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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

5. 2. 2013 - 14:25

Lobbying um europäische Musiklizenzen

Die geplante europäische Regelung für Verwertungsgesellschaften und Rechtstatus von "nutzergenerierten Contents" verläuft erwartet kontroversiell.

Am Montag hat die EU-Kommission ihre Initiative "Lizenzen für Europa" gestartet. Diese Hearings zur einheitlichen Regelung der Urheberrechtsvergütungen in Europa begleiten eine Richtlinie, die Rahmenbedingungen dafür schaffen soll, dass europäische Firmen, Produzenten und Musiker ihre Werke überhaupt erst in anderen EU-Staaten vermarkten können.

Im Musikbereich gibt es für europäische Labels zum Beispiel überhaupt keinen europäischen Markt, quer durch Europa verkaufen sich nur die Angebote der Majors, der großen Labels aus den USA.

Beispiel Musikmarkt

Für die nach Staaten segmentierten, sehr kleinteiligen europäischen Musikangebote stellen schon die völlig unterschiedlichen Berechnungsmodi und -modelle für Lizenzen eine schwer überwindbare Hürde dar.

EU-Fahnen

EPA/OLIVIER HOSLET

Der Umstand, dass die Zusammenarbeit der jeweiligen Verwertungsgesellschaften quer durch Europa bis dato überhaupt nicht funktioniert, macht derartige Geschäftsmodelle bis jetzt aussichtslos.

Konsumenten, Kreatoren

Mit den Verwertungsgesellschaften geht der Richtlinienentwurf recht unverblümt ins Gericht. Die Arbeitsweise einiger dieѕer "Collecting Societies" habe zu Besorgnis bezüglich deren "Rechenschaftspflichten gegenüber ihren Mitgliedern im Allgemeinen und dem Management ihrer Finanzen im Besonderen" geführt" heißt es zum Beispiel im Entwurf.

Diese überfällige Initiative der Kommission für Europäische Lizenzen zur Schaffung eines gemeinsamen Markts geht aber weit über den Musikbereich hinaus.

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben im Netz etwa eine ganz neue Art von "Werken" hervorgebracht, deren Urheber aber wurden bis jetzt ausschließlich als "Konsumenten" kategorisiert. Die Rede ist vom sogenannten "User Created Content" in Sozialen Netzen, einem der vier großen Themenfelder, die in dem Hearing abgehandelt werden.

Stakeholder Berlusconi

Während aus den anderen Themengruppen noch nicht viel zu erfahren war - es gab weder Videostreams, noch Stellungnahmen auf der EU-Website - traf das auf das Arbeitsfeld drei, "Benutzerbestimmte Inhalte" nicht zu.

Die Bürgerrechtsgruppe La Quadrature du Net hatte bereits im Vorfeld die Liste der geladenen "Stakeholder" oder "Interessensträger" veröffentlicht.

Von Berlusconis Mediaset bis zur International Federation of Phonographic Industries (IFPI) sind etwa dreißig verschiedene Großunternehmen aus dem Mediensektor bzw. ihre Lobbies vertreten. Allesamt halten sie von "nutzergenerierten Inhalten" prinzipiell nicht viel, weil sie den Nutzern ja ihre eigenen Bezahlinhalte verkaufen wollen.

Wer noch dabei ist

Neben den flächendeckend repräsentierten privaten Medienindustrien stellen Google, Microsoft, eBay usw. ein halbes Dutzend Teilnehmer aus dem IT-Segment. Ebensoviele kommen je aus dem öffentlichen Sektor wie das British Film Institute bzw. aus dem Creative Commons- und Bürgerrechtsbereich.

Martin-Prat war von 1999 bis 2004 oberste Urheberrechtsjuristin der IFPI für "Global Policy" zuständig, also für internationale Strategie. In ihre Amtszeit fallen die ersten Hausdurchsuchungen bei Tauschbörsenbenutzern außerhalb der USA.

Geleitet wird die Themengruppe von Maria Martin-Prat, nunmehr Topjuristin der Kommission in Urheberrechtsfragen. Davor hatte sie einen vergleichbaren Posten innegehabt - als oberste Juristin für die IFPI, den Lobbyverband der weltweiten Musikindustrie. Mit der Rede von Binnenmarktkommissar Michel Barnier, in der die anstehenden Probleme ziemlich ausgewogen dargestellt wurden, hatte der weitere Verlauf der Sitzung dann wenig zu tun haben.

Kopfhörer

CC flickr.com/kevinshine/

Lobbyisten, Grant

Von Jeremie Zimmermann, dem wortgewaltigen Frontmann von La Quadrature kamen zunehmend grantige Tweets über "Zeitverschwendung" aus der Veranstaltung, weil dort so überhaupt nichts Zukunftsweisendes zu hören war.

Vielmehr trug ein Vertreter der Medienindustrie nach dem anderen die bereits sattsam bekannten Positionen vor. Wie auch rund um die Novellierung des europäischen Datenschutzes nicht zu übersehen war, haben diese beiden Vorhaben ganze Heerscharen von Lobbyisten angezogen.

Auf der "Licences for Europe"-Website gibt es derzeit nur die Punktierung

Deutsche Bundesliga, Print

Entgegen anderslautenden Medienbereichten sind es keineswegs nur Lobbies der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, die da die Trommeln für ihre Geschäfte rühren. Das Bertelsmann Media Group Rights Management, der "Deutsche Fußballbund und Bundesliga", Berlusconis Mediaset oder die "European Newspaper Publishers' Association" lassen sich wohl schwerlich den USA zuordnen.

Die genannte Tageszeitungslobby ist gleich doppelt, nämlich im Status eines "Stakeholders" wie auch als Beobachter vertreten, daneben auf der Liste steht die Lobby der europäischen Printmagazine.

Ein zuletzt bekanntgewordenes US-Positionspapier zur Novelle der EU-Datenschutzrichtlinie signalisiert bereits erhebliche transatlantische Verstimmung.

"Holzverarbeitende Medienindustrie"

Das reichlich präsente Printsegment komplettieren dann noch die Hardwarelieferanten. Als wollte man den Spottdrosseln des Internets Genüge tun, die Printverlage als "holzverarbeitende Medienindustrie" bezeichnen: Auch die Assoziation der europäischen Papiererzeuger CEPI hat so starkes Interesse an "nutzergenerierten Inhalten" im Internet, dass sie beobachtend vertreten ist.

Die Heerscharen der Lobbyisten können sich die Abreise aus Brüssel zwischendurch eigentlich sparen. Die nicht minder umkämpfte Novellierung der EU-Datenschutzrichtlie wird nach dem Ministerrat gleich in fünf verschiedenen Parlamentsausschüssen gerade parallel behandelt.