalition For Women Prisoners und fragten Thao, ob sie nicht mithelfen könnte, bei der ehrenamtlichen Arbeit mit weiblichen Häftlingen, die im California State Prison einsitzen. Thao sagte kurzentschlossen einfach ja, nur eine Ahnung habend, worauf sie sich einlassen würde, nämlich auf eine extrem intensive Zeit.

Thao, wer sind die Frauen, die du während dieser Zeit getroffen hast? Warum sind sie im Gefängnis, und was hast du mit ihnen oder für sie gemacht bzw. machen können?

Thao Nguyen: "Es sind alle möglichen Frauen. Manche sind zu lebenslanger Haft verurteilt, ohne Chance auf Bewährung. Andere müssen 25 Jahre im Gefängnis verbringen. Man glaubt zuerst, dass das Schwerverbrecherinnen sein müssen, aber manche von ihnen sind z.B. drei Mal mit ein wenig Haschisch erwischt worden, nicht mehr. Andere sind wegen eines kleineren Betrugs zu all den Jahren Gefängnis verurteilt worden, und wiederum andere haben aus Notwehr gehandelt und jemanden verletzt, der oder die dann gestorben ist. Viele waren Opfer großer und jahrelanger Gewalt, als sie dann straffällig wurden. Ich will keine der Taten gutheißen, aber die Härte und Höhe der Strafen ist in so vielen Fällen einfach überproportional. Alle diese Frauen konnten sich auch aus finanziellen Gründen keinen kompetenten Anwalt leisten. Wir versuchen, rechtlich zu helfen. Aber nicht immer sind wir da erfolgreich, oft ist unsere Aufgabe einfach nur, da zu sein für die Frauen, sodass sie das Gefühl haben, da draußen denkt jemand an sie und hält sie noch immer für Menschen. Das Dasein im Gefängnis ist für diese Frauen schier unerträglich. Wie wir - die USA - Gefangene behandeln, weibliche Gefangene, ist letztlich schlicht und einfach unmenschlich."

Thao, US-Musikerin und Band

thao

Thao Nguyen versucht einiges von ihrer Freiwilligen-Tätigkeit mit den gefangenen Frauen auch jetzt und in Zukunft aufrechtzuerhalten, etwa indem sie Briefe schreibt. Wenn nach dem neuen Album und der Tour wieder Zeit ist, möchte sie die Arbeit überhaupt fortzusetzen. Ich habe von diesen Frauen soviel bekommen, sagt Thao. Echte Emotion schwingt in ihrer Stimme mit.

Ob es schwierig war, nach dieser Erfahrung zum Musikmachen zurückzukehren, frage ich Thao. Hatte sie vielleicht sogar ein wenig Angst, ob ihr die Musik, das Songschreiben, Aufnehmen und Livespielen, noch genug sein würden? Das sind gute Fragen, sagt Thao und ja, es ist tatsächlich so gewesen. Aber dazu muss man wissen, dass Thao, als sie das College besuchte, überlegte, als Beruf in Richtung womens's advocacy work zu gehen, nur fühlte sie sich direkt nach dem Abschluss noch nicht bereit dazu, solchen Aufgaben noch nicht gewachsen und weil sie sowieso auch Musik machen wollte, entschied sie sich erst einmal für Letzteres.

Ich arbeitete damals neben dem Studium in einem Frauenschutzzentrum und ich hatte einfach nicht die emotionale Kraft, jeden Tag dort zu sein, all das jeden Tag zu sehen, was ich dort sah.

Thao, US-Musikerin, sitzend, überr Los Angeles

Domino

"We The Common" nennt Thao ihr neues Album. Ich frage, bevor Thao über ihre Tätigkeit mit den weiblichen Häftlingen erzählt, warum sie diesen Titel gewählt hat, ob es etwas damit zu tun hat, dass sie sozusagen ein common girl ist, dass sie als einfaches US-Mädchen mit Migrationshintergrund aufgewachsen ist und nicht etwa als Tochter eines wohlhabenden Paares, sagen wir, an New Yorks Upper East Side. Thao lacht herzlich am anderen Ende der Telefonleitung. Nein, an das hat sie nicht gedacht, sagt sie, sondern es geht um die community, um das Zusammenhelfen, den Aktivismus und was man damit erreichen kann, auch wenn es oft nur ein Tropfen auf einen heißen Stein zu sein scheint.

Wen das jetzt alles ob einer gewissen Schwere zu erschlagen droht, das Schöne an diesem Album "We The Common" ist, dass es gleichzeitig auch eine gewisse Leichtigkeit, ja, fast Schwerelosigkeit hat. Dazu sitzt Thao auf einem Promo-Foto ihres Plattenlabels relaxt in einem Polstersessel, die Weite von Los Angeles zu Füßen. Ein schickes Mädchen, eine intelligente Frau, charismatisch, wortgewandt, tief berührt ist diese Thao aus dem Waschsalon. Clouds for brains, rain for days, reimt sie im Song "Clouds For Brains", und in "Kindness Be Conceived" singt sie I've been a villain all my life. Letzteres Stück, das mit entspanntem Banjo-Zupfen beginnt, ist ein Duett mit der Kalifornierin Joanna Newsom. Die beiden hatten sich nahe Seattle getroffen, auf einer Insel, bei einem Songschreiber-Seminar für Frauen. Ja, ja, die Amis und ihr creative writing, das bringt tatsächlich immer wieder Großes hervor. Jede der teilnehmenden Frauen saß, laut Beschreibung von Thao, in einer kleinen Hütte und schrieb den ganzen Tag, dann kam man zusammen und freundete sich an.

US-Musikerin Thao, jung

Thao

Ein Song vom Album "We The Common" heißt "City", und es geht um San Francisco, die Wahlheimatstadt von Thao. Aufgenommen hat Thao Nguyen diesmal zum Teil aber in Dallas, Texas, bei keinem Geringeren als John Congleton, der auch schon die Musik von St. Vincent oder Bill Callahan - von dem Thao ein großer Fan ist - produzierte. Thaos vorherige Alben entstanden ja zusammen mit dem in Portland, Oregon ansässigen Produzenten Tucker Martine, der auch schon mit den Decemberists im Studio war.

"John Congleton holt einfach aus Stimme und Instrumenten einen ganz besonderen Sound heraus. Außerdem versteht er auch die Sprache des Hip Hop. Das gefiel mir total", schwärmt Thao Nguyen, ohne das Können von Tucker Martine schmälern zu wollen: "Ich wollte diesmal einfach einen raueren, schmutzigeren Sound, ich hörte auch gerade viel alten Stax-Soul - jenen legendären Soul aus Memphis, Tennessee."


Ein weiterer Song-Tipp: "Everybody". Ein erst an die Riot-Grrrl-Punk-Bewegungung erinnerndes Sück, das aber inspiriert ist vom Song "Brand New Key", einem Hit von Melanie, der US-Hippie-Sängerin: "I got a brand new pair of roller skates, I think we should get together and try them out", hieß es in jenem Melanie-Song. Rollerbladen wird Thao Nguyen mit den Frauen vom California State Prison wohl nie, aber die Hoffnung, dass sich ihre Situation verbessert, wird sie nie aufgeben, auch wenn es jetzt für Thao &The Get Down Stay Down erst wieder einmal heißt, Koffer packen, Gitarre schnappen und ab on the road.