Erstellt am: 14. 2. 2013 - 21:00 Uhr
Der Hüpfclub ist vorbei
Darwin Deez nicht mögen geht halbwegs einfach. Sein Haarband, seine Hipsterness und Newyorkhaftigkeit albern finden, die früheren Lieder untereinander für ähnlich halten, das kann man sich einreden lassen. Aber "Radar Detector" nicht ins Herz schließen, das ist schwierig. Einen der bestgelaunten kleinen Popsongs der letzten Jahre, diesen Minibreak vor dem Refrain, die Handclaps, die endlose Repetition dieses einen Satzes: "You are a radar detector". Im dazugehörigen Videoclip springt Darwin Deez durchs Weltall und trinkt Orangenlimonade. Darwin Deez bäckt Waffeln.
M. und ich hatten einen Hüpfclub. Er ging so: täglich einmal "Radar Detector" hören und dabei herumspringen, als gäbe es kein morgen. Ich habe Darwin Deez davon erzählt, er fand es gut.
Das Mixtape "Wonky Beats" steht hier zum freien Download bereit. Bis auf die Drums stammen alle Samples darauf aus dem Film Charlie und die Schokoladenfabrik.
Die weiteren Singles seines selbstbetitelten Debütalbums aus 2010, "Constellations", "Up in the clouds" und "Bad Day" schlugen in eine ähnliche Kerbe, die sehr charakteristische Gitarre war immer mit dabei. Zwei Jahre und eine endlose Tour später war Darwin Deez erschöpft und von seiner eigenen eingängigen Cuteness genervt. Schon während der Tour hatte er am Laptop aus Spaß ein sehr gutes Hip Hop-Mixtape produziert und es zurück in New York zusammen mit seinen Freunden von Das Racist fertiggestellt. Mit dem typischen Darwin Deez-Gefühl hat diese Musik nichts mehr zu tun.
Neuerfindung, muss das sein?

Darwin Deez
Es folgte eine einjährige Tourpause, die Arbeit an neuen Songs, der Umzug von New York in die Berge von North Carolina. Album Nummer Zwei ist ein deutliches Signal für den Umbruch. Das Haarband ist zwar noch dran, die Zeit des Herumhüpfens allerdings vorbei.
"Songs For Imaginative People" ist ungleich rauer, ungestümer und schwieriger als sein Vorgänger. Die Deezgitarre taucht nur mehr als kurzer Hook auf - eine Idee, die sich leider durch die meisten Songs des Albums zieht - und wird fast immer durch eine elektrische Gitarre verstärkt und ergänzt. Die klassichen Songstrukturen sind oft aufgelöst, die Gesangsmelodien sehr frei angelegt. Sehr frei. Hat Darwin Deez einfach alle Ideen aus seiner fabelhaften Welt in einen Topf geworfen?
"Songs for Imaginative People" ist am 11.Februar 2013 bei Lucky Number Music erschienen. Hier kann man es durchhören.
Die Einflüsse reichen von Rock bis, ja, Dubstep und Achtziger-Jahre-Pop ("Moonlit"), es gibt auch ein paar Gitarrensoli ("No Love"). Schon die Vorabsingle "Free (The Editorial Me)", der rockigste Track der Platte, hatte die Richtung vorgegeben. Was in den ersten Takten noch deutlich als Darwin Deez-Pop erkennbar ist, bricht ab dem Refrain mit einer starken E-Gitarre los, der ein rhythmischer Bruch folgt. "God is dead / But to whom it may concern / It’s no longer that person’s turn, it’s mine and I’m free" - auf die Lyrics hat Deez diesmal besonderen Wert gelegt; mehr als einmal verhandeln sie existenzialistische Themen, zitieren Friedrich Nietzsche, Jean-Paul Sartre oder das Vater Unser.
Die beste Nummer, sie ist sehr gut, ist mit "Redshift" jedenfalls der poppigste Song des Albums, ein Lied über das Verlieren der Liebe, bei dem die Verzweiflung im Refrain aus Deez herausbricht: "Was there a big bang that I just missed?" Was ist nur mit uns passiert?
Natürlich soll man von Darwin Deez nicht für immer hippen Feelgood-Pop erwarten, die eigene Neuerfindung und die angestrebte Horizonterweiterung seiner Hörer sind sein gutes Recht. Der ebenso hippe Ideenüberschuss von "Songs for Imaginative People" ist aber in vielen Momenten zu viel des Guten.