Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Wenn Downbeat Luxus ist"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

16. 2. 2013 - 15:07

Wenn Downbeat Luxus ist

Ein Plädoyer für wabbernde Soundflächen und Zeitlupenbeats. Und die neue Tosca Platte "Odeon". Zu hören in der FM4 Soundparknacht.

Es ist kein Zufall, dass Richard Dorfmeister und Rupert Huber die Interviews anlässlich ihres Tosca Albums "Odeon" im eigenen Studio im vierten Wiener Bezirk stattfinden lassen. Schließlich repräsentiert dieser Ort den Rahmen, ohne den es keine neue Platte der beiden alten Schulfreunde geben würde. Es ist ihr Zufluchtsort vor der stressigen Alltagswelt, in der man immer verfügbar sein muss, immer online ist und meist keine Ruhe mehr findet.

FM4 Soundpark Nacht
Jeden Sonntag von 01-06 Uhr

"Das gute an diesem Studio ist, dass es im Keller ist", meint Richard, als er zu seiner Kaffeetasse greift. "Es ist nicht wie so ein Werbestudio im sonnendurchfluteten Parterre mit Pool im Garten. Hier ist es immer gleich. Sehr ausgeglichen, wobei es Nacht sein kann oder acht Uhr früh. Dadurch ist man weg von allem. Das ist ja auch die Idee, dass wir in diesem Studio alles andere vergessen können. Man müsste sogar alle Email-Programme zumachen und das Handy ausschalten. Dann wäre man wirklich frei und das ist ja letztendlich der einzige Luxus, den es noch gibt."

Genau dieses Ambiente ist es, das uns zehn Tracks beschert, die Ruhe und Bedachtsamkeit hörbar machen. Das Wiener Produzentenduo lässt sich auf ihrem sechsten Album nämlich viel Zeit, um Klänge und Sounds zu entwickeln und dafür brauchen auch wir Zeit.

Tosca alias Rupert Huber und Richard Dorfmeister

G-Stone Recordsing

Zur guten Ambience

Es ist schwer, nicht gleich nach der ersten erklungenen Soundfläche nervös zu werden, die in die Unendlichkeit zu wabern scheint und gleich vorzuspulen. Das sagt nicht zuletzt etwas über unsere Hörgewohnheiten aus. Auch ich bin davor nicht gefeit, mich voller Ungeduld nicht mehr auf den Klang zu konzentrieren. Schließlich ist der Klang heute allzu oft nur mehr Mittel zum Zweck. Bombastisch soll es aus den Boxen dröhnen, "fett" produziert und im Club alle auf der Tanzfläche "umblasen", wenn es um elektronischen Musik im Unterhaltungsumfeld geht. Umso eigenwilliger ist es, dass die dreiminütige Eröffnung von "Odeon" nur aus Samples, Geräuschen und synthetisierten Melodien zusammengesetzten Akkorden besteht, die sich nur in ihrem dichten Mikrokosmos verändern.

Tosca 1194 12" Chocolate Elvis

G-Stone/Tosca

Die erste Tosca 12" erscheint 1994, dem Geburtsjahr von Dorfmeisters Label G-Stone Recordings.

Richard Dorfmeister und Rubert Huber haben nämlich ein ganz eigenes Soundverständnis. Bei Richard hat die intensive Beschäftigung mit der langsameren Beat-Gangart und Klangforschung bei Kruder&Dorfmeister schon einen hohen Perfektionsgrad erfahren. Die damals dargebotenen "verhatschten" Dub-Grooves und die ganz eigene, oft unterkühlte Atmosphäre stellte im musikalischen Zeitgeist damals etwas Neues dar und wurde so zum allbekannten Donwbeat-Hype. Als freischaffender Komponist, der Arbeiten für beispielsweise die Wiener Festwochen, das Centre Pompidou oder die Ars Electronica verfasste, hat Rupert sowieso keinen stereotypen, aus der Popwelt-Sozialisation heraus entwickelten Zugang zur Musik.

Zerstückel die Stimmen

Weltfremd sind Tosca durch ihre eigene Herangehensweise jedoch nicht geworden, schließlich ist auf dem zweiten songähnlichen Track "What If" gleich eine akustische Gitarre und die wunderschönen Vocals von Sarah Carlier zu hören, die das Stück sehr zugänglich machen. Auch wenn der "übliche" Downtempobeat und das jazzig-klingende Schlagwerk einen "das kenn ich schon"-Effekt auslösen könnte, bleibt etwas geheimnisvolles, dunkles zurück. Einerseits liegt das an den Auslassungen, den Freiräumen und der repetitiven Konsequenz, die den hypnotischen Sog erzielen.

Tosca Albumcover "Odeon"

Tosca/G-Ston Rec.

Andererseits arbeiten Rupert und Richard mit den Stimmen ihrer Gastsängerinnen und Gastsänger sehr eigenwillig. Manchmal wird über ein eine musikalische Skizze eingesungen und die Aufnahmen werden dann über einen ganz anderen Backing-Track gelegt. So führt der Zufall dabei manchmal Regie. Meist wird die Stimme wie ein Instrument eingesetzt, zerschnitten, gesampelt oder geloopt. Das bedeutet natürlich auch, dass die erzählten Geschichten nicht selten zerstückelt werden und wie bei dem Mundarttext von Extremschrammel Roland Neuwirth auf "Cavallo" die Erzählung durch die Bearbeitung stellenweise sogar zur Lautmalerei transformiert wird.

Auch der komplexe und detailverliebte Track "Stuttgart", in dem Industrie- und Flugzeuggeräusche zirpenden Grillen gegenübergestellt werden, lebt sehr von den brasilianischen Vocals von Lucas Santtana. Ebenso wie die Singelauskopplung "Jay Jay", wobei die Stimme von J.J. Jones über den düsteren Groove etwas bedrohliches vermittelt.

Die Liebe zur Musik

Auffallend am neuen Album "Odeon" ist die atmosphärische Düsternis, die sich wie ein roter Faden durch alle Tracks zieht.

"Unsere Musik war immer schon geprägt durch unsere Hörerlebnisse seit Anfang der 1980er", erklärt Richard Dorfmeister, der bei diesem Thema geradezu euphorisch wird. "Da stand Miles Davis bei uns ebenso am Programm wie die experimentellen Nummern von Can. Aber auch ganz schräge Jazzsachen. Irgendwann kam dann black soul, Soulfunk und Reggae dazu. Gleichzeitig aber auch french chanson mit Gainsburgh und diese Sachen gefallen uns auch heute noch. All diese Einflüsse haben ja auch keinen fröhlichen Unterton."

Schon bei der Erwähnung ihrer großen Helden und musikalischen Vorbilder ist zu spüren, dass es Tosca immer rein um die Musik als künstlerisches Werk gegangen ist. Vor allem um ihre Liebe zur Musik. Das Bild vom Champagner schlürfenden, Kaviar mampfenden Star-DJ, der zu seinen Auftritten in der Strech-Limo antanzt, trifft auf diese beiden Herren und ihr Liebesprojekt sicherlich nicht zu. So meint Richard:

"Es geht ja immer nur um die Kohle. Immer. Alles ist money driven. Gott sei Dank gibt es in der Musikindustrie Menschen, die ihre Arbeit nicht nur wegen dem Geld machen, sonst wären sie schon woanders, wo viel Geld zu holen ist. Was wir machen ist mehr idealistisches Freaktum, auch wenn selbst wir schauen müssen, wie wir uns die Produktion und Promotion finanzieren können."

Tosca alias Rupter Huber Richard Dorfmeister

Tosca/G-Stone Rec.

Die aktuelle FM4 Soundpark Sendung könnt ihr ab Montag 18. Februar sieben Tage lang im Stream On Demand nachhören.

Für "Odeon" haben Richard Dorfmeister und Rubert Huber keine Kosten gescheut. Das hat es ihnen ermöglicht, ihre jahrzehntelange Produktionserfahrung voll auszuspielen und den geschützten "Luxus-Rahmen" von Aufnahmensessions in ihrem Studio perfekt zu nutzen. So ist das sechste Studioalbum ein vielschichtiges Sounderlebnis geworden, wenn man sich darauf ein- und in die Klangwelt des Wiener Duos fallen lässt. Das einzige was man dazu braucht, ist ein Kopfhörer und den derzeitig größten Luxus Zeit.

Fahrplan durch die FM4 Soundparknacht Sonntag 17.02.: